In diesem Jahr wurde das Fest, das durch das Förderprogramm „Demokratie leben“ über den lokalen Aktionsplan (LAP) finanziert wird, unter das Motto „aktiv.zukunft.machen“ gestellt und richtete sich vor allem an die junge Generation. „Denn die jungen Menschen werden es maßgeblich sein, die Werte wie Toleranz und Meinungsfreiheit in Zukunft mit Leben füllen“, sagte Landrätin Cornelia Weigand gegenüber der RZ.
Keine Fake News
„Wir haben die Stadt wieder für uns. Es gibt keinen Aufmarsch und keine Fake News. Das ist schon ein Sieg über rechtsnationales Gedankengut, das in einer Welt, die von Veränderung geprägt ist, die Verunsicherung der Leute nutzt, um vergiftete Ideologien zu verbreiten und Hetzkampagnen zu schüren“, sagte Remagens Bürgermeister Björn Ingendahl. Angesichts des unsäglichen Überfalls der Hamas auf Israel walle der Antisemitismus wie ein Gespenst wieder auf. „Gerade jetzt ist es wichtig, wieder zusammenzustehen, denn Demokratie gibt uns nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, unsere Stimme zu erheben“, so Ingendahl.
Wie Michaela Schmitt ausführte, tue das auch not. Denn am Vortag am Infostand zum Tag der Demokratie in der Remagener Innenstadt gab es da einige Erlebnisse, die aufhorchen lassen. „Da hören wir so Dinge wie ,Wenn ihr die AfD einladet, komme ich auch‘ oder wie eine Dame um die siebzig sagte: ,Ich halte von der Demokratie nichts mehr‘“, so Schmitt. Es gäbe außerdem auch Leute, die nicht möchten, dass Grenzen, die nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind, klar bestimmt werden können. „Die auch mit Sprache diese Grenzen bewusst aufweichen – etwa wenn man Klimademonstranten Terroristen nennt, dann verharmlost man tatsächlichen Terrorismus, und wir sehen derzeit die hässliche Fratze des tatsächlichen Terrorismus nur allzu deutlich“, sagte Michaela Schmitt.
Ihren Besuch statteten auch die beiden Landtagsabgeordneten Susanne Müller (SPD) und Petra Schneider (CDU) ab. Das vielfältige Programm des Nachmittags war sehens- und hörenswert: die Barbarossaschule Sinzig war mit einem Gedicht einer ehemaligen Schülerin in neun Sprachen vertreten, der Musiker Stefan-Maria Glöckner sang Songs für die Demokratie und füllte das Kunstmobil gemeinsam mit Stefanie Manhillen mit Leben. Die Remagener Künstlerin Rosi Feuser lud zur Mitmachaktion „Alle Farben, außer braun“ ein, und die Autorin Gabriele Keiser las aus ihrem Roman „Tatort Rheinbrücke“, der sich mit Antiziganismus beschäftigt. Eine Demokratieparty feierten die Besucher mit den Bands Gutso um Nico Pohl und Sinuz um Kay Michelt.
Engagierte Bürger wollen Flagge gegen rechts zeigen
Die Stadt Remagen mit ihrem Weltkriegsdenkmal, den Türmen der eingestürzten Ludendorff-Brücke, und dem großen provisorischen Kriegsgefangenenlager des Jahres 1945 in der Goldenen Meile zwischen Bad Breisig und Remagen übt schon lange eine Anziehungskraft auf Neonazis aus. In der Öffentlichkeit besonders augenfällig wurde das erstmals am 8. Mai 2005, als sich 60 Jahre nach dem Kriegsende eine Gruppe mit offener rechter Gesinnung an den Brückentürmen des Friedensmuseums zu einer Kundgebung versammelte. Dagegen organisierten Remagener Bürger eine Unterschriftenaktion.
Neonazi-Aufmarsch im November 2009
Anlass für die Gründung eines Bündnisses war dann der erste „Trauermarsch für die Toten in den alliierten Rheinwiesenlagern“ im November 2009, als Aktivisten aus den Reihen der NPD und Neonazis, die sich im Aktionsbündnis Mittelrhein“ rund um das sogenannte braune Haus in Bad Neuenahr zusammengefunden hatten. Damals organisierten die Gegner des Naziaufmarsches ein Friedensfest am 8. Mai und eine Mahnwache in Remagen am Tag des Naziaufmarschs, für den man den Samstag vor dem Volkstrauertag als Datum ausgewählt hatte.
Zwei Monate später, im Januar 2010, wurde dann das Bündnis Remagen für Frieden und Demokratie aus der Taufe gehoben. Neben Bürgern und Politikern aus Remagen – mit Agnes Menacher und Karin Keelan an der Spitze – unterstützen auch die katholische und die evangelische Kirchengemeinde, die Grundschule St. Martin, der Asta des RheinAhrCampus, der Eine-Welt-Laden und der Verein „Kinderhof – Zeit, Raum und Leben“ das neue Bündnis. „Als vernunftbegabte und aufgeklärte Menschen wollen wir uns die ‚Braunen Umtriebe‘ nicht bieten lassen. Wir wollen etwas dagegen tun. Durch Gemeinsamkeit, Geschlossenheit, Information und friedliche, aber entschlossene Proteste“, heißt es nach eigenem Bekenntnis zu den Beweggründen.
Livemusik und Gedenkveranstaltungen
Der erste „Tag der Demokratie“ wurde im Jahr 2012 als Gegenveranstaltung organisiert, nachdem es zuvor jeweils Mahnwachen an den relevanten Gedenkorten gegeben hatte. Vereine, Initiativen und Gewerkschaften informierten über ihre Arbeit für die Gesellschaft und die Demokratie. Umrahmt wurde das Ganze mit Livemusik, aber auch mit Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Naziterrors in Deutschland. Dem Naziaufmarsch und den Gegendemonstrationen, alles begleitet von einem großen Polizeiaufgebot, wollte man in der Innenstadt ein buntes Fest gegenüberstellen. Und dabei ist es bis heute geblieben.
Nachdem beim vorerst letzten sogenannten Trauermarsch im Jahr 2021 nur noch gut 50 Neonazis durch Remagen marschiert waren, wurde die Veranstaltung für 2022 und auch dieses Jahr abgesagt. Den Tag der Demokratie wollen die Organisatoren als bürgerlichen Widerstand gegen rechts aber dennoch beibehalten. „Die Rechten suchen immer neue Möglichkeiten, ihre antidemokratischen Ideen zu propagieren, suchen auch Unterstützung in der Mitte unserer Gesellschaft mit Geschichtsverfälschungen und Verschwörungserzählungen“, sagt Bündnissprecherin Michaela Schmitt dazu. „Wenn wir eine bessere Zukunft für unsere und die nächsten Generationen wollen, ohne Hass und Menschenverachtung, müssen wir unsere Demokratie schützen. Wir müssen aktiv sein.“ ckk