„Die Umsetzung der Pläne des amerikanischen Präsidenten Donald Trump bezüglich des Gaza-Streifens in Nahost würde zu einem Ausbruch an Gewalt führen, wie man ihn bisher nicht erlebt hat.“ Das ist die Aussage des Historikers Alexander Friedman beim Treffen der Sektion Bad Neuenahr-Ahrweiler der Gesellschaft für Sicherheitspolitik. Ungewohnt viele Interessenten hatten sich am Mittwoch im Hotel zum Weinberg in Bad Neuenahr sowie am Live-Stream im Internet eingefunden, um die Aussagen zu diesem brandheißen Thema zu verfolgen.
Jedoch ist der Nahost-Konflikt nach Ansicht von Friedman für viele Europäer und auch die Deutschen kein besonderes Thema, da Israel weit weg liege und der Konflikt mit uns nichts zu tun habe. Auch im laufenden Wahlkampf spiele dieses Thema kaum eine Rolle, denn man könne damit keine Stimmen gewinnen. Doch ist das weit gefehlt: „Der Konflikt ist durch zahlreiche palästinensische Flüchtlinge längst bei uns angekommen“, so der Fachmann.
Eine Lösung gibt es nicht
Der in Minsk geborene Historiker lehrt an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, an der Universität des Saarlandes sowie an der Hochschule für Polizei und Verwaltung in Duisburg über die israelische Geschichte mit dem Themenkomplex Antisemitismus. So berichtet er, dass in Deutschland bereits rund 200.000 Palästinenser lebten, davon etwa 40.000 allein in Berlin, und für diese sei das Geschehen in Israel ein besonders wichtiges Problem. Sie bestritten das Existenzrecht Israels und bezeichneten das Land als alleinigen Verantwortlichen für den Konflikt. Eine Auflösung Israels würde nach Ansicht Friedmans zwangsläufig zur Verfolgung und Auslöschung der Juden in der Region führen.
Als nicht viel besser erscheine da die Lösung Trumps, der die Palästinenser aus dem Gaza-Streifen nach Jordanien und Ägypten umsiedeln möchte, um aus den Küsten des Landes eine neue Riviera zu machen. Der Referent sah darin eine völlige Verschärfung der schon gegenwärtig kaum zu überbietenden Situation. Aussiedlung nach Ägypten und Jordanien und dann der Weg nach Europa über Russland und Belarus? „Es würde zu einer Explosion des Hasses führen, wenn Europa dann die Grenzen dichtmacht.“ Das sei doch genau das, was auch Putin sich wünsche.
„Es würde zu einer Explosion des Hasses führen, wenn Europa dann die Grenzen dichtmacht.“
Historiker Alexander Friedman
Europa müsse nun bald überlegen und zu einer gemeinsamen Strategie kommen, ob und wie es eingreifen möchte. Und das im Schatten der nun dringenden Entscheidungen zur Ukraine. „Ich habe da auch keine Lösung“, so Alexander Friedman entwaffnend. Hinzu komme noch der wachsende, israelbezogene Antisemitismus als dominante Spielart der Judenfeindlichkeit in Deutschland und Europa. Die Sympathie werde besonders unter den jungen Leuten immer geringer und der Gaza-Krieg habe die Ablehnung noch zusätzlich befeuert. Jüdische Einrichtungen in Deutschland müssten bereits wieder stark geschützt werden. In Frankreich und den Niederlanden sei bereits eine Auswanderungswelle jüdischer Bürger nach Israel zu spüren. „Die bisher pro israelische Stimmung auch in Deutschland kippt langsam um“, stellte der Referent fest, obwohl noch Bundeskanzlerin Angela Merkel die Freundschaft zu Israel zur Staatsraison erklärt hatte. Immerhin ist Deutschland der wichtigste Handelspartner des Landes, noch vor den USA oder China.
Antisemitismus schürt Hass
Was genau ist nun eigentlich Antisemitismus? Friedmans Antwort: „Es ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die im Hass auf sie ihren Ausdruck findet. Dieser richte sich gegen jüdische oder auch nicht-jüdische Individuen und/oder ihr Eigentum, gegen Institutionen jüdischer Gemeinden und religiöse Einrichtungen“. Ausdruck sei auch der Gaza-Konflikt. Antisemitismus sei eine Art Abszess, der dauernden Hass schüre. Dieser würde international im Hinblick auf die Zukunft zu zögerlich bekämpft. Innerhalb der folgenden, Diskussion hatte Alexander Friedman noch auf viele Fragen zu antworten. Ein Zuhörer erinnerte daran, dass auch die israelische Armee schlimme Taten begangen habe, die nicht vergessen werden dürften.