Vortrag der GSP Bad Neuenahr
Experte: Deutschland muss wieder kriegstüchtig werden
Über den Inhalt des Vortrags von Brigadegeneral a. D. Rainer Meyer zum Felde (rechts) wurde im Anschluss an das Referat unter der Leitung von Sektionsleiter Josef Schmidhofer eifrig diskutiert.
Jochen Tarrach

Deutliche Worte fand Rainer Meyer zum Felde, Brigadegeneral a. D., bei einem Vortrag der Deutschen Gesellschaft für Sicherheitspolitik in Bad Neuenahr. Der Referent ist Experte in nationaler und internationaler Sicherheit, Verteidigung und der Nato.

In den wenigen Wochen seit der Münchener Sicherheitskonferenz im Februar mit der viel beachteten Rede des amerikanischen Vizepräsidenten James David Vance hat Donald Trumps Amerika eine ungeahnte Mutation von wohlwollendem Partner und führender Schutzmacht des Westens zu einer Macht vollzogen, die ihre Schwerpunkte verlegt hat und die immer mehr Ähnlichkeit mit China und Russland zu zeigen beginnt. Was bedeutet das für Deutschlands Rolle in Nato und EU? Gibt es eine weitere Zeitenwende, diesmal im transatlantischen Verhältnis?

Genau das war das Thema, mit dem sich die Sektion Bad Neuenahr-Ahrweiler der Deutschen Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) bei ihrem Treffen am Mittwoch im Hotel zum Weinberg in Bad Neuenahr beschäftigte. Als sachkundiger Gast erläuterte Rainer Meyer zum Felde, Brigadegeneral außer Dienst (a. D.), die neue politische und militärpolitische Lage für Deutschland und die Nato. Der Referent war seit 1989 national und international mit sicherheitspolitischen und strategischen Aufgaben betraut.

Trump-Administration ist Stresstest für Nato und EU

Zuletzt war er von 2013 bis 2018 Leiter der verteidigungspolitischen Abteilung der deutschen Nato-Vertretung und Berater des deutschen Nato-Botschafters. Derzeit betätigt er sich als Senior Fellow des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel, gehört zum Vorstand der GSP sowie der Clausewitz-Gesellschaft in Berlin.

Die neue geopolitische Linie der Trump-Administration erweist sich nach seiner Aussage immer mehr als Stresstest für die zentralen Institutionen des Westens, der Nato und der EU. Für Deutschlands Sicherheits-, Bündnis- und Verteidigungspolitik habe diese Entwicklung noch weitreichendere Folgen als Putins revisionistischer Krieg gegen die Ukraine. Der Umbau der Bundeswehr war in den vergangenen Jahrzehnten seit dem Fall der Mauer gezeichnet von einem Wechsel quasi zu einem bewaffneten Technischen Hilfswerk. Echte Feinde konnten nicht mehr ausgemacht werden.

„Deutschland muss wieder kriegstüchtig werden.“
Experte Rainer Meyer zum Felde, Brigadegeneral a. D.

Doch diese Zeit sei nun mit der Aggressivität Putins und den Aussagen Trumps zur Nato endgültig vorbei. „Die Weltordnung ist im Wandel begriffen“, erklärte der Brigadegeneral. Die USA schützten Europa nicht mehr in jedem Fall. Die Hauptinteressen der USA hätten sich in andere Weltregionen verlegt, und mit Präsident Joe Biden sei der letzte Transatlantiker gegangen.

Von Trumps Administration wird Europa als Trittbrettfahrer, Schmarotzer und Klotz am Bein bezeichnet. So hat sich die Notwendigkeit einer totalen Zeitenwende für Politik und Militär in Europa entwickelt. „Deutschland muss wieder kriegstüchtig werden“, resümierte auch Verteidigungsminister Boris Pistorius, und Kanzler Scholz läutete die Wende im Bundestag ein.

Experte nennt vier Alternativen

Deutschland und Europa haben die Zukunft nun in der eigenen Hand. „Gestalten oder gestaltet werden, als geopolitischer Akteur am Tisch – oder auf der Speisekarte der anderen“, so Meyer zum Felde zu den Alternativen. Es blieben nach dem „America first“ der USA vier Optionen offen: 1. Gemeinsame Abschreckung und Verteidigung im Rahmen der Nato, komplementär zur EU. 2. Koalition der Willigen unter Abstützung auf verbliebene Fähigkeiten der Nato. 3. Bilaterale Appeasement-Politik (Beschwichtigungspolitik) mit Russland zulasten Ostmitteleuropas. 4. Unterwerfung unter ein von China und Russland dominiertes Eurasien.

So forderte der Referent in Deutschland einen Wechsel vom verbreiteten Wunschdenken zum Realismus, mit allen Konsequenzen. Gemeinsame Abschreckung und Verteidigung im Rahmen der Nato: Das bedeute zukünftig auch, dass Deutschland in Europa die Rolle als Rückgrat der konventionellen Nato zur Abschreckung und Bündnisverteidigung übernehmen und gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien eine Führungsrolle ausfüllen muss.

Keine romantisch-naiven Sonderwege

An Europas Peripherie müsse man zum Krisenmanagement fähig bleiben. Aber: keine romantisch-naiven deutschen Sonderwege. Das alles erfordere die Herstellung von Kriegstüchtigkeit von Bundeswehr und auch von Politik und Gesellschaft. Kommt es so, kommt einiges auf das Land zu.

Top-News aus der Region