Kein Wunder also, dass das Gremium das Zahlenwerk einstimmig bei zwei Enthaltungen seitens Bündnis 90/Die Grünen beschlossen hat. Trotzdem treibt die Entwicklung der Finanzen dem einen oder anderen Stadtratsmitglied die Sorgenfalten auf die Stirn. Aber ob das Geld künftig auch noch ausreichen wird – oder nicht, ist nur die eine Sache. Uneins war sich das Gremium über eine ganz andere.
Grüne kritisieren Tartanbelag
Stein des Anstoßes: der Bolzplatz in Koisdorf. Wie berichtet, ist die Mehrheit des Hauptausschusses einem Antrag von CDU-Fraktionschef Karl-Heinz Arzdorf gefolgt, den Bolzplatz neben dem Kindergarten mit einem anderen Belag auszustatten. Die Rede ist von Tartan. 80.000 Euro sind dafür in den Nachtragshaushalt eingestellt worden. Ein rotes Tuch für die Grünen. „Das ist ein Musterbeispiel für eine sinnlose Ausgabe. Eine Tartanbahn in Koisdorf ist Unsinn“, befand deren Fraktionschef Hardy Rehmann – für ihn in dreifacher Hinsicht: nämlich was Klima, Gesundheit und Finanzen betrifft. Die Grünen befürchten unter anderem, dass Mikroplastik vor allem bei Trockenheit eingeatmet würde, und warnen in Sachen Starkregenvorsorge vor einer Versiegelung der 400 Quadratmeter großen Fläche. Konkret befürchten sie, dass die Entwässerung in den Harbach ein Risiko für alle Anlieger im Stadtgebiet darstelle.
Argumente, die von anderen Fraktionen überhaupt nicht nachzuvollziehen sind. „Das Einzugsgebiet des Harbachs ist 6,5 Millionen Quadratmeter groß. In dem vorgestellten Konzept zur Starkregen- und Hochwasservorsorge vom Mai 2022 ist nirgends ein Hinweis für ein bestehendes Risiko aufgrund des Fassungsvermögens im Bereich des Regenwasserkanals für den Harbach ersichtlich“, so Reiner Friedsam, Vorsitzender der FWG-Fraktion.
FWG: Versiegelung trifft nicht zu
Auch die Versiegelung durch Tartan treffe nicht zu, meinte Friedsam. „Denn bei Spiel- und Sportplätzen wird von den Herstellern ausdrücklich die dafür übliche wasserdurchlässige Ausführung empfohlen, damit der Platz schnell wieder bespielbar ist“, sagte er. Zudem zeichne sich Tartan durch eine sehr hohe Abriebfestigkeit aus. „Eine Entstehung von Mikroplastik ist bei Spielflächen in der Fachwelt unbekannt“, stellte der FWG-Fraktionschef klar und nannte als Beispiel vielmehr den jährlichen Reifenabrieb, der einen Eintrag von 150.000 Tonnen in die Umwelt bedeute.
Dass der größte Teil des Mikroplastiks daher rühre, unterstrich auch Hartmut Tann, Fraktionssprecher der SPD. „Selbst der Abrieb von Schuhsohlen soll fast so viel Mikroplastik erzeugen wie Sport- und Spielstätten. So werden wir alle heute also mit dem Erscheinen zur Ratssitzung Mikroplastik erzeugt haben“, ergänzte er. Sport- und Spielstätten seien also nicht das Problem, folgerte Tann. „Die Möglichkeit der Freizeitgestaltung und zur Bewegung für die Kinder in Koisdorf ist uns ebenfalls wichtig“, betonte der SPD-Fraktionschef.
FDP beantragt Sperrvermerk
Dass der Platz für Koisdorf benötigt werde, sei unumstritten, meinte FDP-Fraktionssprecher Volker Thormann. „Es ist wichtig für Kinder, dass sie ausreichend Platz zum Spielen haben“, ergänzte er. Die Frage sei aber wie, so Thormann, der die Suche nach einer alternativen Lösung vorschlug und einen Sperrvermerk beantragte. Dieser wurde aber mit 18 Gegenstimmen bei acht Jastimmen von den Grünen und der FDP abgelehnt.
Und die CDU-Fraktion? Sie äußerte sich gar nicht zum Thema und ging vielmehr auf die Entwicklung der Finanzen ein. „Die Welt hat sich komplett gedreht“, so Fraktionssprecher Karl-Heinz Arzdorf. Die Kosten würden davonlaufen, meinte er im Hinblick auf Energie, Zins- und Personalkosten. Mit den Zinskosten belaste man die künftigen Generationen. Man müsse Wahrheit walten lassen, dass manche Entscheidung, die vor zwei Jahren getroffen worden sei, heute eben nicht mehr so realisierbar sei, so Arzdorf.
Finanzen: Pessimistische Blicke nach vorn
Sorgenfalten im Hinblick auf die Entwicklung der Finanzen gab es auch in anderen politischen Lagern. „Die großen Positionen sind nicht beeinflussbar durch die Stadt, aber wir haben wirklich wichtige Dinge vor der Brust, für die wir Geld brauchen“, betonte Rehmann. Er verwies beispielsweise auf die jüngste Sitzung des Schulträgerausschusses, in der es unter anderem um das Ganztagsförderungsgesetz des Bundes ging und damit um einen stufenweise wachsenden Rechtsanspruch auf ganztägige Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter ab dem 1. August 2026.
Einen pessimistischen Blick in die Zukunft warf auch Thormann. 2024/2025 werde Sinzig keine freie Finanzspitze haben, „sondern ein Minus von 1,5 bis 1,8 Millionen Euro“, prophezeite der FDP-Fraktionsvorsitzende. Deshalb sei es wichtig, weitere Einnahmen zu generieren. Man müsse die Errichtung von Windrädern forcieren und Freiflächen für biodiverse Fotovoltaikanlagen ausmachen. „Ein möglichst ausgeglichener Haushalt funktioniert in Zukunft nur über zusätzliche Einnahmen“, machte er deutlich.
SPD: Den Energiepreisen ausgesetzt
Tann indes ging unter anderem auf die Personalkosten ein, bei denen ein Anstieg um 1,4 Millionen Euro prognostiziert wird. „Diese Kröte müssen wir schlucken. Dies ist zum Teil auf einberechnete Tarifsteigerungen zurückzuführen, die angesichts der mangelnden Konkurrenzfähigkeit der öffentlichen Verwaltung auf dem Arbeitsmarkt aber notwendig erscheinen“, befand er. Den Energiepreisen sei man ausgesetzt und könne nur beschränkt entgegenwirken, fügte er hinzu. Die Zinsen für Investitionskredite indes müsse man bei den Beratungen des Haushalts 2024 besonders im Auge behalten, mahnte er.
Der SPD-Fraktionschef begrüßte die Zuwendungen des Landes, die um mehr als 1,2 Millionen Euro gestiegen sind – auch wenn dafür die Hebesätze der Grundsteuer A und B angehoben werden mussten. „Sie werden zwar Unternehmen und Bürger belasten, gehen aber letztlich auf eine Forderung des Landes im Zusammenhang mit dem kommunalen Finanzausgleich zurück“, so Hartmut Tann.
Plus von 760.000 Euro
In Sinzig machen die gestiegenen Hebesätze laut Plan ein Plus von rund 760.000 Euro in der Kasse aus. „Man hätte darauf verzichten können, aber dann wären alle Förderungen auf null mit der Begründung: Ihr schöpft eure Einnahmen nicht aus“, hatte Geron eingangs erläutert. Auch er ist sich sicher: Durch das Hochschnellen der Zinsen steigt auch Sinzigs Verschuldung – durch „große Investitionen und einen üppig gefüllten Investitionsplan“.