Wahlkreis Ahrweiler
Der Ton im Wahlkampf wird rauer
Beschädigte Wahlplakate als Ausdruck einer aufgeheizten Stimmung? Viele Parteien stellen eine Verrohung im politischen Diskurs fest.
Hans-Jürgen Vollrath. Martin Gausmann

Immer wieder sieht man beschmierte oder zerrissene Wahlplakate. Sind bestimmte Parteien besonders häufig Opfer solcher Sachbeschädigungen und ist das ein Zeichen für die zunehmende Verrohung? Wir haben uns bei den Parteien im Wahlkreis umgehört.

Hier ein „Hitlerbärtchen“ auf ein Gesicht gemalt, dort Textpassagen durchgestrichen und mit neuen Parolen beschmiert – und manchmal werden Wahlplakate gleich komplett von Laternenmasten gerissen: Immer wieder sind die Werbemittel der Parteien Ziel von Schmierereien und Zerstörung. Erst jüngst meldete die Polizei, dass im Raum Adenau Plakate der „Alternative für Deutschland“ gestohlen wurden. Wir haben uns bei allen Parteien im Wahlkreis umgehört, wie stark dieses Problem im hiesigen Wahlkreis verbreitet ist. Und auch wenn nicht alle Parteien geantwortet haben – die Verrohung des politischen Diskurses scheint auch im Wahlkreis Ahrweiler eher zuzunehmen.

„Wir mussten etwa 15 beschmierte Großflächen, zerstörte Bauzäune und gestohlene Bauzaunfüße ersetzen – Kostenrahmen um die 1000 Euro.“
Michael Schneider, Kreisgeschäftsführer der CDU-Ahrweiler

Für die „Christlich Demokratische Union“ (CDU) antwortete deren Kreisgeschäftsführer Michael Schneider auf unsere Fragen. „Ja, es gab Beschädigungen und Schmierereien, die zumindest bei den Großflächenplakaten etwas häufiger sind als in den zurückliegenden Wahlkämpfen“, stellt er fest. Diese Beschädigungen ziehen nicht unerhebliche finanzielle Folgen nach sich: „Wir mussten etwa 15 beschmierte Großflächen, zerstörte Bauzäune und gestohlene Bauzaunfüße ersetzen – Kostenrahmen um die 1000 Euro“, gibt Schneider für die Zeit bis eine Woche vor dem Wahltermin an diesem Sonntag an.

Hinzu kommen Schmähungen und Beleidigungen, vorzugsweise über das Internet. „Meist sind diese Kommentare aber von den immer gleichen uns bekannten Personen, die dies als Unterstützung für einen anderen politischen Mitbewerber betrachten“, sagt der CDU-Kreisgeschäftsführer. „Beschimpfen gehört leider für den ein oder anderen Zeitgenossen zum normalen Verhalten gegenüber Politikerinnen und Politikern dazu. Das beschränkt sich aber nicht nur auf die Zeit des Wahlkampfs“, heißt es aus dem Team der CDU-Wahlkreiskandidatin Mechthild Heil.

Plakate heruntergerissen oder zerfetzt

Auch die „ Sozialdemokratische Partei Deutschlands“ (SPD) rund um ihren Kandidaten Ferdi Akaltin hat mit Schmierereien und Beschädigung ihrer Wahlplakate zu kämpfen. „Diverse Wahlplakate wurden bereits heruntergerissen und mit scharfen Gegenständen durchschnitten. Diese haben wir zum Beispiel auf dem Mayener Markplatz ersetzt“, teilt Nicolas Cordes aus dem SPD-Wahlkampfteam mit. Insgesamt mussten bislang etwa 50 Plakate erneuert werden. Auch zu persönlichen Beschimpfungen von SPD-Wahlkampfhelfern ist es seinen Aussagen nach schon gekommen, tätliche Übergriffe gab es aber nicht.

„Ich wurde beim Plakatieren mehrfach aus vorbeifahrenden Autos sexistisch beschimpft und beleidigt.“
Brigitte Doege, Bundestagskandidatin der ÖDP

Persönliche Beleidigungen musste auch die Kandidatin der „Ökologisch-Demokratischen Partei“ (ÖDP), Brigitte Doege, über sich ergehen lassen. „Ich wurde beim Plakatieren mehrfach aus vorbeifahrenden Autos sexistisch beschimpft und beleidigt“, berichtet sie unserer Zeitung. Und auch Wahlplakate der ÖDP sind immer wieder Ziele von Zerstörung: „Mehrere Plakate wurden heruntergerissen. Vor allem das Motiv ‚Alternative ohne Rechts′ war davon betroffen, besonders in Ramersbach und Bad Breisig.“ Die Sachbeschädigungen an den Plakaten sei ihrer Beobachtung nach dabei signifikant größer als bei vorhergehenden Wahlkämpfen.

Die "Grünen" haben eine kreative Antwort auf beschmierte Wahlplakate gefunden.
Albert Dietz

Die Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ scheint ebenfalls besonders häufig den Zorn von politisch Andersdenkenden auf sich zu ziehen. „Plakate wurden abgerissen – teilweise komplett entfernt, Plakate wurden mit Sprühfarbe beschmiert, um sie unkenntlich zu machen“, berichtet Albert Dietz, Geschäftsführer des Grünen-Kreisverbandes. So sei das Wort „Schwachkopf“ auf ein Habeck-Plakat geschmiert worden oder der Spruch „Grüne sind Nazis“. „Personenplakate wurden häufiger beschmiert als Themenplakate, an der Rheinschiene mehr als in der Fläche. In einigen Orten mit starker AfD-Präsenz bei der Europawahl waren auffällig mehr Plakate beschädigt“, glaubt Dietz festgestellt zu haben. In 43 nachweisbaren Fällen haben die Grünen nach eigenen Angaben Anzeigen erstattet.

„Ihr könnt froh sein, dass man hier keine Knüppel verkauft.“
Kommentar, den Grünen-Wahlkämpfer über sich ergehen lassen mussten

Dazu haben grüne Wahlkämpfer einige dumme Kommentare am Wahlkampfstand oder an der Haustür über sich ergehen lassen müssen, „aber keine Totalentgleisungen“ wie Dietz sagt. Sprüche wie „Hängt die Grünen, solange es noch Bäume gibt“, oder „Ihr könnt froh sein, dass man hier keine Knüppel verkauft“ waren aber darunter.

Für die „Freie Demokratische Partei“ (FDP) hat deren Kreisvorsitzender Ulrich van Bebber nach eigenen Angaben keine Tendenz von zunehmenden Beschädigungen an Plakaten feststellen können. „Da ist eigentlich kein Unterschied festzustellen. Ebenso verhält es sich mit persönlichen Anfeindungen“, so der FDP-Politiker auf Anfrage. Auch die Partei „Volt“ berichtet von keinen größeren Vorfällen. „Wir nehmen insgesamt wahr, dass der Wahlkampf aufgeheizter ist als in den vergangenen Jahren. Konkrete Fälle, die Volt betreffen, haben wir aber aus dem Wahlkreis Ahrweiler nicht zu berichten“, teilt Sabrina Hinz, Bundestagskandidatin ihrer Partei, mit.

Keine Antworten kamen von den „Freien Wählergruppen“ (FWG) und der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD). Sie haben nicht auf unsere Anfrage zu diesem Thema reagiert.

Plakate beschmieren ist strafbar

Das Zerstören oder Beschmieren von Wahlplakaten ist kein Scherz oder Kavaliersdelikt – auch wenn die Wahlwerbung an der Laterne vor der Haustür nicht der eigenen politischen Meinung entspricht. Da die Plakate Eigentum der jeweiligen Partei sind, handelt es sich im Fall des Beschmierens oder Entfernens juristisch um Sachbeschädigung oder Diebstahl – Straftaten, die angezeigt werden und entsprechende Bestrafungen nach sich ziehen können. Auch bei vermeintlich geschmacklosen Plakatmotiven oder welchen mit möglicherweise volksverhetzendem Inhalt, sollte man keine Selbstjustiz üben: Solche Fälle können bei der Polizei angezeigt werden, damit die zuständige Staatsanwaltschaft gegebenenfalls tätig werden kann.

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