Hering und Hubig in der Berufsschule
Bildungspolitiker im Ahrtal: Schüler der Berufsbildenden Schule lassen Dampf ab
Landtagspräsident Hendrik Hering und Ministerin Stefanie Hubig (rechts) hörten sich an, was die BBS-Schüler zu sagen hatten. Foto: Beate Au
Beate Au

Bad Neuenahr-Ahrweiler. Was geht eigentlich vor in den Köpfen junger Menschen? Was denken sie über Politik, und was wünschen sie sich von den Regierenden? Diesen Fragen stellten sich Landtagspräsident Hendrik Hering und Bildungsministerin Stefanie Hubig innerhalb des Projekts „Landtag goes Berufsschule“ in der Berufsbildenden Schule (BBS).

Landtagspräsident Hendrik Hering und Ministerin Stefanie Hubig (rechts) hörten sich an, was die BBS-Schüler zu sagen hatten. Foto: Beate Au
Beate Au

Sie waren authentisch, ehrlich und alles andere als geschönt – die Schilderungen der Lebenssituation junger Menschen am Start ihres Berufslebens trafen ungefiltert auf Politikerohren in der Berufsbildenden Schule Bad Neuenahr-Ahrweiler. Landtagspräsident Hendrik Hering und Bildungsministerium Hubig hörten sich an, was Schüler aus allen Schulzweigen der BBS zu sagen hatten und mit einem Graffitikünstler auch auf Leinwand visualisiert hatten. Es sind die Ergebnisse eines von 35 Workshops, an denen fast 900 Schüler teilgenommen hatten. Die Themenschwerpunkte hatten Titel wie „Stammtischparolen – die lasse ich nicht einfach stehen“, „Landespolitik, aber einfach“ oder „Dampf ablassen“.

Das Projekt sei eines zur Stärkung der Demokratie, wie Hering und Hubig betonten. Es sei wichtig zu wissen, wie junge Menschen sich die Zukunft vorstellen, so Hering, denn diese Generation müsse mit den jetzt getroffenen politischen Entscheidungen leben. Ihm sei es wichtig, auch BBS-Schüler zu hören, für die Besuche im Landtag aus organisatorischen Gründen eher seltener seien.

Mentale Gesundheit in Gefahr

Die Schüler nutzten die Chance, ihre Botschaften zu transportieren. Es kristallisierten sich schnell verschiedene Problemlagen heraus – zum Beispiel in Berichten darüber, wie schwierig es oft ist, Ausbildung, schon vorhandene Familie mit Kindern und Freizeit unter einen Hut zu bringen, ohne Gefahr zu laufen, ausgebrannt zu sein. Die mentale Gesundheit hat bei den Jugendlichen einen großen Stellenwert, denn sie beobachten in ihrem Umfeld auch, dass der Ausweg bei der Stressbewältigung im Konsum von Drogen oder Alkoholmissbrauch gesucht wird.

Existenznöte wegen Inflation

Thematisiert wurde auch die Angst, mit der gezahlten Vergütung nicht über die Runden zu kommen. „Die Inflation frisst das Gehalt auf“, meinte ein Schüler. Da sei es kaum möglich, über Hausbau oder gar Altersvorsorge nachzudenken. „Ich verdiene im ersten Ausbildungsjahr so wenig, dass es schwierig wird, mir Schulbücher leisten zu können“, berichtete eine Schülerin. Aus der Altenpflege war zu hören, dass Auszubildende sich zu oft auf sich allein gestellt fühlen, weil examinierte Fachkräfte fehlen, und trotz geringer Bezahlung sehr viel leisten müssten. Die Angst davor, nicht genug Geld zu haben, um alles zu bezahlen, zerstöre auch den inneren Frieden, erklärte eine Schülerin.

Auch das nach wie vor in sozialen Netzwerken verbreitete Mobbing bereitet Sorgen. „Es wird zu viel gemobbt an Schulen“, so der Hinweis an die Bildungsministerin, die soziale Kommunikation in den Bildungseinrichtungen zu stärken. Schule könne dazu beitragen, die Selbstachtung junger Menschen zu fördern. Das beuge Mobbing vor.

Ernüchterung im Arbeitsleben

Eine andere Gruppe transportierte Erfahrungen aus dem noch jungen Arbeitsleben, die sie ernüchtert haben: Da sei beispielsweise der Mangel an Kitaplätzen mit seinen Auswirkungen auf Kinder, die in der Grundschule später mit Entwicklungs- und Sprachproblemen zu kämpfen hätten. Personalmangel mache auch Inklusion an Grundschulen fast unmöglich. Der Krieg auf der Welt beschäftigt die jungen Menschen ebenso. Sie wünschen sich mehr Aufklärung und Dialog über die Hintergründe an Schulen. „Viele wissen gar nicht, was da draußen los ist“, stellte eine Schülerin fest.

Der Beigeordnete Friedhelm Münch, der in Vertretung der erkrankten Landrätin gekommen war, zeigte sich begeistert von der Veranstaltung und regte an, die Graffiti-Bilder mit entsprechenden Kommentaren in einer Ausstellung in der Kreisverwaltung zu zeigen.

Hubig: Schule anders denken

Landtagspräsident Hering nahm die Klagen über Überforderung als wichtige Botschaft wahr, ebenso die Existenzängste angesichts der Inflation. Mentale Gesundheit – das ist ein Thema, das auch im Fachbereich von Bildungsministerin Hubig immer wieder aufkommt und mehr nach vorn rutsche, wie sie registriert. „Wir müssen Schule anders denken“, sagte Hubig angesichts der großen Veränderungen in der Gesellschaft. Dieser Herausforderung stelle sich bereits die Initiative „Schule der Zukunft“. 100 Schulen seien bereits dabei.

Von Demokratiefeindlichkeit sei bei den Schülern in Bad Neuenahr-Ahrweiler jedenfalls nichts zu spüren, so der stellvertretende BBS-Schulleiter Klaus Müller. Dieses Feedback kam auch vom am Projekt beteiligten Bildungsreferenten der Landtagsverwaltung, Oliver Zimon.

Neues Projekt für Berufsschulen

Für das Projekt kam ein Team aus dem Landtag direkt an die Schule. Das Angebot bestand aus mehreren Elementen. Zum einen konnten die Schüler im Gespräch einiges über Landespolitik und Demokratie lernen. Zusätzlich wurden Workshops angeboten. Diese behandelten Themen wie Landespolitik und Stammtischparolen oder gaben einfach die Möglichkeit, Dampf abzulassen. In einem weiteren Workshop konnten einige Schüler die Themen mit einem Graffitikünstler auf Leinwand bringen. Die Kunstwerke wurden dem Landtagspräsidenten Hendrik Hering und der Bildungsministerin Stefanie Hubig vorgestellt. red

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