Und wenn Landrätin Cornelia Weigand diese wichtige Aufgabe nicht übernehmen kann oder will, dann müsse eine Führungsebene mit entsprechenden Kompetenzen in der Kreisverwaltung geschaffen werden, die den Aufbau steuert, koordiniert und Orientierung gibt. Es sei nun ihr Auftrag, so Michael Korden (CDU), Christoph Schmitt (SPD), Ulrich van Bebber (FDP) und Hans-Josef Marx (FWG), entsprechend auf die Landrätin einzuwirken, um eine Neuaufstellung der Verwaltung zu erreichen.
Ehrenamtler am Limit
„Wir Ehrenamtliche kämpfen wie die Berserker für unsere Dörfer“, hieß es in der Runde der Ortsbürgermeister. „Wir waren ja auch nicht auf diese Flut und ihre Folgen vorbereitet, sind ins kalte Wasser geworfen worden – und werden jetzt alleingelassen.“ Einwohner, Helfer, Mitarbeiter und nicht zuletzt sie selbst, so die Ehrenamtlichen, seien frustriert. Man schlage sich mit Tausenden von Problemen, Hürden und Hindernissen herum, müsse sich mit einer überbordenden Bürokratie auseinandersetzen, um die Dörfer wieder fit zu machen und auch Chancen auf Verbesserungen nach der Katstrophe zu nutzen. Ungezählte und unbezahlte Stunden opfere jeder für das gemeinsame Ziel, mancher sogar seine Gesundheit.
Kritik an der Landrätin
Umso mehr vermissen die in Schuld Versammelten die Landrätin. In welcher Ortsgemeinde Cornelia Weigand nach der Landratswahl schon gewesen sei, fragt einer in die Runde. Die Antwort ist allgemeines Kopfschütteln. „Wir bekommen mehr Besuch von Ministern und Staatssekretären“, heißt es. Die Landrätin sei überall, in Köln, Essen und der Schweiz, nur nicht in den Ahrgemeinden. Allerdings: Mitarbeiter der Kreisverwaltung versuchten das ein oder andere zu retten und zu kompensieren.
Die Kreisspitze aber sage Termine kurzfristig ab, Schreiben würden nicht beantwortet, informiert werde gleich null. Die Enttäuschung bei den Bürgermeistern ist groß. Einer bringt es auf den Punkt: „Wofür haben wir eine Landrätin, wenn sie uns nicht vertritt?!“ Und ein anderer fügt hinzu: „Es gibt keine Führung, kein Konzept, keine Vision, keinen Plan.“ Das werde längst auch von der Bevölkerung wahrgenommen. „Das muss sich ändern“, sagt ein Ortschef, „sonst hängen wir in zehn Jahren noch hier.“
Fragen wie Wärme und Energieversorgung, Hochwasserschutz, die notwendigen Alarmierungspläne für den Katastrophenfall seien bisher unbeantwortet. Beim Stichwort „Modellregion“ winkt manch ein Ortsbürgermeister in der Runde müde lächelnd ab: „Den Begriff ,Modell' kannst du aus dem Ganzen doch längst streichen.“ Alles laufe viel zu langsam und träge. Man kämpfe Tag für Tag gegen den Bürokratismus. Alle Behörden arbeiteten so weiter wie vor der Flut, als habe es die größte Katastrophe seit Jahrzehnten nicht gegeben. „Wir haben es hier mit Verwaltungen zu tun, die sich mehr miteinander beschäftigen als mit den Problemen der Menschen“, heißt es enttäuscht.
In den Verbandsgemeinden und Städten sitzen gute Verwaltungsmitarbeiter, so die Sicht der Ortschefs. „Wir brauchen darüber hinaus aber eine Führung mit klarer Linie und gebündelten Kompetenzen. Diese Aufgabe muss der Kreis übernehmen.“ An die Spitze des Wiederaufbaus gehöre jemand, der die Menschen begeistern kann und der – oder die – mitzieht. Eine Person mit Charisma, Ausstrahlung und Kompetenz, die eigenständig Entscheidungen treffen kann, die den Dialog sucht und die Zusammenarbeit auf allen Ebenen – von den Ortsgemeinden bis zum Verbindungsbüro des Landes – pflegt. Jemand, der in der Lage ist, auch die bürokratischen Hürden und Fallstricke systematisch zu überwinden.
Führung wird gefordert
Den Fachbereich Wiederaufbau im Kreis verantwortet Landrätin Cornelia Weigand, sagt einer in der Runde. Und ein anderer erinnert daran, dass ja die Stelle eines hauptamtlichen Kreisbeigeordneten geschaffen, aber bisher nicht besetzt ist. Ob mit oder ohne einen solchen Beigeordneten – in der Kreisverwaltung brauche es eine schlagkräftige Organisationseinheit und eine Führung, wo die Steuerung des Wiederaufbaus zusammenläuft. „In Nordrhein-Westfalen läuft das alles viel besser“, wirft einer der Bürgermeister in die Diskussion ein.
Die Fraktionsvorsitzenden Michael Korden, Christoph Schmitt, Ulrich van Bebber und Hans-Josef Marx zollten den versammelten Ortsbürgermeistern zunächst ihren Respekt für deren großes Engagement. Man teile die Analyse der Probleme und nehme als Auftrag mit, eine Lösung herbeizuführen. Auf Nachfrage unserer Zeitung heißt es: „Wir möchten diese ,Hilferufe' aus den Flutdörfern zunächst mündlich Frau Weigand in der Runde der Steuerungsgruppe Wiederaufbau (also der Runde der Fraktionsvorsitzenden mit der Landrätin) vortragen und uns weitere Schritte vorbehalten.“ Gegebenenfalls müsse das Thema dann im Kreistag diskutiert werden.
„Enttäuschender Befund“
Bezeichnend, so heißt es aus dem Kreis der Fraktionsvorsitzenden, sei die Rückmeldung, dass die Landrätin, die in der Hoffnung gewählt wurde, sich insbesondere dem Thema Flut zu widmen, es in ihrer bisherigen Amtszeit offensichtlich nicht für erforderlich gehalten hat, die von der Flut betroffenen Dörfer zu besuchen und sich vor Ort ein Bild zu machen und mit den Ehrenamtlichen, sprich den Bürgermeistern und den Gemeinderäten, zu sprechen und Unterstützung und Hilfe zur Chefsache gemacht hat. „Dies hatten sicherlich viele Bürger erwartet – umso enttäuschender dieser Befund.“
Probleme beim Wiederaufbau ansprechen
An dem Treffen in Schuld nahmen am Wochenende Bürgermeister und Vertreter aus den Ortschaften Antweiler, Dorsel, Fuchshofen, Hönningen, Insul, Kesseling, Lind, Müsch, Pomster und Schuld teil. Am morgigen Mittwoch treffen Ortsbürgermeister aus dem Flutgebiet in Dümpelfeld auf Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Innenminister Michael Ebling. Hier haben sie Gelegenheit, die Probleme beim Wiederaufbau anzusprechen und ihre Meinung zu äußern. An dem Gespräch nehmen auch Landrätin Cornelia Weigand sowie hauptamtliche Vertreter der Verbandsgemeinden Altenahr und Adenau sowie der Städte Bad Neuenahr-Ahrweiler und Sinzig teil. ms