Kreishandwerksmeister Frank Wershofen, seines Zeichens Installateur und Heizungsbauer, beschreibt die Situation als „gruselig“. Neues Personal an Land zu ziehen, sei schwierig. „Diejenigen, die ihre Gesellenprüfung gemacht haben, bleiben in der Regel in ihren Ausbildungsbetrieben. Wir müssen uns unseren Nachwuchs selbst großziehen – und ihn streicheln“, sagt er. Mit dem Streicheln meint er Vergünstigungen.
Mit Vergünstigungen locken
Das können Benzingutscheine oder auch Policen für Zusatzversicherungen sein. Außerdem sei es enorm wichtig, den Zusammenhalt in einem Betrieb zu fördern. Geschenke zu Ostern oder Weihnachten, Grillfeste, interessante Ausflüge und Exkursionen – das alles gehöre dazu, um die Bindung zum Betrieb und den Spaß an der Arbeit zu stärken. Was Wershofen gut findet: Es gibt mehr Frauen, die sich für einen Handwerksberuf entscheiden. Der Kreishandwerksmeister hat außerdem festgestellt: „Wenn klar wird, dass das Handwerk Aufstiegschancen bietet, ist es auch gefragt.“ Wichtiger geworden sei bei der Berufswahl aber auch die Work-Life-Balance.
Viele Metzgereien verschwinden
Der Schwund von Metzgereien ist nicht mehr aufzuhalten. „Es sieht schlecht aus. Es fehlen sowohl Fachkräfte als auch Azubis“, so Landesinnungsmeisterin Dagmar Groß-Mauer aus Kempenich. Sie berichtet, dass 2023 bundesweit 800 Fleischereien geschlossen und 500 neu geöffnet haben. Auch im Kreis Ahrweiler wird es so manchen Fleischer um die Ecke bald nicht mehr geben, weil sich kein Nachfolger findet. Sie selbst musste ihre Öffnungszeiten bereits reduzieren und vielen Aufträgen für den Partyservice, das zweite Standbein des Betriebs, eine Absage erteilen. Manch ein Kollege befüllt inzwischen auch Automaten mit Steaks und Wurst.
Doch das ist aus Sicht von Groß-Mauer nicht die Zukunft, weil die persönliche Beratung, auf die Kunden Wert legen, fehle. Das Problem beim Gewinnen von Nachwuchs sieht sie auch darin, dass dieses Handwerk ein schlechtes Image hat. „Von der Politik wird es auch nicht anders vermittelt.“ Man müsse nicht jeden Tag Fleisch essen, aber wer Fleisch isst, werde gleich mit Rauchern in eine Ecke gestellt. Was den Beruf eigentlich ausmacht und dass wir nachhaltig arbeiten, erführen die Schüler heutzutage mangels Praktika in einem Fleischereibetrieb erst gar nicht. Und auf Ausbildungsmessen sei das auch schwer zu vermitteln. „Für mich ist es ein Traumberuf“, so Groß-Mauer.
Wie sich Mitarbeiter binden lassen
Mit reduzierten Öffnungszeiten hat sich die Chefin des Hotels Hohenzollern in Ahrweiler, Ester Glöde, über die Flaute auf dem Arbeitsmarkt gerettet. Es gab Zeiten, da stand nur ein Koch zur Verfügung. Von fünf Köchen waren vier abgewandert. Mittlerweile ist die Lücke wieder aufgefüllt. Die Lösung: ein flexibles Arbeitszeitmodell. Es hat funktioniert. Nach der Flut sei der Tourismus eingebrochen, doch mittlerweile ziehe die Nachfrage von Gästen wieder an.
Spuren habe auch die Corona-Pandemie in der Branche hinterlassen und offenbart, wie kritisch es in diesem sensiblen und anfälligen Segment werden kann. „Viele haben sich sicherere Arbeitsplätze gesucht“, so Glöde. Die Konsequenz aus dem Fachkräftemängel heißt für sie: „Bei der Mitarbeiterführung muss man heute anders agieren.“ Dazu gehörten nicht nur der Ausflug nach Köln oder der Cocktailkurs, sondern auch eine gute Stimmung im Betrieb.
Flexible Arbeitzeit kommt gut an
Der Mangel an Pflegekräften im Gesundheitsbereich macht regelmäßig Schlagzeilen. Auch für die die Marienhaus GmbH sei das nach wie vor ein Thema, doch das Unternehmen habe mit dem Pflegeteam plus ein flexibles Arbeitszeitmodell etabliert, dessen Erfolge mittlerweile zu spüren seien, so der Unternehmenssprecher Dietmar Bochert. Mitarbeiter, die sich dafür entscheiden, können ihre Arbeitszeit frei und flexibel wählen.
Sie entscheiden selbst, ob sie nur morgens, nur mittags oder nachts arbeiten möchten. Sie werden dann stationsübergreifend immer in der Fachabteilung eingesetzt, wo aufgrund von Ausfall oder erhöhtem Bedarf Unterstützung benötigt wird. „Eine alleinerziehende Mutter kann dann beispielsweise auch nur von 8.30 bis 11.30 Uhr arbeiten“, Bochert. Seit einigen Monaten gibt es diese Möglichkeit testweise auch für Ärzte.
Bewerbungen einfacher machen
Der Dienstplan, der zum individuellen Leben passt, scheint mehr Interessenten zu locken in einer Branche, die dafür bekannt ist, am Limit zu arbeiten. „Es habe sich herumgesprochen, dass die Überbelastung bei uns nicht so exorbitant ist. Das macht sich bemerkbar“, so Bochert. Man sei bestrebt, den Arbeitsanfall beim Erstellen der Dienstpläne auf möglichst viele Schultern zu verteilen, anstatt wenigen Medizinern viele Überstunden aufzubürden. Ansonsten setzt das Unternehmen darauf, selbst Pflegekräfte auszubilden und startet demnächst eine neue Azubikampagne. Dabei will die Marienhaus GmbH auch das Bewerbungsverfahren verschlanken und Hemmschwellen für den Erstkontakt senken.
Alle Branchen sind betroffen
„Die bundesweiten Engpässe beim Fachkräftemangel im Kreis Ahrweiler entsprechen weitestgehend auch den regionalen Auffälligkeiten. Im Landkreis Ahrweiler sind diese insbesondere im Hotel- und Gaststättengewerbe, im Baubereich und verschiedenen Gewerken des Handwerks, insbesondere im Rahmen des Wiederaufbaus, sowie in der Pflege besonders ausgeprägt vorhanden“, so der Geschäftsführer der Arbeitsagentur Mayen-Koblenz, Thomas Becker, auf RZ-Anfrage. In vielen weiteren bedarfstragenden Branchen sei bereits ein genereller Arbeitskräftemangel festzustellen. „Das schrumpfende Arbeits- und Fachkräftepotenzial bietet daher insbesondere Chancen für gering qualifizierte Menschen. Unter anderem können auch in Beschäftigung stehende Arbeitnehmer das Qualifizierungschancengesetz nutzen und von einer nachhaltigen abschlussorientierten Weiterbildung profitieren“, so Becker, der auf unverbindliche Beratungsangebote in der Arbeitsagentur verweist. Außerdem könne der stärker werdende demografische Effekt, wenn auch nur teilweise, durch eine gezielte Zuwanderung verkleinert werden, so Becker. Die aktuelle Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetz biete daher Arbeitgebern die Möglichkeit, zusätzlich Arbeitskräfte aus Drittstaaten zu gewinnen. Auch dafür gebe es Angebote für Beratung. bea