Die Familie von Cor de Keijzer hat mehr als 30 Jahre auf dem Campingplatz in Rech Erholung gefunden - Sie hat mehr als einen Wohnwagen verloren
Familie verlor Paradies im Ahrtal: Nur ein Foto ist geblieben
Cor de Keijzer kann es nur schwer begreifen, was mit seinem Paradies im Ahrtal passiert ist.
De Kaijzers

Rech/Dedensvaart. Ein kleines Foto, 14 mal 18 Zentimeter groß, von Sohn Johann und Enkel Levi und ihm selbst ist für die Familie von Cor de Keijzer alles, was von ihrem Wohnwagen auf dem Campingplatz in Rech übrig geblieben ist.

Cor de Keijzer kann es nur schwer begreifen, was mit seinem Paradies im Ahrtal passiert ist.
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Nach der Flut hatte es ein Helfer gefunden und in der Kirche in Rech zu den Fundsachen gelegt. Nun hat es Gertrud Schreiner, Mutter des Campingplatzbetreibers Lothar Schreiner, der Familie de Keijzer samt Weihnachtskarte geschickt. Feiertagspost, die die Seele berührt.

Kleines Paradies

„Wir haben alles verloren. Das Wasser hat uns alles abgenommen – bis heute, als wir per Post das Bild bekamen, das zehn Jahre im Wohnwagen an der Wand hing. Uns kamen die Tränen. Es hat jetzt so einen emotionalen Wert bekommen, für uns unschätzbar“, sagt Cor de Keijzer. Der Niederländer ist fassungslos. Mehr als 30 Jahre lang ist das Ehepaar sieben- bis achtmal im Jahr an die Ahr gekommen, um hier in seinem kleinen Paradies Ruhe und Erholung zu finden.

„Unsere Kinder sind hier aufgewachsen. Wir haben hier sehr viele gute Bekannte, und wir haben nach der ersten großen Flut im Jahr 2016 alles wieder neu aufgebaut. Damals haben wir viele Sachen und Persönliches retten können. Damals haben wir gesagt, das Wasser wird uns hier nicht vertreiben, und haben alles mit hohen Kosten wieder aufgebaut, um unser Paradies wieder neu betreten zu können. Für uns war der Platz sehr, sehr wichtig wegen unserer Gesundheit und uns regelrecht heilig“, sagt der 69-Jährige.

Nicht den Mut, zum Campingplatz zu gehen

Als er von der Flut hörte, habe er gedacht: Der Wohnwagen ist sicher, da er höher gelegt auf einem Podest stand. Als er dann im Internet einen Film sah, wie ein Wohnwagen an der Recher Brücke regelrecht geschreddert wurde und ihn als den seines Campingplatznachbarn identifizierte, wusste er: Dieses Mal ist alles vorbei. De Keijzer lieh sich Geld für Benzin, um im Ahrtal helfen zu können. Er war mehrere Male in Rech, Dernau, Mayschoß, Kreuzberg, im Sahrtal und in Bad Münstereifel und half, wo es eben ging, schlief in seinem Auto am Helfercamp, mal in Erftstadt, mal bei seinem Freund Jan Heijkoop, einem Niederländer, der schon mehr als 30 Jahre in Hoffeld lebt und nun jede freie Stunde damit zubringt, im Ahrtal und in den Dörfern, die durch angestiegene Bachläufe große Schäden haben, mit anzupacken.

Das Campingparadies der Familie vor (links) und nach der Flut (rechts).
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„Wir waren in Mayschoß bei einem Künstler, der mehr als 400 seiner Werke verloren hat, und haben zu dritt geweint. Ich habe mich bis Kirchsahr vorgearbeitet, wo ich vor einem halb verschütteten Mercedes stand, aus dem später zwei Kinder tot geborgen wurden, wie ich erfahren musste. Die Menschen brauchen nicht nur tatkräftige Hilfe, sie brauchen auch jemanden, der ihnen zuhört“, sagt de Keijzer.

Die ersten beiden Male, als er in Rech war, hatte er nicht den Mut, zum Campingplatz zu gehen. Beim dritten Mal traute er sich. „Ich bin einfach auf die Knie gefallen und habe mit meiner Enkelin Danisha geweint. Alle Geschichten der vergangenen 30 Jahre, die wir hier erlebt haben, kamen auf einmal wieder hoch“, sagt Cor de Keijzer leise. So suchte er nach den Buchstaben, die sein Sohn vor 20 Jahren auf dem Gerüst der zerrissenen Eisenbahnbrücke mit dem Kosenamen seiner Freundin versehen hatte. Er fand sie aber nicht mehr. Dann traf er den Campingplatzbetreiber Lothar Schreiner, der ihm sagte, man habe ein Bild von ihm in der Kirche gefunden. „Das Foto wurde von irgendjemandem 800 Meter weiter in Trümmern gefunden und in der Kirche abgegeben, wo Fundstücke gesammelt wurden. Ich habe mich dann an die Frauen gewandt, die in der Kirche halfen“, erzählt Lothar Schneider.

Katastrophe geht nicht aus dem Kopf

Als Dank und in Erinnerung an die schönen Zeiten im Ahrtal brachte der ehemalige Camper zwei Bullis voll neuem Weihnachtsschmuck und Spielsachen zu den Flutopfern sowie auch mit dem eigenen Pkw. Ein Bekannter in den Niederlanden hatte ihn gefragt, was er denn mit den ganzen Paketen machen wolle. Als de Keijzer es ihm erklärte, lieh ihm dieser seinen vollgetankten Bulli für drei Tage. „Die wissen hier in den Niederlanden gar nicht, dass die Not noch so groß ist.

Dass das Foto, das Cor de Keijzer mit Sohn Johann und Enkel Levi zeigt, wieder aufgetaucht ist, grenzt für ihn an ein Wunder.
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Die Neuigkeit der Katastrophe ist keine mehr. Ich habe die größte Sorge, dass die Menschen im Ahrtal über den Winter vergessen werden“, befürchtet de Keijzer. Früher habe er als Hobbyfotograf immer seine Aufnahmen auf seinem Facebook-Account gepostet. Jetzt sei es immer nur das Ahrtal. „Es geht einfach nicht aus dem Kopf und ist ständig präsent“, sagt er. Er selbst werde, sobald es ihm möglich ist, wiederkommen. Spenden für Spritkosten möchte er nicht entgegennehmen. „Ich komme zurecht. Geld sollen die Menschen bekommen, die es an der Ahr dringender brauchen“, so sein Standpunkt.

Für das Foto als letzte Erinnerung von seinem Paradies in Rech wird er selbst den Rahmen anfertigen. „Wir schauen es immer wieder an. Die Geschichte mit dem Bild hat mir nun Sicherheit gegeben, dass es Hoffnung gibt für die Betroffenen. Sie haben alles verloren, wir ,nur‘ einen Wohnwagen und so weiter.“

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