Premiere: „Spring Awakening“
Frank Wedekinds Klassiker als Musical im Theater Bonn
Das Ensemble von "Spring Awakening" rund um Klaus Gray Essler als Melchior (Mitte).
Matthias Jung. Junges Theater Bonn

Frank Wedekinds „Frühlingserwachen“ sorgte Ende des 19. Jahrhunderts für Empörung. Kann das Thema mehr als 100 Jahre später noch Wirkung entfalten? Und dann auch noch in einer Neuinterpretation als Musical?    

Veronika, der Lenz ist da. Da erwachen die Triebe und oft auch die Fragen nach der eigenen Sexualität. Dumm nur, wenn weder Eltern noch Lehrer den Jugendlichen Antworten geben und sie aufklären wollen, so wie Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Oder Anfang des 21. Jahrhunderts in den USA. Der Autor Frank Wedekind hat sich des Themas mit seinem 1891 veröffentlichten Theaterstück „Frühlings Erwachen“ angenommen und damit bei den prüden, konservativen Kräften für Empörung gesorgt. 2006 haben Songwriter Duncan Sheik und Autor Steven Sater das Drama in ein modernes Rockmusical verwandelt – jetzt haben das Junge Theater (JTB) Bonn und das Theater Bonn in einer ersten großen Koproduktion „Spring Awakening“ auf die Bonner Bühne geholt.

Das Stück, das auch nach 120 Jahren nichts an Aktualität verloren hat, beschreibt das Leben einer Gruppe von Teenagern, die auf einmal mit ihren Hormonen und Gefühlen zu kämpfen haben und dabei mehr oder weniger allein gelassen werden. Im Zentrum steht Melchior (Klaus Gray Essler), der von seiner Mutter sehr liberal erzogen wird und daher als jugendlicher Rebell religiöse und gesellschaftliche Konventionen infrage stellt, wofür er von allen Mädchen angehimmelt wird – auch von der unschuldigen Wendla (Emilia Paereli), die von ihrer Mutter nur Geschichten vom Storch zu hören bekommt, als sie diese um Aufklärung bittet.

Weiß sich nicht mehr zu helfen: Moritz Stiefel (Niklas Windeck).
Matthias Jung. Junges Theater Bonn

Auf dem Heuboden verliert sie letztlich ihre Unschuld an Melchior, der von seiner Libido überwältigt wird und das ihm sehr am Herzen liegende Mädchen vergewaltigt (auch wenn die Bonner Inszenierung von Regisseur Bernard Niemeyer dies lediglich andeutet). Eine Tat, die den Jungen verfolgt, ebenso wie seine Hilfe für den verklemmten Moritz (Niklas Windeck), dem er Texte und Zeichnungen zum Geschlechtsakt erstellt; nach dessen Suizid werden sie Melchior zur Last gelegt. Dazwischen ranken sich weitere Geschichten, etwa die von Martha (Clélia Oemus), die von ihrem Vater regelmäßig verprügelt wird, oder die von Hänschen (Albert Teves), der den biederen Ernst (Martin Wald) verführt.

Niemeyer gelingt es, all diese Schicksale gefühlvoll auszugestalten. Vor allem Windeck ist als zutiefst getriebener Moritz schauspielerisch unglaublich stark, ebenso wie Essler, der zudem mit fantastischem Gesang und starker Bühnenpräsenz das Stück trägt – bei den Frauen strahlen vor allem Paereli mit ihrem warmen, vollen Organ sowie die glasklar singende Joana Taskin als die von ihren Eltern verstoßene Ilse. Ohnehin kann sich das Ensemble, das sich aus Mitgliedern des JTB-Nachwuchsensembles und des Jugendchores des Theaters Bonn zusammensetzt, sowohl sehen als auch hören lassen, was nicht zuletzt an der exzellenten Arbeit der musikalischen Leiterin Ekatherina Klewitz liegt, die zudem während der Aufführungen eine sechsköpfige Live-Band leitet.

Die Eltern von Melchior (Ingrid Bartz, Mitte; und Thomas Kahle) sind entsetzt darüber, dass ihr Sohn Wendla (Emilia Paereli) geschwängert hat.
Matthias Jung. Junges Theater Bonn

Allerdings könnte die Musik, die geschickt die antiquierten Ansichten der Erwachsenen zu Wedekinds Zeit konterkariert und an die Jugend von heute angelehnt ist, mitunter noch ein bisschen differenzierter sein, da vor allem viele Balladen sehr ähnlich klingen. Dass die deutschen Übersetzungen der Broadway-Songs mit ihren Plattitüden mitunter eher peinlich sind („so verfickt das Leben“), hilft auch nicht gerade. Es ist schon bezeichnend, dass genau jene Szenen aus der zweiten Hälfte am stärksten waren, in denen nicht gesungen wird: Die Abschiebung Melchiors in eine Korrekturanstalt, die tödliche Abtreibung Wendlas und der Besuch Melchiors auf dem Friedhof sind ungeheuer berührend und intensiv inszeniert, ohne Getöse und Klimbim. Das Ensemble macht aber auch aus den anderen Szenen das Beste, singt, tanzt und spielt mit Leidenschaft und reißt das Publikum bei der Premiere von den Sitzen.

Weitere Termine

„Spring Awakening“ ist an folgenden Terminen noch zu sehen: 16.5. + 17.5., 19.30 Uhr; 18.5., 18 Uhr; 1.6., 10 Uhr;

13.6., 10 Uhr; 13.6., 19.30 Uhr. Tickets gibt es an allen Vorverkaufsstellen und unter www.jt-bonn.de

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