Erst kürzlich wurden im Sinziger Bauausschuss mit der Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens die Weichen für den Bau von drei Windenergieanlagen (WEA) im Stadtwald Harterscheid gestellt. Allerdings haben jetzt sowohl das Frauenhofer-Institut und die Bundeswehr gegen das Vorhaben Einspruch erhoben. Dies geschah im Rahmen der Anhörung von Trägern öffentlicher Belange für eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung durch die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord, die auch die Baugenehmigung mit einbezieht, wie Martin Pütz, hauptamtlicher Geschäftsführer der Eegon und Projektleiter Thomas Breuer der Eifler Energiegenossenschaft (Eegon) bei der Erläuterung des Sachstands im Haupt- und Umweltausschuss der Stadt ausführten.
Sichtbehinderung für TIRA-Radar?
Zum Hintergrund: Die Windkraftanlagen im Harterscheid hätten laut Pütz eine maximale Gesamthöhe von 262,5 Metern. Das Frauenhofer Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR in Wachtberg-Werthhoven und die Bundeswehr befürchten, dass die geplanten Windenergieanlagen die Funktion des Weltraumbeobachtungsradars TIRA (Tracking and Imaging Radar), das auch militärisch genutzt wird, beeinträchtigen. Die Vermutung des Instituts: Die Rotorblätter der Anlagen würden in den Sichtbereich von TIRA hineinragen und damit die zum Schutz der Weltrauminfrastruktur essenziellen Fähigkeiten des Systems behindern.
Windenergieanlagen in einer Höhe von bis zu 300 Metern stellen laut Fraunhofer Institut heute eine akute Herausforderung für die zukünftige Systemverfügbarkeit der Verteidigungsanlage dar. Für Raumfahrtorganisationen auf der ganzen Welt außerhalb der USA bietet das Weltraumbeobachtungsradar TIRA als einziges System die Möglichkeit, vom Boden aus in hoher Präzision die Bahn zu vermessen oder in hoher Auflösung Objekte wie Satelliten abzubilden. „Es gibt noch viele Unwägbarkeiten, ähnlich verhält es sich bei dem Vorhaben, in Ramersbach Windkrafträder zu errichten, da ist ein Gutachten noch nicht fertiggestellt. Hier wird wohl eine Verhinderungs- oder Verzögerungstaktik angewandt“, mutmaßte Eegon-Geschäftsführer Pütz hierzu. Viele verschiedene Akteure bemühten sich um eine Lösung, doch das Ergebnis sei noch abzuwarten.
Gegenwind für das Projekt kommt auch aus den Ortsgemeinden
Bei der Vorstellung des Sachstands legte Volker Holy, Ortsvorsteher von Löhndorf, Wert darauf klarzustellen, dass die Ortsbeiräte von Löhndorf und Franken sich geschlossen gegen die Windräder im Wald ausgesprochen hätten. Ausschussmitglied Franz-Hermann Deres forderte, die Wirtschaftlichkeit der Anlagen durch Windmessungen belegt zu bekommen. „Das ist Risiko des Eigentümers“, argumentierte Pütz. Nichtsdestotrotz gehen die Planungen für den Windpark im Sinziger Harterscheid voran. „Wir gehen davon aus, dass auch das Raumordnungsverfahren im Rahmen der Genehmigung keine Probleme verursacht“, so Pütz.
„Der Ausbau von Windkraft ist vor dem Hintergrund des Klimaschutzes eines unserer wichtigsten Anliegen.“
Andreas Geron, Bürgermeister der Stadt Sinzig
„Der Ausbau von Windkraft ist vor dem Hintergrund des Klimaschutzes eines unserer wichtigsten Anliegen“, hatte Bürgermeister Andreas Geron in der Hauptausschuss-Sitzung vorausgeschickt. Die Stadt ist im Jahr 2023 dem kommunalen Klimapakt beigetreten und würde mit den voraussichtlich drei Anlagen des Windparks der Eegon auf städtischem Gebiet im Außenbereich 40,5 Millionen Kilowattstunden erzeugen, womit 63 Prozent des gesamtstädtischen Strombedarfs gedeckt wären, was rund 10 000 Haushalten entspräche. Hinzu kämen die erheblichen Pachteinnahmen und es sei mit einer Gewinnbeteiligung an dem Projekt und den bereitgestellten Flächen zu rechnen. Die genaue Höhe der Pachteinnahmen ist erst nach der Feststellung einer Genehmigungsfähigkeit und der Projektfinanzierung zu ermitteln.
Fledermauspopulation verhindert weiteren Ausbau
Wie Martin Pütz und Projektleiter Thomas Breuer ausführten, wurden zudem bereits Untersuchungen für einen weiteren Teil-Windpark im Harterscheid durchgeführt. Hierbei habe sich im Rahmen eines Artenschutzgutachtens ergeben, dass nur eine weitere Windenergieanlage möglich sei und aufgrund von mehreren Fledermauspopulationen zwei Standorte wegfallen. Es könnte also nur noch eine weitere Anlage errichtet werden, was dann insgesamt vier Windräder ausmachen würde. Um die Windräder zu bauen, und sie jederzeit auch für die Feuerwehr erreichbar zu machen, würden laut Pütz schon vorhandene Wege genutzt und mit Schotter versehen. Neben den Windrädern soll jeweils eine Kran-Stellfläche angelegt werden, die aber auch nach einem eventuellen Rückbau der Anlagen geschottert erhalten bliebe. Für die Eegon ist der Sinziger Windpark laut Pütz das erste größere Projekt. Bislang verfügt die rund 1300 Mitglieder zählende Genossenschaft über ein eigenes Windkraftrad und hat das Nahwärmenetz in Marienthal mit 30 Anschlussnehmern projektiert.
Wenn es in der Bauausschusssitzung der Stadt Sinzig am heutigen Mittwoch darum geht, ob das gemeindliche Einvernehmen für sechs weitere Windkrafträder der Firma Juwi im Privatwald-Bereich des Schlosses Vehn im Waldgebiet Harterscheid zu erteilen, so ist dies ebenfalls unter dem Vorbehalt zu sehen, ob das Fraunhofer Institut und die Bundeswehr dahin gehend keine Bedenken haben.