Diesen Samstagmorgen, 30. November 2024, wird Jenny Miebach aus Remagen niemals vergessen. Denn es ist der Tag, der das Leben ihrer Familie – die 46-Jährige ist Mutter dreier Kinder – wohl für immer verändert hat. Um 8 Uhr wird sie von der Polizei aus dem Bett geklingelt. „Die Beamten haben mir erzählt, dass mein Mann Michael leblos in der Straße ,In der Wässerscheid’ aufgefunden worden ist“, berichtet Jenny Miebach rückblickend.
Weite Teile des Gehirns beschädigt
Mit dem Notarzt wird der 55-Jährige, der in den frühen Morgenstunden Zeitungen ausgetragen hatte, in ein Andernacher Krankenhaus gebracht. „Ich war total verwirrt und erschrocken und wusste das alles im Moment gar nicht einzuordnen“, erinnert sich die Mutter der sechsjährigen Marie, elfjährigen Laura und der 14 Jahre alten Jana. Letztere habe sie mit den Worten „Papa ist beim Zeitungsaustragen irgendetwas passiert“ geweckt, dann der Oma Bescheid gesagt. Danach machte sich Jenny Miebach Hals über Kopf auf ins Krankenhaus. Mehrere Stunden verbringt sie im Wartebereich auf der Intensivstation, bis sie endlich Informationen über den Zustand ihres Mannes erhält.
„Irgendwann kam eine Ärztin und sagte mir, dass man ihn asystolisch aufgefunden habe, also ohne Puls“, so die Remagenerin. Noch an Ort und Stelle sowie im Krankenwagen sei er mehrfach reanimiert worden. „Die Ursache war wie ein Herzinfarkt, eine Verengung am Herzen wegen der Kälte an diesem Morgen“, sagt Jenny Miebach. Das Problem: Durch die Reanimation habe es Hirnschwellungen gegeben, das Hirn sei gegen die Schädelplatte gedrückt worden, dabei seien weite Teile beschädigt worden, erzählt sie. Apallisches Syndrom: So lautet die Diagnose. „Bis heute weiß man nicht, was sich eventuell wieder neu bildet“, fügt Jenny Miebach hinzu. Ihr Mann wird zum Pflegefall. Auch heute noch muss er künstlich ernährt werden, kann nicht ausreichend schlucken und muss abgesaugt werden. Die Kommunikation – wenn überhaupt – erfolgt lediglich über Augen und Stirn, wie die Remagenerin berichtet.
Für die dreifache Mutter beginnt nach der Schockdiagnose eine Odyssee. „Ich musste herausfinden, was jetzt überhaupt möglich ist. In Deutschland ist es gar nicht so einfach, die entsprechenden Infos zu erhalten“, meint sie. Die Remagenerin setzt sich mit dem VdK und diversen Pflegestellen in Verbindung und recherchiert im Internet. Alten- und Pflegeheim, häusliche Pflege oder eine Intensivpflege-WG: Das sind die Alternativen. Zuerst versucht Jenny Miebach, an eine kleine Wohnung in Remagen zu kommen, da die Räumlichkeiten im eigenen Haus schwierig umzubauen sind – zu eng, zu klein. „Mir war ja klar: Ich schaffe das nicht allein mit der Pflege, ich brauche einen 24-Stunden-Pflegedienst, und ich kann auch die Kinder nicht rund um die Uhr mit dieser Situation belasten“, erzählt sie.
„Ich möchte ihn mehr in der Familie haben.“
Jenny Miebach über ihren schwerstbehinderten Ehemann Michael
Allerdings scheitert ihr Bestreben, in Remagen eine kleine Wohnung für eine Eins-zu-Eins-Pflege zu finden. Sie sieht sich also nach Intensivpflege-WGs um. „Aber da gibt es nicht wirklich viel hier im Umkreis“, sagt Jenny Miebach. Am 1. Februar stößt sie auf eine in Montabaur, die gerade eröffnet werden soll. Ihr Mann zieht als erster Patient dort ein. Das Problem: „Montabaur geht auf Dauer nicht. Die Kinder können bis auf die Jüngste so gut wie gar nicht mit. Und ich möchte nicht, dass Besuche am Wochenende zum Pflichtprogramm werden“, erläutert die Remagenerin und betont: „Ich möchte ihn mehr in der Familie haben.“
Neubau kostet rund 160.000 Euro
Die Idee: Der alte Schuppen am Haus in Remagen soll abgerissen werden, um dort einen rund 50 Quadratmeter großen barrierefreien Neubau zu realisieren. Die Nachbarn ziehen mit, nehmen dafür eine Einschränkung ihres Grundstücks in Kauf, die sie mit einer persönlichen Unterschrift in der Kreisverwaltung perfekt machen. Mittlerweile ist Jenny Miebach auch im Besitz der Baugenehmigung. Aber es wird ein teures Unterfangen. Die Remagenerin geht von Kosten in Höhe von 160.000 Euro aus. Sie startet eine Spendenaktion im Internet mit einer Go-Fund-Me-Kampagne, bei der bisher um die 12.000 Euro zusammengekommen sind. Auch HELFT UNS LEBEN, die Hilfsaktion unserer Zeitung, unterstützt das Unterfangen mit 10.000 Euro. „Das hat uns wirklich sehr gefreut“, sagt Jenny Miebach darüber.
Mittlerweile steht der Abriss des alten Schuppens unmittelbar bevor. „Wir müssen das Beste aus der Situation machen. Deshalb müssen wir wieder zusammenkommen als Familie. Das ist gut für meinen Mann“, sagt Jenny Miebach und berichtet von ihrem jüngsten Besuch mit den drei Kindern in Montabaur. „Wir haben gemerkt, dass er es gut fand, den Trubel um sich herum zu haben. Er braucht das, um Antrieb zu haben“, ist sich die 46-Jährige sicher. Und genau aus diesem Grund möchte die Familie Miebach auch ihren Papa zurück nach Remagen holen. „Dann kann er dabei sein, und die Kinder können auch auf Socken jederzeit zu ihm“, so Jenny Miebach.