Denn: Nach etlichen Jahren wollen Doris und Karl-Heinz Strauß ihren Betrieb an der Neuenahrer Hauptstraße in die Hände ihrer drei Kinder, Andrea, Karin und Peter, geben. Karin Strauß, der ältesten der drei Geschwister, wird dabei schon etwas mulmig. „Gar nicht wegen der Produktion. Es ist mehr der Verwaltungsaufwand, der mir Sorgen macht“, gibt sie zu. Bisher habe Mutter Doris Strauß sich hauptsächlich um den Papierkram gekümmert. Doch auch das wird sich mit dem Generationswechsel ändern.
Seit mehr als 100 Jahren gibt es die familiengeführte Konditorei nun schon in Bad Neuenahr. Wann genau sie gegründet wurde, das ist selbst für die Inhaber nicht mehr so ganz nachzuvollziehen. Klar ist: Im Jahr 1919 oder 1920 zog die Konditorei an ihren jetzigen Standort in der Hauptstraße. Vorher existierte sie als Hotel mit angegliederter Konditorei und dem Café Ahrgold in der Poststraße. Das jetzige Ladenlokal ist in einem von drei Häusern untergebracht, die im Laufe der Jahrzehnte zu einem zusammenhängenden Gebäudekomplex verbaut wurden. Die ganze Familie Strauß wohnt in dem Haus, in dem sich auch die Konditorei befindet.
Schokolade mit Aroma-Ölen
Ob sie etwas verändern wollen, wenn sie das Zepter in der Hand haben? „Meine Schwester ist der kreative Kopf, was die Pralinen und die Schokolade angeht“, verrät Karin Strauß und lächelt die 34-jährige Andrea an. „Und mein Bruder Peter ist hier für das Gebäck und die Torten zuständig. Er kommt auch immer mit neuen Rezepten um die Ecke.“ Schokolade mit Aroma-Ölen sei der neue Hit. Die werde aktuell gut nachgefragt. Genauso Bruchschokolade mit Erdbeere und Heidelbeere, aber auch Holunder-Trüffel. Sicher gebe es immer wieder neue Schokoladenformen und -figuren. „Aber wir krempeln hier nicht das ganze Konzept um“, verrät Karin und lacht.
In der Konditorei Irmgartz ist alles Handarbeit. „Die Arbeitskraft unserer Eltern lässt sich natürlich nicht ersetzen“, meint die 40-jährige Karin. „Das können auch mehr Mitarbeiter nicht auffangen.“ Aktuell arbeiten neben der Familie Strauß noch Konditor Jens Pasch und Putzkraft Martin Adler in der Konditorei.
Gelernt haben alle drei Juniorchefs im elterlichen Betrieb. Andrea und Peter sind Konditoren, Karin ist gelernte Konditoreifachverkäuferin. Es sei gar nicht leicht, auswärts eine Ausbildungsstelle in dem Handwerk zu finden, berichten Peter, Andrea und Karin Strauß. „Viele haben Rezepturen, die sie nicht preisgeben wollen“, erklärt Peter Strauß, der zurückhaltendste der drei Geschwister.
„Wenn man da in die Bewerbung schreibt, dass man aus einer Konditorenfamilie mit eigenem Betrieb stammt, hat man keine Chance. Und wieso soll ich bis hinter Köln fahren für die Ausbildung, wenn ich hier alles lernen kann?“ Hinzu komme, dass es kaum noch Konditoreien als Handwerksbetriebe gebe.
Flutkatastrophe hat Spuren hinterlassen
Als die Flut im Juli 2021 kam, verbarrikadierte die Familie Strauß die Eingangstür zum Laden mit Mehl- und Zuckersäcken. Ein Teil der Familie sicherte mit vereinten Kräften die Haustür, während die anderen die meisten der schweren Schokoladen- und Pralinenmaschinen in die oberen Etagen schaffte. „Das war dramatisch“, erinnert sich Karin Strauß. „Ich weiß noch, wir waren noch um kurz vor zwölf an der Ahr spazieren. Und um zehn nach zwölf schrie meine Mutter nur: ,Das Wasser ist da!' Und dann kam die Flutwelle aus Ahrweiler.“
Die Familie Strauß schafft es, den Großteil der Maschinen vor den Wassermassen in Sicherheit zu bringen, doch die Kühlschränke, der Kühlraum, sämtliche Vorräte und Lebensmittel zerstört die Flut. „So etwas ist in den vergangenen 100 Jahren nicht passiert“, sagt Karin Strauß. „Das war auch für uns komplett neu. Dass wir außer einigen Gewürzen nichts mehr an Vorräten haben, das gab es einfach noch nie.“
Kurz vor dem verheerenden Hochwasser hatten die Eltern Doris und Karl-Heinz gerade neue Böden verlegen lassen, neue Maschinen angeschafft und alles für den Generationswechsel vorbereitet. Der Zeitpunkt der Flut hätte die Familie kaum ungünstiger treffen können. „Aber letztlich hatten wir Glück“, meint Karin Strauß. „Uns ist ja nichts passiert außer dem finanziellen Schaden und den haben hier ja quasi alle.“ Doch eines fehlt auch den Kunden in diesem Jahr in der Vorweihnachtszeit ganz besonders: Die Modelleisenbahn, die sonst immer durch das winterlich dekorierte Schaufenster fuhr. „Die hat die Flut leider nicht überlebt“, schildert Seniorchefin Doris wehmütig. Die Familie hofft nun, dass der Hochwasserschutz und die Warnketten zuverlässig und zeitnah verbessert werden.
Touristen fehlen noch
Aktuell merkt die Familie Strauß, dass noch die Touristen und auch die Reha-Kunden fehlen. Die Stammkundschaft würde schon wieder vermehrt Pralinen und Schokolade kaufen. „Aber man braucht sich ja nicht wundern“, meint Karin Strauß. „Die Poststraße sieht fast noch aus wie direkt nach der Flut. Kein Wunder, weil dort ja die Straße wieder aufgerissen werden muss. Nur das macht sich natürlich bemerkbar, da macht ja jetzt erstmal keiner wieder auf.“
Karin hofft, dass zeitnah ein weiteres Hotel in der Kreisstadt wiedereröffnen kann. Sie setzt auf das Steigenberger, doch das wird wohl erst im Spätsommer 2023 mit dem Betrieb starten (die RZ berichtete). Für die Konditorei Irmgartz geht es nun erstmal weiter. Bald mit neuem Chef und zwei neuen Chefinnen. Und auch die nächste Generation scheint dann schon gesichert: Karins Tochter Anna (8) hilft bereits begeistert in der Produktion der Konditorei.