Auch in der vergangenen Woche ging dieses Konzept mehr oder weniger auf, denn auch wenn das Publikum nicht jeden Abend gleichermaßen goutierte, gab es doch ein paar herausragende Auftritte, die in Erinnerung bleiben werden – und die im besten Fall keine Einzelfälle bleiben.
Den größten Eindruck haben ohne Frage Mojo Thunder hinterlassen. Das Quartett aus Kentucky strotzte nur so vor Vielseitigkeit, vermischte Psychedelic, Alternative und Hard Rock zu immer neuen Kombinationen und zog Stücke in die Länge, ohne dabei langweilig zu werden. Oder beliebig. Oder vorhersehbar. Vor allem Gitarrist Bryson Willoughby erwies sich als begnadeter Prog-Rock-Virtuose, der geradezu danach lechzte, seine Finger über die Saiten jagen zu lassen, während Bassist Andrew Brockman mit dem wohl schönsten Hüftschwung seit Elvis in bester 70er-Jahre-Manier völlig entspannt und dennoch stets auf dem Punkt die Basis für die wilde Musik von Mojo Thunder legte.
Klassiker kann auch frisch und aufregend klingen
Die bestach auch durch den klaren, druckvollen Gesang von Sean Sullivan – und durch den überragenden Zac Shoopman an den Drums, der ohne Zweifel zu den besten Vertretern seiner Zunft in der Geschichte von Crossroads zählt. Dank dieser Talente klang selbst ein Klassiker wie „John the Revelator“ auf einmal wieder frisch und aufregend. Mehr kann man ja kaum erwarten.
Ebenfalls stark, aber alles andere als neu war das Konzert von Gun am letzten Festivalabend. Die Schotten existieren schon seit 1987 und hatten Mitte der 1990er einige veritable Erfolge auf europäischer Ebene zu verzeichnen, darunter Tourneen mit den Rolling Stones und Bon Jovi. Später sind sie aber wieder in den Schatten verschwunden und haben sich inzwischen neu aufgestellt. Von der alten Garde sind noch die beiden Brüder Dante (Gesang) und Giuliano Gizzi (Gitarre) mit von der Partie, und die haben offenbar keine Lust auf Experimente.
Mit “Tempo 180" unterwegs
Brauchen sie aber auch nicht. Ihr gradliniger, schnörkelloser Rock wirkte in der Harmonie zunächst ein bisschen träge, aber als er in Fahrt kam, bretterte er mit Tempo 180 in Ohr und Hirn und löste bei so manchem Fan – und dem einen oder anderen Gun-Neuling – ein wohliges Gefühl aus. Der knochentrockene Sound der Band und die erstaunlich warme Stimme von Frontmann Dante passten einfach perfekt zusammen und sorgten für einen erdigen, ehrlichen Auftritt, der gern wiederholt werden dürfte.
Nicht immer lieferten die Bands ein derart einheitliches Bild ab. So hatte Bluesrock-Ikone Mike Zito das Pech, dass sein Bassist Douglas Byrkit gern mal schleppte, egal wie sehr Drummer Matthew Johnson auch nach vorn zog – am ehesten harmonierten die beiden beim klassischen Blues, erstaunlicherweise aber auch bei einer Funk-Nummer.
Einige verlassen frühzeitig den Saal
Auch Scorpion Child, die ebenso wie Gun am vergangenen Samstag spielten, schienen mitunter aus der Balance gekommen zu sein, irgendwo zwischen Hymnen und Lamenti hin und her pendelnd, zwischen Progressive Rock, Gothic Rock, Dark Wave und Doom Metal. An sich nicht schlecht, aber mitunter zu beliebig, auch wenn ein Teil des Publikums dem durchaus etwas abgewinnen konnte – ein anderer Teil verließ dagegen nach dem Konzert von Gun den Saal.
Noch skeptischer war das Publikum bei Rosalie Cunningham, die es gern noch ein bisschen komplexer mag, und auch die Space-Rock-Formation Spiral Drive konnte dem Vernehmen nach nicht punkten. Gleiches galt für die Garagen-Punk-Band Deadletter und die Brit-Rock-Formation King No-One. Aber: Versuch macht klug. Und genau dafür steht das Crossroads-Festival schließlich, für die Konfrontation mit den Unbekannten, für neue Erfahrungen – und eben für die eine oder andere Überraschung.