Und da hat Schneider zurzeit jede Menge zu tun. Auf Weihnachtsmärkten, in Schulen, Kindertagesstätten, aber auch bei Familien, die ihren Kindern eine Freude machen möchten. Denn ein strenger Nikolaus ist er nicht. „Ich möchte nicht, dass die Kinder Angst bekommen, die sind ohnehin schon ehrfürchtig genug, wenn ich mit meinem Stab im Bischofsornat bei ihnen auftauche“, sagt er lachend. „In Familien gehe ich meist von Freunden und Bekannten, aber auch zu denen, von denen ich weiß, dass sie sich das eigentlich nicht leisten können, die Eltern schreiben mir vorher auf, was das Kind besonders gut gemacht hat und dann, was nicht so gut war – da sind so die Klassiker wie: Zimmer nicht aufgeräumt, Zank unter Geschwistern oder Zähne nicht geputzt.“ Ist Letzteres der Fall dichtet der Nikolaus: „Putze Zähne innen, außen, bleiben böse Keime draußen.“
Keine Erziehungsmaßnahme
In Gedichtform erklärt er den Kindern auch, warum er als Heiliger Bischof einmal im Jahr auf die Erde kommen darf. „Das Ganze soll auch keine Erziehungsmaßnahme sein, die Kinder sollen sich mit Freude an mich erinnern, deshalb habe ich auch aufgehört, den Knecht Ruprecht oder Hans Muff genannt, mitzunehmen“, sagt der 56-Jährige. Das war vor knapp drei Jahrzehnten noch anders. „Ich war gerade als Nikolaus unterwegs, als mein Schwager hektisch anrief, meine Frau würde unser Kind bekommen – ich bin dann in voller Montur samt Hans Muff in den Kreißsaal gestürmt. Ich denke, ich habe einen bleibenden Eindruck hinterlassen“, erzählt der Künstler schmunzelnd. Als seine zweite Tochter sich ankündigte, war das um die Osterzeit. „Da ich tatsächlich auch den Osterhasen bei Festivitäten gebe, hatte ich noch gedacht, wenn ich jetzt noch in diesem Kostüm im Krankenhaus auftauche, werde ich endgültig für bekloppt erklärt“, erinnert er sich. Soweit kam es dann aber doch nicht.
Die zwanzig bis dreißig Privattermine als Nikolaus macht Schneider in erster Linie, um den Kindern Freude zu bereiten. „Wenn ich damit Geld verdienen müsste, käme ich nicht weit“, erklärt er. Seine Termine in der Region machen nur ein Prozent seiner Tätigkeit aus. Zumeist ist er über die bundesdeutschen Grenzen hinaus mit seinem Unternehmen, der Eventagentur „Schoko-Moments“, und verschiedenen Formaten unterwegs. Er gastiert in Berlin ebenso wie in Österreich, Dänemark oder den Niederlanden. Oder wie jetzt kommendes Silvester auf Usedom.
„Das Ganze soll auch keine Erziehungsmaßnahme sein, die Kinder sollen sich mit Freude an mich erinnern, deshalb habe ich auch aufgehört, den Knecht Ruprecht oder Hans Muff genannt, mitzunehmen.“
Jürgen Schneider
So bietet er komplette Double-Shows von Wolfgang Petry, Hansi Hinterseer, Heino oder Roy Black an. Auch wird er als Büttenredner als „Kölsche Jeck“ gebucht oder als Sänger unter dem Pseudonym „Kölsche Jung“. Schneider war aber auch schon bei Rock am Ring und hat am Rande des Festivals mit den Fans eine Gaudishow gemacht, „Rockfans sind in der Regel tolerant, am liebsten haben sie bei der Karaoke ,Schön ist es auf der Welt zu sein‘ gesungen“, sagt Schneider erneut lachend. Überhaupt ist der Kreisstädter von Grund auf eine Frohnatur. Doch das Lachen ist ihm im Juli 2021 für eine Zeit vergangen.
Dem glücklichen Umstand, dass er in der Nacht der Flutkatastrophe im Ahrtal vom 14. Auf den 15. Juli nicht in seinem Wohnhaus in Heppingen geschlafen hat, sondern im Haus seiner jetzigen Frau und den beiden Kindern in Bad Honnef, hat er wohl sein Leben zu verdanken. „Das Wasser hat die Tür zu meinem Schlafzimmer aufgesprengt, ich wäre wohl mit weg gewesen, meine Nachbarn haben unter dem Dach ausgeharrt, die Dachpfannen abgedeckt in der Hoffnung, dass ein Hubschrauber sie retten könnte, sie sind aber erst als das Wasser gegen halb vier Uhr wieder sank, runter“, erzählt Schneider. Er selbst wollte am nächsten Morgen von der anderen Rheinseite kommen, doch die Linzer Fähre stand quer und hatte ihren Betrieb wegen des vielen Treibguts, das von der Ahr kam, eingestellt.
Schließlich doch in Heppingen angelangt, wo seine beiden anderen Kinder mit der Ex-Frau leben, die glücklicherweise nicht von den Wassermassen bedroht waren, half er zunächst den Nachbarn. „Doch mein ganzes Equipment, die Musikanlage, die Kostüme, alles wurde bei der Flut zerstört. Am schlimmsten hat mich aber eigentlich der immaterielle Schaden getroffen, Einzelteile und Musikstücke, die ich über all die Jahre gesammelt habe und die nicht mehr zu bekommen sind“, so der Entertainer.
Große Dankbarkeit nach Flut
Eigentlich hätte Jürgen Schneider am 15. Juli 2021 einen Auftritt beim Sommerfest der Klinik Dr. Küls in Bad Neuenahr gehabt. Doch die waren mit abgesoffen. Den gesamten August und September war er mit Aufräumarbeiten beschäftigt und hatte sich durch die große Solidarität von Entertainer- und Musikerkollegen ein Ersatzequipment zulegen können. Auch eine neue Lederhose für seine Hinterseer-Show für seinen ersten Auftritt nach der Flut bei einem Oktoberfest. „Hans Peter von der Zirkusschule Corelli hatte mir sogar meine total verschlammte Piratenkiste und Zaubertricks wieder gesäubert und repariert, die ich für meine Piratenzaubershow brauche, überhaupt war die Solidarität der Leute unglaublich“, ist Schneider heute noch dankbar. Mittlerweile ist er so weit mit den Sanierungsarbeiten seines Wohnhauses in Heppingen, dass er es bald wieder beziehen kann. Judith Schumacher