Auf dem Hof leben Fleischrinder neben Milchkühen. Es gibt Schweine, Masthähnchen, Puten und Legehennen, Enten, Katzen und zwei Esel, einen Hund und zwei Pensionspferde. Es gab auch mal Kaninchen, und hin und wieder haben die Nußbaums auch Enten. Ein Konzept, das selten geworden ist. Und doch Erfolg hat.
„Es steht und fällt vor allem mit zwei Dingen“, erzählt Sabine Nußbaum, die mit ihrem Mann Willi und ihrem Neffen Clemes Nußbaum den Betrieb unterhält. Das sei zum einen die Familie. „Es sind eigentlich zwei Familien, die das Konzept hier am Laufen halten“, sagt sie. Das sind einmal sie und Willi. Sie leben auf dem Hof, der ein paar Hundert Meter außerhalb von Kalenborn liegt. Und dann gibt es noch Clemens Familie, seine Eltern und Geschwister, die in Kalenborn wohnen. Die Familien unterstützen sich, alle packen auf dem Hof mit an – und sei es nebenbei. Und dann sind noch zwei Azubis auf dem Hof, im Sommer werden es drei. Auch sie tragen ihren Teil dazu bei, dass der Betrieb läuft. Zum anderen trägt sich der Hof nur, weil die Nußbaums ihre Produkte direkt ab Hof vermarkten. Aber auch das läuft ein bisschen anders als in anderen Hofläden. Bei den Nußbaums können Kunden ihre Produkte, die sie kaufen möchten, vorbestellen und abholen. Rohmilch, Rohmilchkäse, Rind- und Schweinefleisch, Würste, Hähnchen, Suppenhühner und Eier sind im Angebot. Statt einer Auflistung im Internet gibt es für die Kunden eine ausgedruckte Liste mit Produkten und Preisen, die sie sich im kleinen Verkaufsraum auf dem Hof mitnehmen können. Wer etwas möchte, ruft an. „Das ist mir wichtig“, erklärt Sabine Nußbaum. „Ich muss mit den Menschen reden. Das geht im Internet völlig verloren.“ Kunden schätzen das. Manche kommen seit Jahrzehnten auf den Hof. Manche schauen einfach vorbei und kaufen das, was nicht vorbestellt wurde. Für einen kleinen Plausch im Verkaufslädchen ist immer Zeit. Wer regelmäßig Eier auf dem Hof kauft, bekommt ein eigenes Fach im Eierregal. Das steht in einem anderen Raum und ist unabhängig von den Öffnungszeiten des Verkaufs rund um die Uhr für die Kunden erreichbar. Bezahlt wird im Quartal, die Kunden tragen sich in Listen ein. Auch Vertrauen ist hier auf dem Hof wichtig.
Sabine Nußbaum gibt diese Werte und auch das Wissen rund um tierische Produkte an die Jüngsten weiter. Beim Projekt „Lernort Bauernhof“ kommen Schulklassen, Jugendgruppen, Kita-Gruppen und auch schon mal Erzieher auf den Hof und lassen sich von den Nußbaums den Betrieb und den Weg vom Tier zum fertigen Produkt anschaulich erklären. Seit Beginn der Corona-Pandemie liegen diese Projekte allerdings auf Eis. Die Nußbaums hoffen, dass es bald weitergehen kann.
Die Geschichte des Hofs beginnt in Kalenborn selbst. Willi Nußbaums Eltern hatten dort einen landwirtschaftlichen Betrieb. Irgendwann reichte der Platz nicht mehr, der Hof wurde ausgesiedelt an den Ortsrand. Ursprünglich war es vor allem ein Milchviehbetrieb. Doch dann kam Sabine. Ursprünglich kommt sie aus Solingen. Schon als kleines Mädchen hatte sie den Traum, Landwirtin zu werden. In Kalenborn arbeitete sie schließlich als Gesellin. Willi kannte sie, beim Maisfahren hatte sie den jungen Mann schon öfter gesehen. Gefunkt hat es aber erst auf der Karnevalssitzung im Ort, das war etwa 1980. Mit Sabine kam die Vielfalt auf den Hof. „Ich wollte alle Tierarten haben, deren Erzeugnisse oder deren Fleisch ich auch selber esse“, sagt sie und lacht. Eine neue Ära begann, die Clemens Nußbaum weiterführen will. Er hat zwei abgeschlossene Ausbildungen – zum Dachdecker und zum Landwirt. Jetzt besucht er die Fachschule, um staatlich geprüfter Agrarwirt zu werden. Er möchte den Betrieb übernehmen. Und eigentlich nicht viel ändern. „Es läuft doch gut“, sagt er. „Warum sollte ich dann etwas umschmeißen?“
Der Familie ist es wichtig, dass es ihren Tieren gut geht. Sie alle stehen auf Stroh, haben viel frische Luft und Platz. Die Rinder und Kühe stehen im Sommer 24 Stunden auf den Wiesen und in einem Naturschutzgebiet rund um den Hof. Die Hühner haben einen Auslauf, den sie jederzeit nutzen können. Damit das Fleisch der Tiere natürlich wachsen kann, leben die meisten Tiere hier länger als auf vielen herkömmlichen Betrieben. Hier wird ein Ochse auch mal zwei Jahre alt, während sie andernorts häufig schon mit maximal 1,5 Jahren geschlachtet werden. Und: Die Wege sind kurz. Die Nußbaums lassen ihre Tiere in der Region schlachten, die Hähnchen können sie sogar in einem eigenen Schlachtraum auf dem Hof schlachten. In der Milchkuhherde läuft Harry mit. Ein gigantischer, muskelbepackter Braunvieh-Bulle. Auch das ist selten geworden. „Dabei klappt es super“, berichtet Clemens Nußbaum. Die Kühe würden geschätzt sogar zuverlässiger und unkomplizierter trächtig als bei einer künstlichen Besamung.
Das meiste Futter, das die Tiere fressen, lassen die Nußbaums speziell anmischen, oder es gedeiht auf den Feldern, die zum Hof gehören. Die Masthähnchen etwa bekommen Futter, das frei von Antibiotika ist. All das kann man sich auf dem Hof der Nußbaums auch ansehen. „Unsere Kunden dürfen gern in die Ställe gucken“, sagt Sabine Nußbaum. „Wir machen hier ganz viel in Handarbeit, das rentiert sich nur, weil unsere Kunden zu uns kommen. Da geben wir gern etwas zurück.“ Sicher, mit anderen Konzepten ließe sich vielleicht mehr Geld verdienen. „Aber wir sind zufrieden, uns geht es gut, der Betrieb läuft.“ Und das merkt man – bei Mensch und Tier auf Hof Nußbaum in Kalenborn.