Zwischen Baggern und Absperrgittern in der immer noch aufgepflügten südlichen Poststraße in Bad Neuenahr treffen Passanten auf einen unvermuteten Lichtblick in der immer noch von leeren Schaufensterzeilen geprägten Fußgängerzone. Die Galerie Kindhäuser präsentiert in lichtdurchfluteten Räumen zeitgenössische Kunst. Seit März 2024 hält Petra Kindhäuser neben dem Barista-Bistro die Stellung – in der Hoffnung, dass die Baustelle irgendwann Geschichte sein wird.
„Ich wusste nicht, dass es sich so lange hinziehen wird.“
Petra Kindhäuser zur Baustellensituation
„Ich wusste nicht, dass es sich so lange hinziehen wird“, sagt Petra Kindhäuser mit Blick auf die Baustelle in der Fußgängerzone, die immer noch die Wiederkehr des Einzelhandels ausbremst. „Erst war von einer Fertigstellung Ende Oktober 2024 die Rede, dann hieß es Ende des Jahres und jetzt soll es Ende Juli sein“, berichtet sie. Dabei stünden die genannten Termine immer unter Vorbehalt, sagt sie. Niemand wolle sich festlegen, ärgert sich Kindhäuser. Auf der Internetseite der Aufbau- und Entwicklungsgesellschaft ist zu lesen, dass bis Juli die Fernwärme durch die Ahrtalwerke verlegt wird sowie der Einbau der Schwammstadtelemente und die Straßenwiederherstellung erfolgen soll.

Trotz aller Hindernisse, die ihre Galerie umgeben, ist sie vom Standort überzeugt. Ein kleines Fachwerkhaus in Oberwinter, 1762 erbaut, war 2020 die erste Station für ein Projekt, das die promovierte Musikwissenschaftlerin, die bis 2020 an der Uni Koblenz gelehrt hat, in ihrem Ruhestand umsetzen wollte. „Es gab hier zwei Zimmer und keinen geraden Winkel. Die Kapazitäten waren begrenzt“, so Kindhäuser, die neben Musikwissenschaft auch Philosophie und Kunstgeschichte auf dem Niveau eines Hauptfachs studiert hat. Dieses zweite Standbein und die dafür vorhandene Leidenschaft waren die Basis für die Gründung der Galerie mit dem Anspruch, nur Ausstellungen mit anerkannten Künstlern zu zeigen. „Es sind Werke, die auch in einem Museum gezeigt werden könnten. Ich möchte keine Freizeitkünstler-Ausstellungen machen. Deshalb muss ich sehr oft auch absagen“, so Kindhäuser. Zeitgenössische Malerei, Grafik, Objektkunst und künstlerische Fotografie sind bei ihr in Schwerpunktausstellungen zu sehen, wobei die Galerie neben ihren Dienstleistungen auch wie ein kleines Museum konzipiert ist.
Geschredderte Juristentexte als Kunstwerk
Momentan sind es Lutz Schäfer mit Paperpulp und Keramik sowie Thomas Heyl mit Scherenschnitten, die zur Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst einladen. Einen besonderen Platz hat das Kunstwerk von Lutz Schäfer, welches er aus 18 Sammelbänden mit Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) geschaffen hat. Es erinnert an einen Teppich, bestehend aus Pappmaché. Rund 7000 geschredderte Seiten sind in der Masse gelandet. Einzelne Wortfragmente sind noch zu lesen.
Kindhäuser gibt zu, dass die Galerie, bestückt mit solchen Werken, eher einen musealen Charakter hat. „Es ist momentan ein Zuschussgeschäft, die Hälfte meiner Pension fließt in die Galerie. Ich verkaufe nicht so viel, dass es kostendeckend wäre“, so Kindhäuser, die sich auf eine Durststrecke eingestellt hat. Zu potenziellen Kunden gehören Gäste des Steigenberger Hotels, Reha-Patienten, aber auch Kunstinteressierte aus der Region.

„Ich wollte mich mit etwas einbringen, was ich kann.“
Petra Kindhäuser
Kindhäuser lebt in der Grafschaft. Was sie antrieb, eine Galerie zu eröffnen, hat auch mit der Flut zu tun und dem Bedürfnis, auf ihre Art und Weise etwas für den Wiederaufbau zu leisten. „Ich wollte mich mit etwas einbringen, was ich kann“, so die 70-Jährige. In der Poststraße hat sie den aus ihrer Sicht idealen Ort dafür gefunden. „Hier war früher mal ein Schuhgeschäft, dann ein Nagelstudio“, so Kindhäuser. Das liebevoll entworfene Logo, gezeichnet mit Kaffee- und Rotweintinte, spielt mit der Grafik eines mittelalterlichen Notenzeichens und erzählt von einer Musikwissenschaftlerin, die zur Galeristin wurde. Samstags, donnerstags und freitags oder nach Vereinbarung ist sie hier präsent. „Ich nehme bei den Menschen viel Interesse wahr. Viele haben mich gelobt, mir gesagt, wie schön sie es finden, dass es diesen Ort gibt.“