Der ehemalige Bundespräsident füllte das Informationszentrum in Maria Laach
Ex-Bundespräsident besucht Maria Laach: Toleranz ist für Gauck ein Gebot der Vernunft
Schlange stehen bei Joachm Gauck: Fast jeder Zuhörer wollte eine persönliche Widmung des ehemaligen Bundespräsidenten für sein Buch. Fotos: Petra Ochs
Petra Ochs

Maria Laach. Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein Ex-Bundespräsident Maria Laach besucht. Da ist es eigentlich kein Wunder, dass die Massen strömen, wenn sich Joachim Gauck für eine Lesung im Laacher Forum angekündigt hat. Nur einer schien überrascht: „Wo kommen Sie denn alle her?“, fragte Gauck verdutzt in die große Runde – mit so vielen Zuhörern hatte er ganz offensichtlich nicht gerechnet.

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Schlange stehen bei Joachm Gauck: Fast jeder Zuhörer wollte eine persönliche Widmung des ehemaligen Bundespräsidenten für sein Buch. Fotos: Petra Ochs
Petra Ochs

Für Joachim Gauck war sein Besuch in Maria Laach eine Premiere. Und er wird sie wohl in guter Erinnerung behalten, hatten ihm doch seine Gastgeber zum Abendessen „Matjes nach Hausfrauenart“ serviert und damit voll ins Schwarze getroffen. Was das Essen angeht, steht der Mecklenburger eben auf Vertrautes.

Womit wir gleich beim Thema wären: Am Beispiel Essen erteilte Gauck seinen Laacher Zuhörern auf äußerst anschauliche Weise eine Lektion in Sachen Toleranz. Denn dieses Thema ist es, dem er mit seiner Co-Autorin Helga Hirsch ein ganzes Buch gewidmet hat. Kurze Passagen aus dem Buch trug er im Laacher Forum vor. Vor allem aber plauderte er einfach drauflos und schaffte es spielend, sein Publikum zu fesseln. Die Toleranz sei wie von selbst in ihn als „Christenmenschen“ hineingekommen, erzählte Gauck. Und schon als Kind habe er gewusst, dass das, was um ihn herum in der DDR geschieht, Unrecht und Willkür war. Trotzdem hat er die Macht der Diktatoren ertragen – doch das sei keine Frage der Toleranz, sondern vielmehr der Vernunft gewesen.

Mit der Wende 1989 kam auch seine persönliche Wende: Als die DDR-Bürger sich ihre Freiheit erkämpft hatten, stieg Gauck als Pastor aus und in die Politik ein. Er wollte die neu gewonnene Demokratie aktiv mitgestalten. „Die Toleranz war für mich die Tugend des demokratischen Staates“, so Gauck. Doch zunächst hatte er so seine Probleme mit der Toleranz – weil sie eben nicht einfach war. Ein Beispiel: Er, der vorher nie vielen Ausländern begegnet war, „fremdelte“ nach eigener Aussage mit all den Ausländern, die zum alltäglichen Berlin einfach dazugehörten. „Ihre Anwesenheit kratzte an meinen Gewohnheiten“, bekannte Gauck. Hinzu kam, dass ihm die Toleranz im wiedervereinigten Berlin wie eine „Haltung der Indifferenz“, wie eine „Scheu vor Verbindlichkeit“ erschien. Diese Any-thing-Goes-Mentalität sei jemandem, der in der DDR aufgewachsen war, wie eine „Spielart der Dekadenz“ vorgekommen. Und so brauchte es seine Zeit, bis er Dinge auszuhalten vermochte, mit denen er nicht vertraut war. Zum Beispiel Dönerbuden. Am Ende hat er dann doch mal einen Döner probiert: „Und was soll ich sagen: Es ging!“

Kurze Passagen aus dem Buch trug er im Laacher Forum vor. Vor allem aber plauderte er einfach drauflos und schaffte es spielend, sein Publikum zu fesseln.
Petra Ochs

Das Buch über Toleranz war ihm ein Bedürfnis in einer Zeit des Wandels, die bei vielen Menschen Ängste schürt – vor der Globalisierung, vor der technischen Revolution oder vor den Lebensstilen der Moderne. Denn es gibt Leute, die (wie die AfD) mit diesen Ängsten Politik machen, die alles wieder „so wie früher“ machen wollen, ohne zukunftsfähige Lösungen für die Probleme von heute zu präsentieren. Wie weit sollte die Toleranz also gehen gegenüber jenen, die die Offenheit ablehnen und gegen die Toleranz ins Feld ziehen? „Toleranz ist manchmal eine Zumutung“, formuliert Joachim Gauck, der für eine „kämpferische Toleranz“ eintritt: Mit Argumenten möchte er Intolerante ins Unrecht setzen. Für sein öffentlich geäußertes Plädoyer für eine „erweiterte Toleranz in Richtung rechts“ hatte er zuletzt in der Kritik gestanden.

In Maria Laach wurde Gauck nicht müde zu betonen, dass es Unterschiede zwischen konservativ, rechts und rechtsradikal gibt. Nicht jeder, der streng konservativ ist, gefährde die Demokratie. Und wo es Probleme gibt, sollten diese Probleme auch Thema sein dürfen – und zwar in der Mitte. „Denn angesprochen werden sie – an den Stammtischen“, warnte Gauck. Die „Bösen“ solle man tunlichst nicht aus dem Diskurs ausgrenzen. Und damit sei Toleranz nicht nur eine zivilisatorische Leistung, die den Menschen wachsen lässt, sondern ein Gebot der politischen Vernunft.

Von unserer Mitarbeiterin Petra Ochs

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