Es ist Dienstagabend, 18.30 Uhr. Wehrführer Martin Marhöfer geht noch einmal seine Vorbereitungen durch, denn heute Abend soll ein Training der Einheit Absturzsicherung stattfinden, die in der letzten Zeit einige spektakuläre Einsätze zu absolvieren hatte. Heute möchte Marhöfer mit seinen Kameraden noch einmal den Gebrauch der Schleifkorbtrage üben, dem wichtigsten Rettungsmittel an den steilen Hängen der Umgebung.
Jeder weiß genau, was zu tun ist
Insgesamt 20 Altenahrer Feuerwehrleute haben die spezielle Ausbildung durchlaufen, die man braucht, um an Felsen wie Engelsley oder auch am Rotweinwanderweg abgestürzte Wanderer zu bergen. Neun Kameraden sind heute Abend dabei – acht Männer, eine Frau. Gemeinsam beladen sie das Auto mit der nötigen Ausrüstung: Gurte, Helme, Seile und natürlich die Trage – alles ordentlich verpackt in Kisten. Dann geht es los, vorbei an der zerstörten Schule in Altenburg, hoch in den Wald. Ohne Allradantrieb wäre hier kein Durchkommen.

Engelsley zwingt auch erfahrene Wanderer in die Knie
Immer wieder verunglücken Wanderer in Altenahr – eine neuralgische Stelle ist die Engelsley. Martin Marhöfer, Chef der Absturzsicherung der Feuerwehr, hat mit uns über die Ursache für die Unfälle und die Problematik des Internets gesprochen.
Die Feuerwehrkameraden sind zu Scherzen aufgelegt, erzählen aus ihrem Arbeitsalltag, während der steile Abhang dem Auto von links zeitweise bedrohlich nah kommt. Doch Manuel, der Fahrer, ist nicht aus der Ruhe zu bringen. In aller Ruhe lenkt er das schwere Feuerwehrfahrzeug zum vereinbarten Treffpunkt. Auf seine Meldung „Fahrzeug steht“ steigt man aus – jeder weiß, was zu tun ist. Die vorher aufgeladenen Kisten werden ordentlich auf dem Weg entlang des steilen Hangs aufgereiht. In der ersten Box befinden sich die Klettergurte, von denen jedes Teammitglied einen anlegt.
„Die Gurte sind dazu gemacht, einen möglichen Sturz sicher abzufangen.“
Martin Marhöfer, Wehrführer der Altenahrer Feuerwehr
„Das sind besondere Gurte, in die man auch hineinfallen kann. Die sind dazu gemacht, einen möglichen Sturz sicher abzufangen“, erklärt Martin Marhöfer. Zur persönlichen Ausrüstung gehören noch ein Helm mit Leuchte, Handschuhe, knöchelhohe Schuhe und Sicherheitskleidung, die in Rot und Gelb gehalten ist. „Unsere normale Feuerwehrkleidung mit den schweren Hosen und Stahlkappenschuhen wäre hier völlig ungeeignet“, erklärt Marhöfer das für Feuerwehrleute ungewohnte Erscheinungsbild. Mittlerweile hat der Teamleiter seine Feuerwehrseile an zwei Bäumen befestigt und so eine Sicherungsstelle gebaut.
Der eigentliche Einsatz beginnt
„Das ist unser Festpunkt. Von hier aus können wir uns jetzt entwickeln“, erklärt der Wehrführer seiner Mannschaft. Mit „entwickeln“ meint Marhöfer den Abstieg zu einem Verletzten, der im Ernstfall weiter unten im Hang liegen würde. „Wir steigen jetzt vor, denkt an die Zwischensicherungen. Dort unten macht ihr den Querstieg, bewegt euch also am Hang entlang“, erklärt Marhöfer weiter. Im Ernstfall steigen die Helfer nicht unmittelbar über dem Verletzten ab, um eventuellen Steinschlag zu vermeiden. Nachdem sie mit Seilen gesichert sind, machen sich zwei Kameraden nacheinander auf den Weg. An zwei dicken Bäumen bringen sie Zwischensicherungen an.
„Unsere Seile sind bis zu 100 Meter lang. Wenn das nicht reicht, müssen wir Zwischensicherungen einbauen, einen neuen Festpunkt bauen und uns von dort aus weiter vorarbeiten“, erklärt der Wehrführer. Für den Übungseinsatz am heutigen Abend reichen die Seile aber aus. Ein weiterer Feuerwehrkamerad steigt ab, nachdem er zuvor die Schleifkorbtrage an einem Seil gesichert hat, das durch ein Gerät läuft, das wie eine Mischung aus Seilwinde und Akkuschrauber aussieht.

„Das ist unser Milan, damit ziehen wir die Trage gleich nach oben. Das Ganze ist tatsächlich eine Winde. Das Gerät, das wie ein Schrauber aussieht, ist aber speziell dazu entwickelt, die diese anzutreiben und ist auch nur in dieser Kombination als Rettungsgerät zugelassen“, erklärt Martin Marhöfer.

Hubschrauber rettet verletzten Wanderer bei Altenahr
Auf die freiwilligen Feuerwehren in der Verbandsgemeinde Altenahr und den Rettungsdienst ist Verlass: Das hat eine umfangreiche Rettungsaktion in diesen Tagen wieder einmal gezeigt.
Wer bei der Absturzsicherungseinheit schweres Gerät erwartet, wird eines Besseren belehrt. Zur Not müssen die Feuerwehrleute nämlich alle Rettungsgeräte auf dem Rücken transportieren können. Selbst tragbare Lichtmasten haben sie im Einsatzfahrzeug. „Die meisten Einsätze haben wir während der Wandersaison zwischen Ostern und Oktober. Das, was wir hier üben, können wir aber auch bei Eis und Schnee, Herbstregen und in der Dunkelheit. Einmal mussten wir einen verletzten Wanderer am zweiten Weihnachtstag von der Engelsley retten“, erinnert sich Marhöfer.

Bei der Übung darf auch gescherzt werden
Mittlerweile hat der dritte Kamerad mit der Schleifkorbtrage den Trainings-Einsatzort erreicht. Die Kommandos der Kameraden sind klar, jeder erklärt, was er macht, damit alle Bescheid wissen. Was nicht heißt, dass man nicht zu Scherzen aufgelegt ist. „Sollen wir mit der Rettung von Herrn Holz beginnen?“, ruft einer der Retter von unten und winkt mit einem kräftigen Ast.
„Der ist viel zu leicht, ihr sollt ja auch was tun!“, ruft Marhöfer zurück und weist den größten Kameraden an, den Verletzten zu spielen. Aber auch das ist kein Problem. Sobald der Verletzte festgeschnallt ist, setzen die Kameraden, die oben geblieben sind, den Milan in Bewegung und ziehen die Trage ganz langsam nach oben. Die letzten Meter fassen alle mit an und ziehen den Verletzten zurück auf den Weg.

„Hätten wir den Milan weiter hinten aufgebaut, hättet ihr euch das Tragen auf dem letzten Stück gespart, aber so hat es ja auch funktioniert“, meldet Marhöfer zurück. Er zeigt sich zufrieden bei der Nachbesprechung. „Es gibt immer mehrere Wege, zum Ziel zu kommen. Wichtig ist, dass ihr euch für einen entscheidet und den dann auch konsequent durchzieht“, rät der Teamleiter den Kameraden.
Pünktlich mit Sonnenuntergang ist Schluss. Die Übung ist beendet. So schnell und geräuschlos, wie sie aufgebaut haben, verstauen die Feuerwehrleute ihre Ausrüstung wieder im Fahrzeug. Als die Mitglieder der Einheit ihre Sitzplätze eingenommen haben, löst sich die Anspannung des Trainings, alle erzählen durcheinander. Nur Manuel fährt das Allradfahrzeug konzentriert über den steilen Waldweg ins Tal.

Wieder an der Wache angekommen, packt jeder noch einmal mit an. Die Ausrüstung wird abgeladen, auf Sauberkeit kontrolliert, trockenes Laub wird von den Seilen entfernt. Alles muss tadellos sein. Denn wenn der nächste Wanderer auf der Engelsley um Hilfe ruft, werden sie wieder zur Stelle sein: die Mitglieder der Einheit Absturzsicherung der Freiwilligen Feuerwehr Altenahr.

Wieso Wanderer im Ahrtal immer wieder in Gefahr geraten
Es ist wieder passiert: Am Rosenmontag musste eine verletzte Person mit einem Hubschrauber aus der Felsformation Engelsley oberhalb von Altenahr geborgen werden. Das Ahrtal lockt mit alpiner Landschaft, doch das ist Fluch und Segen zugleich.