Sicherheit war Thema
Experten diskutieren in Bad Neuenahr über Wehrpflicht
GSP-Sektionsleiter Josef Schmidhofer (links) hatte prominente Gäste: GSP-Präsident Hans-Peter Bartels (Mitte) sowie Generalinspekteur a.D. Eberhard Zorn (rechts). Im Gespräch ging es um eine eventuelle neue Wehrpflicht.
Jochen Tarrach

Brauchen wir in Deutschland wieder eine Wehrpflicht, um uns sicher fühlen zu können? Hochrangige Experten haben sich dazu auf Einladung der Gesellschaft für Sicherheitspolitik Bad Neuenahr geäußert.

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Ohne eine neue Wehrpflicht wird es nicht gehen, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland angesichts der neuen politischen Realitäten im Ernstfall zu garantieren. Eine Zeitenwende, wie sie Bundeskanzler Olaf Scholz in der denkwürdigen Rede im Bundestag ausgerufen hat, bedeutet nicht nur mehr Geld für Beschaffungen von militärischem Material, sondern eben auch mehr Soldaten. Daran haben die Experten beim Diskussionsabend der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) in Bad Neuenahr-Ahrweiler keinen Zweifel gelassen.

Viersternegeneral a.D. Eberhard Zorn zu Gast

Hoch politisch ging es im Hotel zum Weinberg zu. Fachkundiger Referent für die rund 100 Zuhörer live im Hotel oder im Internet war Hans-Peter Bartels, Präsident der GSP, ehemaliger SPD-Bundestagsabgeordneter sowie Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages. Gast des Abends war auch General a.D. Eberhard Zorn, der kürzlich als Viersternegeneral auf dem Dienstposten des Generalinspekteurs seine aktive militärische Laufbahn beendete.

Die Personalstärke der Bundeswehr liegt seit Jahren bei 180.000 aktiven Soldaten. Das ist weit entfernt von bisherigen Planungen und erst recht von Zusagen an die NATO. Durch den Eroberungskrieg der Russen in der Ukraine ist eine neue Zeit angebrochen. Der Glaube an einen anhaltenden Frieden in Europa, wie er nach dem Fall des Eisernen Vorhangs aufkam, ist wie eine Luftblase zerplatzt.

„Es geht kein Weg an einer allgemeinen Wehrpflicht vorbei.“
GSP-Präsident Hans-Peter Bartels

In seiner Zeitenwenderede hat Kanzler Scholz die neuen Realitäten mit einem 100 Milliarden Sonderprogramm für die ausgetrocknete Bundeswehr anerkannt. Beispiel: Während des Kalten Krieges verfügte die Bundeswehr über 4600 Kampfpanzer, derzeit sind es nur noch 325. „Das Sonderprogramm kam viel zu spät, das hätte man schon 2014 machen müssen“, so der GSP-Präsident, denn in diesem Jahr hätte Russland mit ersten Repressionen gegenüber der Ukraine (Krim) begonnen. „Das alles muss und soll sich ändern, es ist von allem zu wenig da“, so Bartels.

Doch auch die angekündigten 100 Milliarden Euro erwiesen sich bisher quasi als Mogelpackung, denn gleichzeitig wurde der normale Verteidigungshaushalt, der ja bei 2 Prozent des Haushalts liegen soll, völlig eingetrocknet. „Ein kapitaler Fehler, keine Beschaffung mehr aus dem normalen Haushalt“, so Bartels. Gehe es so weiter, reiche das Sondervermögen nur noch bis 2027. „Und was dann?“, fragte er.

Braucht es wieder eine Wehrpflicht? Die Experten in der Diskussionsrunde in Bad Neuenahr-Ahrweiler befürworten diese.
dpa

In der Ära Schmidt/Brandt habe der Verteidigungsetat bei 3,4 bis 5,1 Prozent des Haushaltes gelegen. Auch das sei möglich gewesen. Trotzdem sei generell der eingeschlagene Weg richtig, die Bedrohung durch Russland werde immer offensichtlicher. So hat es Verteidigungsminister Boris Pistorius als Ziel bezeichnet, die Bundeswehr personell und materiell kriegstüchtig aufzustellen, um unser Land als Partner innerhalb der NATO verteidigen zu können.

Folgerichtig hat er eine neue Wehrpflichtdebatte angestoßen, denn allein mit einer Freiwilligenarmee lässt sich die Personalstärke nicht wesentlich erhöhen. „Es geht kein Weg an einer allgemeinen Wehrpflicht vorbei“, hatte der Minister erkannt und drei, mit dem Grundgesetz zu vereinbarende Modelle zur Diskussion vorgeschlagen. In Umfragen haben immerhin 43 Prozent der befragten jungen Leute eine Wehrpflicht für richtig gehalten. Neben den derzeit 20.000 Freiwilligen pro Jahr hält Bartels eine weitere Anzahl von nochmals 20.000 für mindestens 15 Monate eingezogene Wehrpflichtige für notwendig, um die Personalstärke entscheidend zu erhöhen. Auch die Zahl der Reservisten würde sich dann automatisch erhöhen. Doch wie soll es nun weitergehen?

In der Gesellschaft sei Verständnis für Maßnahmen da

Die Ampel in Berlin sei auch daran gescheitert, dass sie den Koalitionsvertrag nach Kriegsbeginn nicht erneuert und nicht gleich erkannt hat, dass mit dem Überfall auf die Ukraine eine andere Zeit begonnen habe. In der Gesellschaft sei das Verständnis für notwendige Maßnahmen da, und diese warteten nur darauf, umgesetzt zu werden.

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