„Am 13. August wurde mit 36,5 Grad in Bad Neuenahr-Ahrweiler die bundesweit höchste Temperatur des Jahres 2024 festgehalten“, meldet der Deutschen Wetterdienst (DWD). Der heißeste Tag des Jahres in der Republik machte bundesweit Schlagzeilen. Anfang April wurden im „Klimastatusbericht 2024“ des DWD die Daten nochmals thematisiert, doch ohne Erläuterungen. Die RZ fragte nach.
Wo und wie wird in Bad Neuenahr für die DWD-Statistik gemessen?
Die Station 3490 steht seit September 2004 auf einer großen, freien Wiese auf dem Gelände der ehemaligen Weinbauschule (heute: Medentis Zahnmedizintechnik) an der Walporzheimer Straße in Walporzheim. Nach Norden ist vor der Messstation nur freie, gepflegte Wiese; nach Süden schließen sich mit dem Weinbaugebiet Auel einige Rebgärten bis zur Ahr an. Der DWD hat 3682 Messstationen. „An bundesweit 469 Standorten wird wie in Bad Neuenahr-Ahrweiler die Temperatur gemessen“, so Ortrun Roll vom Regionalen Klimabüro Essen. „Die Temperaturmessung erfolgt automatisch und kontinuierlich. Die Werte werden minütlich registriert und stehen in zehnminütigen Intervallen zur Verfügung.“

Hat das „Klimateam“ der Stadtverwaltung Bad Neuenahr-Ahrweiler Kontakt zum DWD und gibt es weitere Infos zur Klimaproblematik?
Beim Team unter Leitung von Klimaschutzmanagerin Angela Amatulli und Ferdinand Koch als Verantwortlicher für das Klimaanpassungsmanagement sorgte der Bundes-Hitze-Spitzenwert unter 469 Standorten keineswegs für Aufregung und Aktivismus. Der Topwert bestätige, was bereits im Klimaschutzkonzept 2013 angesprochen wird: In der Stadt ist es durchweg zu heiß. Es müsse langfristig etwas gegen die zunehmende Wärmebelastung getan werden. „Unter Einbeziehung der Daten des DWD wurde eine Stadtklimaanalyse erstellt, die als Grundlage für das aktuelle Klimaanpassungskonzept dient. Sie hilft, gezielt Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen“, so das Klimateam.
Warum ist es in Bad Neuenahr-Ahrweiler so heiß – was begünstigt die Temperaturen?
Die außergewöhnlich hohen Temperaturen in Bad Neuenahr-Ahrweiler lassen sich laut Ferdinand Koch auf ein Zusammenspiel mehrerer verknüpfter Faktoren zurückführen: Die topografische Lage des Ahrtals trage wesentlich dazu bei: Die geomorphologisch eingegrenzte (von Bergen umringte, Anm. d. Red.) und windgeschützte Lage der Stadt begünstige die Akkumulation von Wärmeenergie und führe so zu einer verstärkten Temperaturbelastung. In dicht bebauten urbanen Räumen trete der „städtische Wärmeinseleffekt“ auf. Infolgedessen blieben die nächtlichen Temperaturen in innerstädtischen Bereichen deutlich höher als in weniger bebauten oder vegetationsreichen Gebieten.
Wo in der Stadt entsteht dieser Wärmeinseleffekt konkret?
Bei einer Klimasimulation wurden innerstädtische Hitzehotspots ausgemacht, an denen sich die Hitze besonders stark aufstaut und zu einer gesundheitlichen Belastung der Einwohnerinnen und Einwohner führe. In den dicht bebauten Stadtbereichen bleibe es nachts am wärmsten (teils bis zu 22 Grad). Einen Wärmeinseleffekt gebe es im Bereich der Ahrweiler Innenstadt. Neben der geringen bodennahen Kaltluftzufuhr aufgrund der historischen Stadtmauern sorgen vor allem die stark versiegelten Flächen des Ahrweiler Marktplatzes und im Bereich des Blankartshofs für eine Verstärkung des Wärmeinseleffektes.

Ein weiterer Hitze-Hotspot lasse sich südöstlich des Landrat-Joachim-Weiler-Platzes erkennen. Neben dem hohen Versiegelungsgrad des Ahrweiler Bahnhofsvorplatzes sorgen vor allem die großen vollversiegelten Parkplatzflächen der Discounter für eine Verschärfung der Hitzesituation. Außerdem weise auch die Innenstadt von Bad Neuenahr eine deutliche Aufheizung auf. Stark versiegelte Innenstadtplätze wie der Platz an der Linde (Stand 2023) und der Alte Marktplatz sorgten für eine geringere Abkühlung bei Nacht und somit für eine deutliche Minderung der Aufenthaltsqualität sowie eine Zunahme der gesundheitlichen Belastung.
Welche Auswirkungen hat die Hitze auf Menschen, Tiere, Vegetation und Landwirtschaft wie etwa Weinbau?
Besonders gefährdet sind ältere Menschen, Kinder und Vorerkrankte. Sie leiden unter Hitzestress, der gesundheitliche Folgen haben kann. Stadtbäume geraten unter Trockenstress, und Grünflächen verlieren ihre kühlende Wirkung. Der Weinbau sehe sich mit klimatischen Veränderungen konfrontiert: Längere Trockenperioden sowie die Zunahme von Extremwetterereignissen erschweren die Sicherstellung von Qualität und Ertrag. „Zwar können bestimmte wärmeliebende Rebsorten von den veränderten klimatischen Bedingungen profitieren, dennoch erfordert die Anpassung eine differenzierte Herangehensweise und langfristige Strategien“, sagt Koch.
Muss etwas getan werden, und was wird getan?
Die Stadt bietet Förderprogramme für die Begrünung von Dächern und Fassaden sowie für die Entsiegelung von Schottergärten an. Die „Klimabaum-Aktion“ fördert das Pflanzen von Bäumen, die zur Kühlung beitragen. Koch: „Darüber hinaus wird ein Handbuch mit Begrünungstipps entwickelt, um Anreize für privates Engagement zu setzen.“
Hitze ist auch Thema bei Wiederaufbau
Hitze sei auch Thema beim Wiederaufbau nach der Flut. In der Innenstadt von Bad Neuenahr wurden Schwammstadt-Elemente wie Rigolen zur Wasserspeicherung integriert und zusätzliche Bäume gepflanzt. Bei den Kita-Neubauten wird eine stadtklima-förderliche Dachbegrünung bereits umgesetzt. Darüber hinaus hat die Stadt 2022 eine Begrünungssatzung erlassen, die verpflichtende Begrünung von Dächern und Flächen ab einer bestimmten Größe vorsieht und bei privaten Bauvorhaben den Hitzeschutz priorisiert.
Der Informationskampagne „Mein Zuhause – Klima schützen und Geld sparen“ gibt es praktische Tipps zum Hitzeschutz und zu energieeffizientem Bauen. Am 20. August findet ein Vortrag zur Begrünung statt. Mehr dazu finden Sie im Internet unter www.kreis-ahrweiler.de