Blick hinter die Kulissen: Die Rhein-Zeitung begleitet DRK-Mitarbeiter, Seelsorger vom Bistum Trier und Mitarbeiter vom Fundbüro
Blick hinter die Kulissen: Die Problemlöser von Rock am Ring
Ausgelassen feierten die Musikfans von Freitag bis Sonntag vor den Bühnen auf Rock am Ring. Damit es so ausgelassen läuft, braucht es eine Menge Helfer auf dem Festivalgelände – ein Blick hinter die Kulissen.
Kevin Rühle

Nürburgring. Die Geschichten vom 34. Rock am Ring sind mit den eindrucksvollen Konzerten, zu denen Tausende Fans ausgelassen feierten, noch längst nicht erzählt. Über 85.000 Rocker an einem Ort bringen auch eine Vielzahl von Verletzungen und Erkrankungen mit, einige von ihnen haben ein Bedürfnis nach Seelsorge, und viele von ihnen verlieren Handys, Geldbörsen oder Schlüssel. Für all das gibt es am Festival Problemlöser. Die RZ hat sie begleitet.

Ausgelassen feierten die Musikfans von Freitag bis Sonntag vor den Bühnen auf Rock am Ring. Damit es so ausgelassen läuft, braucht es eine Menge Helfer auf dem Festivalgelände – ein Blick hinter die Kulissen.
Kevin Rühle

1 Ein Blick ins Innere des Medical Centers: Eine junge Frau betritt den Container des Medical Centers am Nürburgring. Ihre Arme, ihre Kopfhaut und ihre Stirn sind leuchtend rot. Jennifer Kniel begrüßt sie und fängt gleich damit an, die von der Sonne verbrannten Hautstellen zu behandeln. Das Medical Center steht mitten auf dem Festivalgelände von Rock am Ring. Hier suchen und finden die Musikfans Hilfe bei jeglichen Beschwerden. Geleitet wird das Center vom DRK-Ortsverein Bad Neuenahr-Ahrweiler, und das ist eine echte Mammutaufgabe. Über 50 DRK-Helfer vom Ortsverein und aus Hamburg helfen hier an vier verschiedenen Stationen.

Die Patienten werden am Eingang befragt, auf Liegen behandelt, in einem Raum zum Ausnüchtern überwacht oder mit einer Trage vom Festivalgelände ins Medical Center gebracht. Mit Sonnenbrand haben die Helfer oft zu tun. Die 20-jährige Frau hat die Sonne unterschätzt. Von Kniel bekommt sie nun eine Lotion aufgetragen, die ihre Haut kühlt und beruhigt.

Der DRK-Ortsverein Ahrweiler transportiert verletzte Festivalgäste zum Medical Center.
Sofia Grillo

Ein neuer Patient ist an der Reihe. Er sitzt auf einer Liege und beklagt, dass ihm sehr kalt sei. Die Helferin Merle Hoffmann misst seine Körpertemperatur. Nur 35,9 Grad statt der üblichen rund 37 Grad. „Sie sind am Anfang einer Unterkühlung“, sagt Hoffmann dem 18-jährigen Patienten. Mit einer Wärmedecke ist es nicht getan. „Wir würden Sie gerne hierbehalten, bis Sie sich wieder aufgewärmt haben“, erklären die DRK-Mitarbeiter. Der junge Festivalgast ist einverstanden und wird in einen Ruheraum gebracht, der stärker beheizt ist.

Schmerzverzerrt ist das Gesicht eines 23-jährigen Patienten. Er hat bereits einen Verband um seinen Knöchel. „Ich hatte dort schon vor dem Festival eine Verletzung. Nachdem ich den Weg vom Campingplatz zum Festivalgelände gelaufen bin, ging es plötzlich nicht mehr“, sagt er. Für ihn ist das Festival erst einmal vorbei. Die DRK-Helfer schließen nicht aus, dass das Sprunggelenk verletzt ist. Der Patient wird nun ins Krankenhaus in Adenau zum Röntgen gebracht. Michael Alberti ist Abschnittsleiter des Medical Centers und stellvertretender Bereitschaftsleiter im DRK-Ortsverein Ahrweiler. Er erklärt: „Der Einsatz auf Rock am Ring ist etwas ganz Besonderes, hier lernen die Helfer innerhalb kurzer Zeit die verschiedensten Situationen kennen. Das schult sie auch für den Katastrophenschutz in der Region.“ In diesem Jahr konnte der Verein fast einen Tag ehrenamtliche Arbeit sparen: All die Materialien für den Einsatz mussten nicht mehr aus vier verschiedenen Gebäuden des DRK zusammengesammelt werden. Seit es das neue DRK-Gebäude an der Heerstraße in Bad Neuenahr gibt, das der Ortsverein für 1,5 Millionen Euro gebaut hat, sind alle Materialien an einem Ort und so viel schneller zum Festival gebracht.

2 Gott am Ring – katholische Kirche rettet Rocker: Eines der größten Musikfestivals Deutschlands und die katholische Kirche, wie passt das zusammen? „Kirche soll da sein, wo Menschen sind, und bei Rock am Ring sind Menschen“, lautet die Antwort des Gemeindereferenten Philipp Hein auf die Frage, warum er, fünf weitere Hauptamtliche und rund 20 Ehrenamtliche als Vertreter der katholischen Dekanate Vulkaneifel und Ahr-Eifel sowie der Pfarreiengemeinschaften Kelberg, Niederehe und Adenauer Land beim Rockfestival am Nürburgring dabei sind. Und ihre Hilfe wird gebraucht: Bastian hat die Nacht draußen im Schlafsack verbracht – ungewollt. Am Samstagmorgen ist er völlig unterkühlt an das Zelt der Kirche auf dem Campingplatz A 2 gekommen. Nach einer Auseinandersetzung am Vorabend hatte ihm die Security sein Festivalbändchen abgenommen. Mit Partyspaß ist also Schluss für ihn, bereits nach dem ersten Abend. Der junge Mann aus Witten (Ruhrgebiet) konnte sich dann erst mal bei Hein und anderen Helfern der Kirche ausruhen. Noch weiß er nicht, wie er heimkommt, seine Freunde hat er verloren, doch für den Moment ist er hier gut aufgehoben.

Bastian aus Witten bemalt die Tafel der Seelsorge. Am Samstagmorgen ist er hier völlig fertig aufgetaucht, denn mit Party ist für ihn Schluss.
Nicolaj Meyer

Manchmal brauchen die Festivalbesucher auch nur ein offenes Ohr, wie eine Dame mit Liebeskummer, oder die Rettungskräfte vom Sanitätszelt gegenüber übergeben kurzfristig jemanden an die Helfer von der Kirche zum Aufpassen in das Zelt.

Bereits am Montag, 3. Juni, begann der Aufbau des Zeltes auf dem Parkplatz A 2. Anschließend war es rund um die Uhr geöffnet. „Wir bieten einen Gesprächsort an“, erklärt Hein. Es ist ein Platz relativer Ruhe auf dem Festivalgelände. Zu den Angeboten gehört auch eine Tafel, die mit dem Satzanfang „Bevor ich sterbe, …“ den Anstoß geben soll, über das eigene Leben nachzudenken und mit den Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen ins Gespräch zu kommen. Außerdem gibt es die Möglichkeit, Fürbitten oder persönliche Wünsche zu formulieren und mit der Fotobox Selfies zu schießen. Zudem sammelt die Gruppe wie im vergangenen Jahr Lebensmittelspenden für die örtliche Tafel.

Das Kirchenzelt ist für Hein in diesem Sinne ein „Ort von Kirche“, wie der Gemeindereferent erklärt. Er ist sich sicher: „Das, was hier mit diesem bunt gemischten Team von Ehren- und Hauptamtlichen entstanden ist, verdeutlicht, dass Kirche auch außerhalb der gewohnten Räume eine Relevanz hat. Das macht Mut!“

3Fans setzten ihre letzte Hoffnung aufs Fundbüro: Der 19-jährige Phil sucht seine Brille. Ein Crowdsurfer hatte ihm sie beim Konzert der Band Die Ärzte am Samstagabend von der Nase gerissen und sie auf seinem Weg Richtung Bühne mitgenommen. Seine letzte Hoffnung ist, dass sie im Fundbüro im Infocenter des Nürburgrings abgegeben wurde. Das Fundbüro wird von Mitarbeitern des Ordnungsamtes Adenau seit rund fünf Jahren während Rock am Ring am Festivalgelände eingerichtet. Insgesamt acht Mitarbeiter helfen hier aus, drei pro Schicht.

Für Phil gibt es leider nicht sofortige Hilfe, die Brille ist noch nicht im Fundbüro angekommen. Doch die Hoffnung braucht er noch nicht aufzugeben: Die Fundsachen vom Konzert der Ärzte wurden entweder noch nicht kategorisiert oder haben meist noch nicht den Weg ins Fundbüro gefunden.

Laufend werden hier neue Dinge abgegeben, und laufend kommen die Ringrocker und suchen ihr Hab und Gut. „Wir haben meist noch die ganze Woche nach dem Festival mit den Fundsachen zu tun. Dann kommen immer noch welche an“, sagen die Mitarbeiter des Fundbüros. Außerdem laufen die Drähte der Telefonleitungen heiß, weil Fans ihr Fundstück auf der Internetseite der Stadt Adenau wiedergefunden haben. Eine Ausnahmesituation für die Mitarbeiter des Adenauer Ordnungsamtes, die sonst nicht für über 80.000 Rocker sondern 13.921 Einwohner der Verbandsgemeinde zuständig sind.

Handy, Geldbörsen, Brillen – bis zu 500 Gegenstände werden während Rock am Ring beim Fundbüro im Infocenter des Nürburgrings abgegeben.
Sofia Grillo

Auch Phils Kumpel Jan hat am Samstag etwas verloren: Während des Konzerts der Band Feine Sahne Fischfilet merkte er, dass sein Handy weg war. Für ihn war der Abend damit gelaufen. Dabei hatte er sich besonders auf den Samstag und die auftretenden Bands gefreut. „Das Handy war erst ein Vierteljahr alt, und dort waren meine ganzen Daten drauf“, sagt Jan ein wenig resigniert. Er schließt nicht aus, dass ihm das Handy gestohlen wurde.

Handys, Geldbörsen und Schlüssel werden auf dem Festival am meisten verloren, wissen die Mitarbeiter des Fundbüros. In einzelnen Kisten stapeln sich schon einige dieser Gegenstände und warten auf ihren Besitzer. Aber auch große Rucksäcke, Taschen und Jacken reihen sich in die Warteschlange im Fundbüro.

Sehr gefasst nimmt der 20-jährige Fabian seinen Verlust. Er arbeitet an den Bühnen des Festivals und hat am Samstag seinen Haustürschlüssel dabei verloren. „Es gibt Schlimmeres, ich komme schon wieder in meine Wohnung rein. Ärgerlicher wäre es, wenn ich den Autoschlüssel verloren hätte“, sagt er. Auch seine Schlüssel wurden noch nicht abgegeben, er muss später noch einmal nachfragen.

Nicht selten ist die Suche im Fundbüro auch erfolgreich. Das beweist der 28-jährige Niko. Seine Cousine hat am Samstag ihr Handy verloren, während sie in der Menge zur Musik mittanzte. Handy und Powerbank haben die Mitarbeiter des Fundbüros schnell in ihren Kisten gefunden und Niko ausgehändigt. „Meine Cousine wird sich riesig freuen“, sagt er.

Von unserer Reporterin Sofia Grillo und unserem Redakteur Nicolaj Meyer

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