Seit vielen Jahren geistert immer wieder ein Gerücht durch die Musikwelt: Der Jazz in Deutschland ist tot, heißt es da, das wolle doch niemand mehr hören, geschweige denn spielen. Ein Vorurteil, das leicht zu widerlegen ist angesichts der zahlreichen aufregenden Künstler, die in den vergangenen Jahren ins Rampenlicht getreten sind. So wie Jakob Manz und Johanna Summer. Die beiden Ausnahmetalente haben gerade erst ihr zweites Album „Cameo“ veröffentlicht, auf dem sie sich nicht nur auf Augenhöhe begegnen, sondern ihre Gegenüber zum Fliegen bringen. Jetzt war das Duo bei der Dottendorfer Jazznacht zu Gast – und beweist, dass die Aufnahmen nur ein Vorgeschmack auf die glänzende Zukunft ihrer Zunft sind.
Im Grunde könnten Manz und Summer in vielen Aspekten kaum unterschiedlicher sein: Sie eine virtuose Pianistin mit ausgeprägter klassischer Prägung und einem bemerkenswerten Blick aufs Ganze, er ein gefühlvoller Altsaxofonist ohne Gleichen, der sich ganz in der Musik verliert und im wahrsten Sinne des Wortes Magie schafft. Und doch ergänzen sie sich hervorragend, wie sie schon bei ihrem ersten Stück „The Opposite“ (gleichzeitig der Opener ihres Albums) beweisen. Summer bedient sich strukturell bei Bach und melodisch bei den Romantikern, und Manz führt diesen Ansatz ohne zu zögern fort, gestaltet ihn aus und verzückt damit das Publikum im restlos ausverkauften Ortszentrum Dottendorf.

Und das war erst der Anfang eines herausragenden Konzerts, in dem Summer und Manz zahlreiche Türen öffnen: Mal stürzen sie sich in die Freiheit des modernen Jazz, in dem fast alles möglich ist, dann wieder erkunden sie die Möglichkeiten des Volkslieds „Im schönsten Wiesengrunde“, das Manz aus dem Posaunenchor seiner schwäbischen Heimat kennt. Mal lässt sich Summer von einer Rhythmus-Gitarre inspirieren – sie stelle sich gern vor, sie könnte andere Instrumente spielen, um dadurch auf neue Ideen zu kommen, erklärt sie – und verweist auf Nile Rogers, dann wieder greift Manz zu einer ganz besonderen Blockflöte, die er mindestens genauso gut zu spielen versteht wie Wildes-Holz-Frontmann Tobias Reisige, samt schnarrender Obertöne und atemberaubendem Tempo. Wahnsinn.
Im Gegensatz zu ihrem Erstling „The Gallery Concerts“, bei dem Johanna Summer des Öfteren durch die Präsenz von Jakob Manz in den Hintergrund gedrängt wurde, begegnen sich die beiden jetzt auf Augenhöhe. Kein Wunder, immerhin haben sie sich die neuen Stücke gegenseitig auf die Leiber geschrieben – oder sie gemeinsam arrangiert. Denn vor allem in der zweiten Konzerthälfte haben nicht nur Instrumente, sondern auch Künstler ein paar imaginäre Cameo-Auftritte. Bei Esbjörn Svenssons „The Return of Mohammed“ zaubern beide wieder Momente höchster Intensität herbei, ähnlich wie bei Pat Methenys „Always and Forever“. Und dann kommt auch noch Herbert Grönemeyer und darf staunen: Mit ihrer Interpretation von „Flugzeuge im Bauch“ übertreffen Manz und Summer das Original um Längen, nicht zuletzt dank des lyrischen Spiels des erstgenannten. Was für ein Genuss.

Für die Dottendorfer Jazznacht ist der Auftritt von Manz und Summer ein weiteres Glanzstück in dem exzellenten Programm. Längst sind die Zeiten vorbei, in denen das Team um Herbert Kaupert vor allem die lokale und regionale Szene präsentierte – inzwischen zählen Größen wie Omer Klein und Silje Nergaard zu ihren Gästen und fühlen sich auf der Bühne des Ortszentrums sichtlich wohl. Demnächst stehen unter anderem Auftritte von Julia Kriegsmann (11.4.), Alma Naidu (16.5.), den Nighthawks (13.6.) und Federation of the Groove (4.7.) an. Außerdem wird im Herbst Star-Posaunist Nils Landgren nach Dottendorf kommen.
Weitere Informationen gibt es unter www.dottendorfer-ortszentrum.de.