Interview mit Einsatzleiter
Engelsley zwingt auch erfahrene Wanderer in die Knie
Martin Marhöfer, 36, ist Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Altenahr. Seit 2015 leitet er die Einheit Absturzsicherung, die verunfallten Wanderern im Ahrgebirge zu Hilfe kommt.
Martin Ingenhoven

Immer wieder verunglücken Wanderer in Altenahr – eine neuralgische Stelle ist die Engelsley. Martin Marhöfer, Chef der Absturzsicherung der Feuerwehr, hat mit uns über die Ursache für die Unfälle und die Problematik des Internets gesprochen.

Martin Marhöfer ist Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Altenahr. Der 36-Jährige, den es schon früh in die Feuerwehr seiner Heimatgemeinde zog, hat sein Hobby zum Beruf gemacht und arbeitet mittlerweile bei der Berufsfeuerwehr in Bonn. Doch auch bei den Altenahrer Rettern bleibt er weiterhin aktiv, so ist er seit 2015 Leiter der Einheit Absturzsicherung. Wir haben mit ihm über die Arbeit dieser Einheit und das besondere Risikoprofil des Einsatzgebietes gesprochen.

Herr Marhöfer, was hat den Ausschlag gegeben, die Einheit Absturzsicherung in Altenahr so leistungsstark auszubauen?

Die Absturzsicherung war schon immer ein Bestandteil der Feuerwehr. Im Jahr 2015 haben wir uns dann dazu entschlossen, diesen Bereich materiell, personell und in der Ausbildung auszubauen. Der Grund dafür war, dass die Einsatzzahlen im Bereich „Tragehilfe für den Rettungsdienst“ in unwegsamem Gelände gestiegen sind. Zusätzlich kam es vermehrt zu Abstürzen von Wanderern an markanten Punkten in der Gemeinde – zum Beispiel an der Engelsley oder entlang des Rotweinwanderwegs. Da war für uns klar: Wir müssen aktiv werden, denn mit dem vorhandenen Material kamen wir einfach nicht mehr aus.

Martin Marhöfer (links) führt regelmäßige Übungen mit den Kameraden der Einheit Absturzsicherung in den umliegenden Wäldern und Bergen durch.
Martin Ingenhoven

Kam es durch den Tourismusboom der vergangenen Jahre zu gestiegenen Einsatzzahlen?

Ich vermute, dass der regionale Tourismus und die Rückkehr zu Outdoor-Aktivitäten einfach wieder im Trend liegen. Die Leute gehen wieder häufiger wandern – und stoßen dabei im Internet auf verschiedenste Wege, die in keiner klassischen Wanderkarte oder in Touristenführern zu finden sind. Diese Pfade werden dort beworben und entsprechend häufiger begangen.

Wer verunglückt in ihrem Einsatzbereich typischerweise?

Das ist sehr breit gefächert. Es gibt Menschen, die sich selbst überschätzen und den Weg unterschätzen. Manche kommen einfach aus Erschöpfung nicht mehr weiter oder bekommen plötzlich Angst – zum Beispiel wegen der Höhe, der Enge des Weges oder weil es steil bergab geht. Diese Personen sind dann zwar körperlich unverletzt, aber erschöpft und rufen die Feuerwehr. Oft reicht es schon, ihnen die Hand zu reichen und sie sicher nach unten zu begleiten.

Aber es gibt eben auch Fälle, in denen Personen vom Weg abstürzen und sich dabei teilweise sogar lebensbedrohlich verletzen. Das Spektrum an Patienten, das wir antreffen, ist wirklich sehr unterschiedlich.

Man kann also nicht pauschal sagen, dass es immer falsch ausgerüstete Wanderer sind. Zuletzt hatten wir zum Beispiel einen Einsatz mit einem erfahrenen Alpinwanderer. Der war gut ausgerüstet, hatte knöchelhohe Wanderschuhe – aber ist trotzdem unglücklich gestürzt und hat sich den Fuß verknackst. Allein weiterzugehen, war für ihn nicht mehr möglich.

Wie erreichen Sie den Einsatzort nach einer Alarmierung?

Wir fahren mit unseren Fahrzeugen so weit, wie es möglich ist. In der Regel – in 99 Prozent der Fälle – müssen wir die restliche Strecke zu Fuß zurücklegen. Dann schnallen wir unser gesamtes Material auf den Rücken und machen uns zu Fuß auf den Weg. Teilweise sind das mehrere Hundert Höhenmeter, die wir überwinden müssen – und danach beginnt ja erst unsere eigentliche Arbeit: der Rettungseinsatz. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir körperlich fit sind. Ohne eine gewisse Grundkondition geht das nicht.

Inwieweit können Sie im Einsatz auf Hilfe aus der Luft durch einen Helikopter setzen?

Den Hinweg haben wir bisher immer ausschließlich zu Fuß zurückgelegt. Sobald wir sicher wissen, wo der Patient liegt und dass er definitiv nicht mehr eigenständig gehen kann – in der Regel stellen wir vorher selbst einen Kontakt zum Patienten her – fordern wir gegebenenfalls schon frühzeitig Hubschrauberunterstützung an, um den Patienten auszufliegen, also hochzuseilen und abzutransportieren. Was wir allerdings noch nie erlebt haben, ist, dass wir selbst mit dem Hubschrauber zum Patienten geflogen sind.

Das wichtigste Rettungsgerät an den Hängen rund um die Engelslay ist die Schleifkorbtrage, deren Einsatz regelmäßig geübt werden muss.
Martin Ingenhoven

Konnten Sie bisher alle Patienten lebendig retten oder gab es schon einmal einen tödlichen Unfall?

Zum Glück mussten wir noch nie einen Abgestürzten tot bergen. Es gab jedoch einen Fall, in dem eine Patientin nach der Rettung an ihren Verletzungen im Krankenhaus verstorben ist.

Was können Wanderer tun, um den Einsatz zu vermeiden? Wie verhält man sich hier in der Gegend richtig?

Es muss immer in einem angemessenen Verhältnis bleiben. Man muss sich selbst so konditionell aufgestellt haben, dass man nicht irgendwann wegen Erschöpfung liegen bleibt. Man darf sich einfach nicht überschätzen. Ich möchte niemandem den Spaß am Wandern im Ahrtal verderben. Grundsätzlich gilt: Wer auf den ausgewiesenen Wegen bleibt, hat eine deutlich geringere Wahrscheinlichkeit, sich zu verletzen, als wenn er abseits der Wege unterwegs ist. Der Weg zur Engelsley zum Beispiel wird ausschließlich in Internetforen beschrieben. Wie dieser Weg überhaupt entstanden ist, kann ich nicht genau sagen.

Welche Rolle spielt für Sie das Wetter?

Das Wetter bei uns ist nicht wie im Hochgebirge, wo es minütlich wechseln kann. Zwar führt das bei uns nicht direkt zu Einsätzen, aber während eines Rettungseinsatzes wurden wir schon einmal von starkem Regen überrascht, was die gesamte Situation erheblich erschwert hat. Angefangen bei der Kommunikation – die Funkgeräte liefen voll Wasser und das erschwerte die Rettung enorm. Hinzu kommt der Einbruch der Dunkelheit. In den Wintermonaten müssen wir daher schon vorausschauend planen und beim Aufstieg genügend Lichtmaterial mitnehmen, weil ein solcher Einsatz nicht in einer Stunde abgearbeitet ist.

Hat der Untergrund aus Schiefer auch einen Einfluss auf die Unfallzahlen?

Definitiv! Wenn man einem Trampelpfad folgt, der ins Nichts führt und schließlich auf unbefestigtem Schiefergestein endet, verlieren die Leute oft den Halt und rutschen mehrere Meter ab. Es ist dann wirklich ungewiss, wo sie wieder Halt finden, und von dort aus ist es ohne Feuerwehrleine oder andere Hilfsmittel fast unmöglich, wieder nach oben zu kommen.

Das klingt nach einem deutlichen Appell, auf den gesicherten Wegen zu bleiben.

Ja, absolut!

Wie steht es um den Nachwuchs?

Grundsätzlich haben wir keine Nachwuchssorgen, aber wir dürfen das Thema nicht vernachlässigen. Es ist wichtig, das Ehrenamt attraktiv zu gestalten. In der Verbandsgemeinde gibt es verschiedene Jugendfeuerwehren, und wir versuchen, da den Kontakt zu halten. Wir haben zwar keine eigene Jugendfeuerwehr, aber mit 16 Jahren kann man bei uns eintreten, und mit 18 Jahren kann man dann den Absturzsicherungslehrgang absolvieren.

Das Gespräch führte Martin Ingenhoven.

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