Rettungssanitäter im Fokus
Ehrenamtler sorgen bei 24-Stunden-Rennen für Sicherheit
Ganz gleich ob nur Verbandswechsel oder klaffende Wunde: Adrian Kresh behandelt jeden Patienten mit der notwendigen Sorgfalt und Ruhe. Auch den Finger von Tristan Schneider.
Claudia Voß

Das 24-Stunden-Rennen lockt auch in diesem Jahr die Fans an den Nürburgring. Rund 200.000 Gäste werden bei bestem Sommerwetter erwartet. Doch wie ist es eigentlich um die medizinische Versorgung der vielen Besucher bestellt? 

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Wenn es auf die Zeit des 24-Stunden-Rennens zugeht, dann heißt es für viele Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst: Teams organisieren, Einsatzkoffer packen und ab zum Nürburgring. Die Einsätze der Rettungskräfte finden jedoch nicht nur auf der Rennstrecke statt. Auch auf dem weitläufigen Campingareal rund um den Ring gibt es für die Lebensretter, von denen viele ehrenamtlich im Einsatz sind, viel zu tun. Unsere Zeitung hat die Ehrenamtler des DRK-Ortsvereins aus Bad Neuenahr-Ahrweiler zum Rennauftakt an Fronleichnam bei ihrer Arbeit begleitet.

„Das sieht aber nicht so gut aus“, vorsichtig wickelt Adrian Kresh den Verband von Tristan Schneiders linken Mittelfinger. Die Haut, die unter dem weißen Tuch zum Vorschein kommt, ist dunkel verfärbt. Tristan Schneider nimmt es gelassen. „Es tut zum Glück nicht weh“, sagt er. Vor einigen Augenblicken ist der Motorsportfan aus Bautzen mit einem Beutel steriler Mullbinden, Pflaster und Gaze zum Sanitätsstützpunkt auf dem Campingplatz „Brünnchen“ nahe der Nordschleife mit den Worten gekommen: „Hallo, eine Frage, ich habe mir vor einigen Wochen eine Fingerkuppe beim Rasenmähen abgetrennt und die wurde wieder angenäht. Könnt Ihr mir den Verband wechseln?“

Hat die Patientendaten und die Rennstrecke immer im Blick: Rettungssanitäterin Michelle Berlin.
Claudia Voß

Bei Sanitäter Adrian Kresh und seinen Kollegen ist Tristan Schneider mit seiner Frage an der richtigen Adresse. Während Michelle Berlin routiniert am Computer die Daten des Verletzten aufnimmt, beginnt Kresh mit der Versorgung der Fingerkuppe. Große Hoffnung, dass die angenähte Fingerkuppe wieder anwachsen wird, kann er Schneider allerdings nicht machen. Für selbigen kein Grund, sich die Freude auf das Rennwochenende verderben zu lassen. „Wir haben uns daheim alle schon monatelang auf das 24-Stunden-Rennen gefreut. Von daher war es gar keine Option, mit der Verletzung zu Hause zu bleiben“, erklärt er und freut sich, dass er den weißen Einsatzcontainer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) bereits nach wenigen Minuten mit einem frischen Verband um den Finger wieder verlassen kann. „Vielen Dank und bis morgen dann!“, ruft er den Rettungssanitätern beim Abschied fröhlich zu.

Hygiene ist das A und O der Wundversorgung. Bevor ein Verband angelegt oder ein Pflaster aufgeklebt wird, reinigt Rettungssanitäter Adrian Kresh zunächst die Wunde.
Claudia Voß

Für Adrian Kresh, Michelle Berlin und die weiteren sechs Mitglieder des DRK-Ortsvereins, die am Donnerstag die Tagschicht übernommen haben, bleibt allerdings wenig Zeit für eine Pause. Kaum hat der Sachse den Behandlungsraum verlassen, kommen drei Männer gleichzeitig herein. Einer von ihnen hat Eiswürfel in der Hand. Er hat sich an einem Auspuff verbrannt. Bei den beiden anderen sind kleine blutende Verletzungen erkennbar. Sie sind ausgerutscht und gestürzt. Für einige Minuten wird es nun laut und eng in dem Container. Kühlsalbe muss aufgetragen werden, Verbände um Arme und Beine gewickelt und Pflaster verklebt werden.

„Verbrennungen, Schürf- und Schnittwunden und auch die Behandlung von Bauschmerzen und Übelkeit gehören zum ganz normalen Einsatzalltag beim 24-Stunden-Rennen dazu.“
Michael Alberti, stellvertretender Bereichsleiter des DRK-Ortsvereins Bad Neuenahr-Ahrweiler

„Es ist aber alles im Rahmen“, bilanziert Michael Alberti, stellvertretender Bereichsleiter des DRK-Ortsvereins Bad Neuenahr-Ahrweiler, die Lage. „Verbrennungen, Schürf- und Schnittwunden und auch die Behandlung von Bauschmerzen und Übelkeit gehören für uns zum ganz normalen Einsatzalltag beim 24-Stunden-Rennen dazu“, sagt er und führt aus: „Gerade an Grills und heißen Auspuffrohren kommt es schnell mal zu Verbrennungen. Und auch die Sonne wird von so manchem unterschätzt.“ Besonders zu schaffen mache vielen in diesem Jahr jedoch das heiße, trockene Wetter, welches den Pollenflug und Staubverwirbelungen begünstige. „Die Zahl der Patienten, die in diesem Jahr wegen Augenreizungen zu uns kommen, ist sehr hoch.“

Einsätze rund um die Uhr

Rund um die Uhr sind die Mitglieder des DRK-Ortsvereins auf dem Sanitätsstützpunkt im Eingangsbereich des Campingplatzes im Einsatz. „Wir arbeiten in zwei Schichten, jeweils zwölf Stunden“, erklärt Markus Reuter. Gemeinsam mit Dirk Pfeffer gehört er zu den alten Hasen im Team. Seit über zwanzig Jahren engagieren sie sich ehrenamtlich beim DRK und haben während dieser Zeit schon viele Veranstaltungen am Nürburgring erlebt und als Rettungssanitäter begleitet. Ihr Einsatzgebiet, den Campingplatz am Brünnchen mit seinen verschlungenen Wegen und Pfaden, kennen die beiden so gut, wie kaum ein anderer. „Vorletztes Wochenende waren wir bei Rock am Ring dabei. Aber das 24-Stunden-Rennen und der Truck-Grand-Prix gehören bei uns allen zu den Lieblingsveranstaltungen“, erklären sie lächelnd.

Wenn die Lebensretter des DRK für Einsätze rausfahren ist der Notfallrucksack immer dabei. Neben Verbandsmaterial befinden sich Gerätschaften zur Beatmung und auch eine Schiene zur Stabilisierung von Wirbelverletzungen in der orangefarbenen Tasche. Peter Hasenberg (links) und Markus Reuter überprüfen den Rucksack vor dem Einsatz.
Claudia Voß

Die anderen Teammitglieder nicken zustimmend. Wegen der friedlichen Stimmung, tönt es einhellig aus der Sanitäterrunde. „Wir haben hier zwar auf dem Campingplatz ein Einsatzgebiet, auf dem sich zahlenmäßig eine ganze Stadt tummelt, aber geht hier trotzdem immer sehr familiär und fröhlich zu. Man hilft sich gegenseitig. Streit und Auseinandersetzungen gibt es hier unter den Besuchern und Campern nur wenige – und wenn, dann werden die schnell untereinander geklärt“, sagt Dirk Pfeffer, während er sich gemeinsam mit Markus Reuter zu einer Einsatzrunde über den Platz aufmacht.

Ein Einsatzgebiet, so groß wie für eine ganze Stadt

Zwischen 50.000 und 60.000 Besucher sind in diesem Jahr auf dem weitläufigen Campingplatzareal rund um die Nordschleife anzutreffen, insgesamt werden rund 200.000 Motorsportfans zum Rennen erwartet. Dicht an dicht stehen die Zelte und Wohnmobile der zum Teil von weither Angereisten an steilen Abhängen und unter hohen Bäumen. Einige Gäste sind mit großem Gepäck gekommen. Neben Tribünen und ganzen Sofalandschaften sind an vielen Ecken Planschbecken und auch Whirlpools zu entdecken. Laute Musik dröhnt an vielen Ecken über den Platz. Bunte Fahnen, Banner und Lichterketten runden die Szenerie ab.

Wahre Zeltstädte erstrecken sich auf dem Campinggelände rund um die Rennstrecke am Nürburgring. Rund 50.000 Gäste können sich auf dem Campingplatz "Brünnchen" niederlassen.
Claudia Voß

Während Reuter und Pfeffer mit dem Geländewagen langsam die Waldwege abfahren, werden sie immer wieder fröhlich von Campern begrüßt. Viele winken und lachen, sobald sie das DRK-Fahrzeug sehen. „Viele Besucher, die hier hinkommen, freuen sich einfach, dass wir da sind“, lächelt Reuter. Die Freude über diese Begrüßungen ist ihm deutlich anzumerken. „Für uns Rettungssanitäter ist das eine tolle Geste“, sagt er. „Wir sind alle ehrenamtlich im Einsatz und wir machen unsere Arbeit gerne und freuen uns, wenn alle Besucher und Camper eine gute Zeit am Nürburgring haben. Aber diese Herzlichkeit, mit der wir hier empfangen werden, motiviert uns noch mehr und ist ein tolles Dankeschön für unsere Arbeit.“

Die Rennstrecke übt nicht nur auf die Besucher des Nürburgrings eine besondere Faszination aus. Auch die Einsatzkräfte des DRK genießen die besondere Stimmung am Ring.
Claudia Voß

In der Tat ist es die Freude, anderen zu helfen, die die Ehrenamtlichen des DRK-Sanitätsdienstes antreibt und sie motiviert, einen Großteil ihrer Freizeit für das Ehrenamt aufzubringen. Rund 130 Mitglieder stark ist der Bad-Neuenahr-Ahrweiler Ortsverein. Neben der Freude am Helfen verbindet auch das Gemeinschaftsgefühl. „Viele von uns sind durch Zufall irgendwann einmal zum Ortsverein gekommen und seitdem geblieben“, resümiert Rettungssanitäter Pfeffer. „Hier entstehen Freundschaften, wir sind hier wie in einer Familie. Viele von uns freuen sich, wenn sie bei Veranstaltungen mit anderen zusammenarbeiten können.“ Ähnlich familiär geht es auch beim DRK-Ortsverein Adenau und den anderen sieben Ortsvereinen des Kreisverbands Ahrweiler zu, die während der Großveranstaltungen am Ring im Einsatz sind.

Genießen die Ruhe vor dem nächsten Einsatz: die Ehrenamtlichen des DRK aus den Ortsverbänden Adenau, Bad Breisig, Sinzig und vom Ortsverein Konz (Kreisverband Trier-Saarburg).
Claudia Voß

Nur wenige Autominuten vom Einsatzgebiet der Ahrweiler Kollegen entfernt, haben sie an diesem Rennwochenende auf einer Lichtung im Adenauer Forst ihre Sanitätseinsatzstelle aufgeschlagen. Fröhlich winken sie, als Reuter und Pfeffer vorfahren. „Hier gibt es sogar eine MCU, eine Medical Care Unit“, erklären Pfeffer und Reuter stolz und deuten dabei auf einen großen weißen Anhänger, auf dem deutlich das rote Kreuzsymbol des Rettungsdienstes prangt. Das Innere des klimatisierten Aufbaus entpuppt sich als fahrende Arztpraxis. Neben einem Behandlungsraum gibt es hier sogar einen abgetrennten Anmeldebereich. „Wir können hier alles behandeln, von Zeckenbiss bis Kreislaufstillstand“, erklären Katharina Jagus vom DRK-Ortsverein Adenau und Julian Ott vom Ortsverein Bad Breisig. Gemeinsam mit ihren Kollegen aus Sinzig und vom Ortsverein Konz sitzen die beiden vor der mobilen Versorgungseinheit und genießen die Ruhe vor dem nächsten Einsatz.

Rollende Notarztpraxis: In der Medical Care Unit können Patienten vom Zeckenbiss bis zum Kreislaufstillstand behandelt werden. Katharina Jagus und Julian Ott besprechen den Einsatztag.
Claudia Voß

„Nicht mehr lange, dann geht auch hier mit Einsätzen los“, sind sich alle Rettungskräfte sicher und wissen nur zu gut: Die Mehrheit der Patienten kommt erfahrungsgemäß in den Abendstunden.“Tagsüber schlafen viele erst einmal ihren Rausch aus oder sind an der Rennstrecke.“ Ein Erfahrungswert, der sich nur allzu gut bewahrheitet, kaum dass Dirk Pfeffer und Markus Reuter mit ihrem Geländewagen wieder zurück an ihrem Stützpunkt auf dem Campingplatz am Brünnchen angekommen sind.

Freuen sich auch in diesem Jahr über die familiäre Stimmung während der Motorsportgroßveranstaltung: Dirk Pfeffer (links) und Markus Reuter, beide ehrenamtliche Rettungssanitäter im DRK-Ortsverein Bad Neuenahr-Ahrweiler.
Claudia Voß

Das Auto ist noch nicht richtig geparkt, da rollt ein BMW mit mehreren jungen Männern vor das Camp der Ahrweiler Lebensretter vor. Einer der Insassen sitzt zusammengekrümmt auf dem Beifahrersitz, es geht ihm nicht gut. Von seinen Freunden wird er getröstet. Beruhigend reden sie auf ihn ein und wischen ihm mit einem Handtuch den Schweiß von der Stirn. Doch allzu lange braucht der Patient nicht auf medizinische Hilfe warten. Nur wenige Augenblicke vergehen, da ist das Auto bereits von den Ahrweiler Lebensrettern umringt.

Lebensretter freuen sich über Nachwuchs

Weitere Infos zur Arbeit des Deutschen Roten Kreuzes gibt es auf der Seite des Kreisverbandes Ahrweiler unter www.kv-aw.drk.de. Darüber hinaus bietet das DRK vielfältige Einsatzmöglichkeiten für Ehrenamtliche und freut sich stets über neue aktive Mitglieder. Informationen gibt es hierzu per E-Mail an Ehrenamt@kv-aw.drk.de. red

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