Im aktuellen Ranking belegt der Kreis Ahrweiler den 123. Platz und liegt damit vor seinen regionalen Kreisnachbarn Cochem-Zell (183), Mayen – Kreis Koblenz (191) und dem Kreis Neuwied (263); einzig die Stadt Koblenz schnitt mit einem im Ranking erreichten 64. Platz besser ab. Unsere Zeitung hat dieses Ranking zum Anlass genommen, mit Vertretern aus Kreisverwaltung und der Industrie und Handelskammer (IHK) über die aktuelle wirtschaftliche Situation und wirtschaftliche Zukunftsaussichten im Kreis zu sprechen.
Das Rankingergebnis im Detail
So sieht das Rankingergebnis aus: Für das aktuelle Ranking musste sich der Kreis Ahrweiler – ebenso wie alle anderen kreisfreien Städte und Kreise – in den Kategorien Demografie (Platz 293 von 400), Arbeitsmarkt (Platz 64), Wettbewerb (134), Wohlstand (180), Stärke (131) und Dynamik (137) messen lassen und erzielte in fast allen Kategorien ein deutlich besseres Ergebnis als beim Ranking 2019. Während sich der Kreis insbesondere in den Bereichen Wettbewerb (2019: Platz 196), Dynamik (2019: 189) und Arbeitsmarkt (2019:83) wirtschaftlich deutlich steigern konnte, macht das Thema Demografie dem Kreis immer mehr zu schaffen: Im Ranking 2019 belegte der Kreis Ahrweiler hier noch einen 202. Platz, aktuell reichte es im deutschlandweiten Vergleich nur für den 293. Rang.
Problem Demografie
Das Problem Demografie ist im Kreis bekannt. „Tatsächlich ist die Altersstruktur der Kreisstadt Bad Neuenahr-Ahrweiler geprägt durch eine große Zahl von älteren Einwohnern“, erklärte Martin Neudecker, Geschäftsführer der IHK-Regionalgeschäftsstelle Bad Neuenahr-Ahrweiler, und betonte aber, flutbedingt werde vermutlich schrittweise eine Verjüngung innerhalb der Altersstruktur geben.
Insbesondere würden laut Einschätzung Neudeckers manche älteren Einwohner nach der Renovierung der flutbetroffenen Gebäude nicht mehr zurückkehren und ihre (Eigentums-)Wohnungen an jüngere Menschen verkaufen oder vermieten wollen. Dadurch könne es einen positiven Schub im Anteil der erwerbsfähigen Menschen geben, die für die Generierung von neuer Wirtschaftskraft erforderlich seien. Allerdings verhalte sich der demografische Wandel nach den jüngsten Berechnungen des Statistischen Landesamtes Rheinland-Pfalz durchaus im Rahmen, so die Aussage der Kreisverwaltung. Bis zum Jahr 2040 werde lediglich ein Minus von 2,8 Prozent prognostiziert.
Dynamik statt Wirtschaftshemmnis
Die Ahrflut im vergangenen ist jedoch weder für die Experten des Zukunftsrankings im fernen Berlin noch für lokale Wirtschaftsexperten ein Wirtschaftshemmnis, sondern vielmehr als dynamischen Prozess zu sehen. So erklärte die Kreisverwaltung Ahrweiler: „Trotz der schrecklichen Flutkatastrophe hat sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt nach der Flut nicht so dramatisch entwickelt, wie zunächst befürchtet“. Insbesondere sei die Arbeitslosenquote im Monat nach der Flut nur leicht von 4,0 auf 4,3 Prozent angestiegen. Auch gehöre das Ahrtal noch immer zu den Regionen in Rheinland-Pfalz mit einer niedrigen Arbeitslosenquote; flutbedingte Lehrabbrüche habe es kaum gegeben, so die Kreisverwaltung.
Im Bezug auf den Ausbildungsmarkt im Kreis betonte sie: „Die geäußerte Befürchtung, Ausbildung könne speziell für die Handwerksbranche aufgrund der Widrigkeiten nicht stattfinden, wurde über Fakten und Zahlen deutlich widerlegt. In einigen Betrieben wurden aus Helfern neue Angestellte oder Auszubildende“. Zudem habe ein großer Wegzug von Unternehmen bislang verhindert werden können. „Viele Unternehmen haben – auch mithilfe der bis Juli 2022 laufenden Kurzarbeitergeldregelungen – ihre Mitarbeitenden halten wollen, um sie nach der Wiedereröffnung weiter einsetzen zu können.
Insgesamt betrachtet ist der Kreis mit Blick auf seine mittelständischen Unternehmen und die hohe Lebens- und Wohnqualität bereits heute ein beliebter Landkreis.
Kreisverwaltung Ahrweiler
Ein Manko sehe die Wirtschaftsexperten allerdings im Bereich „Unternehmensneuansiedelungen“. „Neuansiedlungen von Industriebetrieben konnten wir bisher noch nicht feststellen“, resümierte Neudecker. Vielmehr sei das Gegenteil Realität, so die Einschätzung des IHK-Regionalgeschäftsführers: „Es wird Unternehmen geben, die mittelfristig aus dem unmittelbaren Talbereich auf die Höhen der Eifel innerhalb des Landkreises Ahrweiler ausweichen müssen, wie zum Beispiel ZF. Manche Unternehmen nutzen aber auch die Chance, ihr Serviceangebot zu erweitern“.
Hohe Kaufkraft im Kreis Ahrweiler
Auch finanziell sieht es laut Einschätzung der Experten für die Einwohner im Kreis gut aus. Insbesondere seien Kaufkraft – und damit auch der Faktor Wohlstand – hoch.Derzeit gibt es laut IHK insgesamt 9.750 IHK-Mitgliedsbetriebe im Kreisbetrieb, nach IHK-Einschätzung werden rund 40 Prozent von diesen als Nebengewerbe betrieben. Nach Einschätzung der Kreisverwaltung beträgt die Kaufkraft im Kreis Ahrweiler aktuell rund 24.850 Euro pro Einwohner.
Mit dieser Summe liege der Kreis über dem Bundesdurchschnitt. Durchschnittlich betrage die Kaufkraft pro Einwohner 24.807 Euro. Dass der Kreis Ahrweiler dermaßen gut abschneide, liege unter anderem daran, dass es viele Auspendler in die Region Bonn gebe. Rund um die frühere Hauptstadt haben sich DAX-Unternehmen mit einer hohen Gehaltsstruktur angesiedelt.
Gute Chancen für Neubürger
Das Thema Fachkräfte ist im vielerorts im Kreis ein angespanntes Thema – der Arbeitsmarktbietet insbesondere Neubürgern im Kreis gute Chancen. Um künftig verstärkt Menschen, Unternehmen und Unternehmensneugründungen in den Kreis zu holen, gehen die Wirtschaftsexperten im Kreis kreative Wege.
Denn: „Bei den Unternehmensneugründungen liegt der Kreis bereits seit Jahren im oberen Bereich der rheinland-pfälzischen Landkreise. Das Budget der Wirtschaftsförderung ist im Gegensatz zu den umliegenden Landkreisen im unteren Bereich“, so das Fazit der Kreisverwaltung. Aus diesem Grund setze der Kreis weniger auf monetäre als vielmehr auf kreative Lösungen.
Eine davon sind die sogenannten „Senior Experten Kreis Ahrweiler“, einer Gruppe von ehemaligen Führungskräften und Unternehmern, die ehrenamtlich Hilfestellungen für Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen geben. Im Hinblick auf das Thema Digitalisierung wurde eine Kooperation mit dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum abgeschlossen, in welchem im Kreis ansässige Unternehmen das Expertenwissen des Kompetenzzentrums kostenfrei nutzen können. Darüber hinaus bietet die Wirtschaftsförderung interessierten Unternehmen Informationen zu bestehenden Förderprogrammen; auch Existenzgründer und öffentliche Institutionen werden beraten.
Standortkampagne soll Fachkräfte locken
Probates Mittel, neue Menschen und Unternehmen in den Kreis zu locken, ist laut Kreisverwaltung die Standortkampagne “AW stark!„. Im Rahmen dieser Kampagne unterstützen IHK, Kreishandwerkerschaft, Handwerkskammer und Kreiswirtschaftsförderung regionale Unternehmen im Anwerben von qualifizierten Arbeitskräften und bewerben gezielt die Vorteile des Wirtschafts- und Wohnstandortes Kreis Ahrweiler.
Ausgespielt wurde die Kampagne laut Kreisverwaltung bereits am Flughafen Köln/Bonn. Auch sei eine Großflächenwerbung an ausgewählten Verkehrshotspots, wie etwa an der B 9 vorgesehen, um Pendler auf den Kreis Ahrweiler mit seinen vielfältigen Arbeitgebern aufmerksam zu machen. Darüber hinaus präsentiere sich der Kreis Ahrweiler gemeinsam mit der Stadt Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis auf internationalen Leitmessen.
Kreis mit Standortvorteilen
Dass die nachhaltige Gewinnung von neuen Fachkräften und Unternehmen für den Kreis Ahrweiler zum Problem werden könnte, davon gehen die Wirtschaftsexperten nicht aus – vielmehr verfüge der Kreis über erhebliche Stärken und Standortvorteile. „Der Kreis Ahrweiler grenzt unmittelbar an die Stadt Bonn, welche im Ranking des Zukunftsatlas auf Platz 21 zu finden ist“, betonte IHK-Regionalgeschäftsführer Neudecker. Insofern sei es eine Stärke vom Kreis Ahrweiler, im „Speckgürtel“ von Bonn zu liegen. Der Kreis sei ein Auspendlerlandkreis, bei dem rund 10.000 Menschen in Bonn und im ebenfalls angrenzenden Rhein-Sieg-Kreis arbeiteten.
„Für Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen besteht zudem der Anreiz, sich in Rheinland-Pfalz anzusiedeln, weil die Gewerbesteuersätze deutlich geringer liegen und teilweise auch fehlende Gewerbeflächen eine Weiterentwicklung in NRW verwehrt haben“, so Neudecker – und lieferte damit eine wirtschaftliche Einschätzung, die auch die Kreisverwaltung teilt.
Rückgrat Mittelstand
„Trotz der allgemeinen Eintrübung der Wachstumsprognosen für die deutsche Wirtschaft bleibt der Kreis Ahrweiler ein attraktiver Wirtschaftsstandort, der mit vielen positiven Werten punkten kann: investitionsfreudige, mittelständische Unternehmen, ein gesunder Branchenmix und gute Infrastrukturen. Insbesondere der Mittelstand ist der ausschlaggebende Jobmotor der Region und damit Rückgrat unserer heimischen Wirtschaft“, betonte die Kreisverwaltung und verwies auf die gute Situation auf dem Arbeitsmarkt im Kreisgebiet. „Mit einer Arbeitslosenquote von aktuell 3,2 Prozent liegt der Kreis in den letzten Jahren konstant und jahreszeitenunabhängig deutlich, und zwar aktuell 1,4 Prozent unter dem Landes- und gar 2,1 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt.“
Darüber hinaus sorgten der Kreis und seine acht Kommunen für wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen. „Hohe Investitionen der öffentlichen Hand in Schulen, Kindergärten und Infrastruktur tragen entscheidend zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes bei.“ Auch fänden Unternehmer im Kreis Ahrweiler günstige Quadratmeterpreise, ein großes Potenzial an qualifizierten Arbeitskräften sowie eine hohe Lebensqualität mit vielfältigen Freizeitmöglichkeiten, lautete das Fazit der Kreisverwaltung. „Insgesamt betrachtet ist der Kreis mit Blick auf seine mittelständischen Unternehmen und die hohe Lebens- und Wohnqualität bereits heute ein beliebter Landkreis.“