42-jährige Ingenieurin verantwortet den Wiederaufbau der zerstörten Flussquerungen
„Dickschädel” mit Herzblut: Nicole Marzi ist die Herrin der 100 Ahrbrücken
Die Ingeneurin Nicole Marzi und eine Luftaufnahme aus dem Ahrtal.
Judith Schumacher/Nicole Marzi/R

100 Brücken und 90 Stützwände sind im Ahrtal in der Flutnacht 2021 zerstört worden – sie wieder aufzubauen, das ist auch die Mission der Ingenieurin Nicole Marzi. Besuch bei einer Frau, die eine Mammutaufgabe zu stemmen hat.

Kurz nach der Flut machte sich Nicole Marzi im Polizeihubschrauber selbst ein Bild von der Katastrophe. Hier der Bereich um die Ahrtorbrücke.
Nicole Marzi

„Marzi, wie Marzipan nur ohne ,pan‘“, stellt sich die Fachgruppenleiterin für den konstruktiven Ingenieurbau des Wiederaufbaubüros des Landesbetriebs Mobilität (LBM) für den Wiederaufbau im Ahrtal vor. Sie zeichnet verantwortlich für die Wiederherstellung beziehungsweise Instandsetzung und den Neubau aller durch die verheerende Flutkatastrophe vom 14. und 15. Juli 2021 zerstörten und beschädigten rund 100 Brücken und etwa 90 Stützwände im Ahrtal an klassifizierten Straßen (Bundes-, Landes-, und Kreisstraßen).

Das heißt: angefangen von der Bestandsaufnahme, über die Planung, Ausschreibung und schließlich die Ausführung. Eine große Verantwortung für die Ingenieurin. Die 42-Jährige war bis zur Gründung des Projektbüros Wiederaufbau Ahrtal am 01.10.2021 stellvertretende Leiterin der Masterstraßenmeisterei Sinzig, Kruft und Adenau.

Bilder der Zerstörung als Ansporn

Ihr Büro im modernen Containerbau in der Kripper Straße 16 nahe der Straßenmeisterei Sinzig ist recht klein, was ihr jedoch nach eigenem Bekunden nichts ausmacht. Draußen auf dem Gang sind großformatige Bilder aus der Zeit unmittelbar nach der Flutkatastrophe zu sehen. Bilder, die einem ins Mark gehen. „Da weiß man, wofür man es macht“, sagt Nicole Marzi.

Nicole Marzi
Judith Schumacher

An einem der Fotos geht sie ungern vorbei: Es zeigt die zerstörte Brücke des Radweges zwischen Laach und Altenahr, von dem keine 100 Meter mehr am Stück stehen. Das war ihr Herzensprojekt, an dem sie mehr als fünf Jahre lang gearbeitet hatte. „Man kann sich immer noch nicht vorstellen, dass dies alles innerhalb nur einer Nacht zerstört wurde – es ist immer noch nicht fassbar. Deshalb ist es wichtig, dass wir alles, was nun ansteht, sehr gewissenhaft angehen. Was nicht heißen soll, dass wir es lange hinauszögern werden – wir sind mitten drin“, betont Nicole Marzi.

Vorrang haben die Straßenbrücken

Mittendrin heißt: Nach der in nur 14 Monaten fertig gestellten zweiten Spur an der B 9-Brücke in Sinzig, die nach einer straßenbautechnischen Meisterleistung soeben für den Verkehr freigegeben wurde, haben nun die drei weiteren zerstörten Straßenbrücken an der Ahr in Insul, am Ahrtor in Ahrweiler und die Brücke in Liers Priorität.

Zur Person
„Ich habe nie darüber nachgedacht, ob ich als Frau in diesem Beruf ernst genommen werde oder nicht. Ein junger Ingenieur muss sich bei der Baustellenbesichtigung ebenso behaupten und sich Respekt verschaffen wie ich, etwa wenn er einem Polier gegenübersteht, der seine praktische Arbeit schon 20 Jahre lang macht. Ich bin davon überzeugt, wenn man für eine Sache brennt, lässt man sich durch nichts beirren. Außerdem bin ich ein ziemlicher Dickschädel“, sagt Nicole Marzi.

Marzi kam nach ihrem Studium im Bauingenieurwesen an der Koblenzer Fachhochschule zum Landesbetrieb Mobilität (LBM), hat dort die eineinhalbjährige Ausbildung für den Bauoberinspekteur (BOI) durchlaufen und ist seit 2006 Beamtin für den gehobenen technischen Verwaltungsdienst. 2013 wurde Marzi nach Sinzig zur Straßenmeisterei berufen.

Mari wurde in Andernach geboren, ist in Niederzissen aufgewachsen und wohnt heute in Ettringen.

Grundsätzlich sei es wichtig, bei der Planung die hydraulischen Berechnungen zu beachten, die nun einen anderen Fokus zugrunde legen. Unerlässlich sei es wie etwa bei der B 9-Brücke bei Sinzig, die Pfeiler tief (15 Meter) im Boden zu verankern. „Diese Tiefengründung ist alternativlos, denn wie in Sinzig gesehen werden konnte, hatte sich die Ahr rings um einen der Pfeiler hineingegraben, der hierdurch abgesackt ist. Auch bei der Höhe der Brücken und dem Querschnitt wird genauestens hingeschaut. Allerdings sind uns durch die Anschlüsse an die Ortslagen, wo die Widerlager installiert werden, Grenzen gesetzt“, so Nicole Marzi.

Auch der Autoverkehr betroffen

Nicht um eine Vollsperrung werde man bei den Arbeiten an der B 267 im Bereich der Bunten Kuh bei Walporzheim umhinkommen. „Hier ist die Straße, um sie befahrbar zu machen, wieder aufgeschüttet worden. Doch da müssen wir noch mal ran: Eine Straße muss gewisse Schichten aufweisen, um verkehrstauglich zu sein. Wir werden versuchen, Beeinträchtigungen zu mindern, aber uns sind Grenzen gesetzt. Die Planungen hierzu laufen bereits“, so Marzi.

Wie bei anderen Projekten aber bereits zu sehen war, könne es auch anders gehen. Etwa bei der Stützwand in Reimerzhofen, die schon vor der Flut angelaufen war. „Hier wurde die Baustraße direkt an der Ahr errichtet, dort konnte viel der Arbeit von unten geleistet werden, so musste die Straße nur halbseitig gesperrt werden“, erläutert die Diplom-Ingenieurin.

Die Deutsche Bahn ist eingebunden

In Altenahr steht nun auch bald der Abriss der Bogenbrücke über den Parkplatz an der Ahr an. Diese Brücke hatte Nicole Marzi noch selbst mit Herzblut instand gesetzt. „Aber wenigstens bleibt das Viadukt als ortsbildprägender Bau bestehen, wir arbeiten an vielen Stellen parallel, beim Radwegebau in Altenahr zum Beispiel planen wir zusammen mit der Deutschen Bahn“, so die Ingenieurin. In Ahrbrück seien bei der Aluminiumbrücke für Radfahrer ebenfalls nur noch die Widerlager nach der Flut übrig geblieben.

So vielfältig der Schadensgrad sei, so vielseitig sei auch ihre Arbeit. „Was uns helfen würde, wären vereinfachte Verfahren. Aber wir brauchen auch dringend Ingenieure, die die Arbeit leisten“, spricht Nicole Marzi den Facharbeitermangel an.

Was uns helfen würde, wären vereinfachte Verfahren. Aber wir brauchen auch dringend Ingenieure.

Fachfrau Nicole Marzi über die Bedürfnisse in Sachen Wiederaufbau

Sehr wichtig sei bei allen Projekten die enge Abstimmung mit der SGD Nord und der Landespflege, um zu sehen, wann gebaut werden kann, um Flora und Fauna zu schützen. Wie jetzt auch bei der provisorischen Rad- und Fußgängerbrücke an der Ahrmündung bei Sinzig geschehen, die am Wochenende im dortigen Naturschutzgebiet eingehoben wurde.

Auch die Frage von Grunderwerb sei bei den einzelnen Projekten zu klären, was sich auch nicht immer einfach gestalte. Außerdem sei bei jedem Bauwerk auch immer mit gewissen Unwägbarkeiten zu rechnen.

Nicht alles läuft nach Plan

„Es kommt immer mal wieder vor, dass die Ausführungen nicht den Plänen entsprechen, man sieht nicht in Brücken oder Stützwände hinein, – und manchmal sind Versorgungsleitungen auch nicht dort, wo sie laut Plan liegen sollen“, weiß Marzi aus Erfahrung.

Für das Projektbüro ist der Wiederaufbau des Ahrtals jedenfalls eine Mammutaufgabe. „Jedes Projekt ist wichtig – wichtig ist eigentlich alles, da ist jeder Ortsbürgermeister mit eingebunden, wir können aber nur der Reihe nach“, sagt Nicole Marzi.

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