Die Schulverhältnisse in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren teilweise katastrophal, zahlreiche Klassenräume in desolatem Zustand. Nach Einführung der allgemeinen Schulpflicht (in Preußen 1825) besuchte kaum die Hälfte der schulpflichtigen Schüler die Volksschule. Mädchen wurden zur Mithilfe im Haushalt und Jungen zur Arbeit auf dem Hof aus dem Unterricht genommen und verließen die Schule nicht selten nach wenigen Jahren. Das änderte sich aber auch in der Eifel in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Besseren. In neuen Schulgebäuden entstanden ordentliche Klassenzimmer.
Es kam dann in den 1960er-Jahren dazu, dass immer mehr Zwergschulen geschlossen wurden. Ortsbildprägende, inzwischen leer stehende Schulgebäude wurden abgerissen, andere zu Wohnzwecken, als Kindergarten oder nach der Umgestaltung als Bürgerhäuser genutzt.
Zunehmende Zentralisierung
Kirche und Schule hatten als Zentren für soziale Bindungen ausgedient, an ihre Stelle traten Hallen und Dorfgemeinschaftshäuser. Im Schulwesen wurde zunehmend zentralisiert. Im Brohltal gibt es zwar noch sechs Grundschulen, als weiterführende Bildungseinrichtung nur noch die Brohltalschule in Niederzissen. Beim Thema Schule kann jeder mitreden. Denn jeder war mal Schüler und hat Erinnerungen an diese erste entscheidende Phase in der Entwicklung des Menschen. Das ist auch ein Grund dafür, dass unsere Serie „Dorfschulen im Brohltal“ auf großes Interesse und hohe Akzeptanz stieß. Es wurde angeregt, die Beiträge in einem Buch zu verewigen.
Das Studium der Schulchroniken von Kempenich und Spessart ermöglicht nicht nur einen Einblick in das dörfliche und schulische Leben, es fördert auch recht amüsante und heutzutage skurril erscheinende Fakten zutage.Skurriles aus den Schulchroniken: Kaum zu glauben, aber wahr
Leonhard Janta aus Bad Breisig leitete bis zu seinem Wechsel in den Ruhestand im März 2018 das Kreisarchiv Ahrweiler und war Redaktionsleiter für das Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler. Er lieferte Hintergrundinformationen zum Unterricht in den früheren Dorfschulen, von denen einige im nachfolgenden Resümee eingearbeitet werden. Nicht unerwähnt bleiben dürfen jene, die bei der Recherche mitgeholfen haben. Ihnen gilt ein herzliches Dankeschön für die gewährte Unterstützung und Hilfestellung. Sei es in Form von Schul- oder Klassenfotos oder mit der Bereitstellung von Textmaterial (Chroniken und Festschriften). Exemplarisch sei hier Karl Hans Heuft aus Burgbrohl genannt. Der 98-Jährige ist in Sachen Digitalisierung und Medienarbeit topfit und half bei der Suche nach Schulfotos von Niederoberweiler.
Drangvolle Enge im Klassenzimmer
Ein Lehrer unterrichtete im 19. und 20. Jahrhundert in einer Klasse selten weniger als 50 Schulkinder, oft in drangvoller Enge in einem Raum. Der Unterricht konnte nur mit großem Geschick und eiserner Disziplin durchgeführt werden. Prügelstrafe bei kleinsten Vergehen beherrschte je nach Charakter und Temperament der Lehrkraft den Schulalltag, teilweise bis in die 1960er-Jahre.
Die Lehrer wohnten durchweg im Schulhaus und wurden in den Dörfern auch für gemeindliche und kirchliche Zwecke eingebunden, mussten Schul- und Ortschroniken führen, Schreibarbeiten übernehmen sowie als Küster, Glöckner und als Organist fungieren. Ihre Ausbildung wurde schrittweise verbessert. Es gab Vorbereitungsschulen für Lehrerseminare und eine theoretische Ausbildung (zum Beispiel in Boppard), bevor die Praxis an durchweg einklassigen Volksschulen auf dem Lande begann. Regelmäßig wurden sie anschließend überprüft. In mehreren Serienbeiträgen wurden eingehend Art und Umfang der Besoldung beschrieben.
Religion im Vordergrund
Unterrichtet wurde nach Lehrplänen, die je nach örtlichen Gegebenheiten modifiziert werden konnten. Breiten Raum nahm der Religionsunterricht ein, biblische Geschichte, Unterweisung im Katechismus, Gebete, Kirchenlieder gehörten dazu. Ergänzend kam noch die Christenlehre des Pastors, die allwöchentlich am Sonntag in der Kirche stattfand. Vermittelt wurden die Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen. Rechtschreibung wurde lange und oft geübt, bis das Gelernte saß. Geschrieben wurde auf der Tafel mit Griffeln, in späteren Jahren dann zunächst mit Bleistift, dann mit Tinte und Feder in Hefte. Im Rechnen standen die Grundrechenarten an erster Stelle, in höheren Klassen waren es Raumlehre, Dreisatz- und Prozentrechnung.
Von zentraler Bedeutung war die Heimatkunde, die Schüler wurden mit dem heimatlichen Umfeld vertraut gemacht. Dazu zählten Einblicke in frühere Lebensverhältnisse. Manche Lehrer wurden dadurch zu Heimatforschern für ihr Dorf. Geschichte, Staatsbürgerkunde, Erdkunde, Naturkunde und Physik waren in den 1920er-Jahren ebenfalls in den heimatbezogenen Unterricht einbezogen. Mädchen wurden auf ihre Rolle als Hausfrau und Mutter vorbereitet mit Nähen, Stricken, Flicken und Stopfen. Turnen mit kleinen Übungen in der Klasse oder im Freien waren vorgesehen. Selbstredend sollten auch Gesang, Schönschreiben und Zeichnen nicht zu kurz kommen. Viele verließen die Volksschule nach acht Jahren mit einem Repertoire an Volksliedern, konnten Balladen auswendig aufsagen und verfügten über einen Fundus an solidem Basiswissen.
In der Dorfgemeinschaft verankert
Anspruch und Wirklichkeit klafften damals wie heute mitunter weit auseinander. Manche Lehrer waren oft nur kurz an Dorfschulen, suchten Aufgaben in größeren Orten oder wurden aus verschiedenen Gründen mehrfach versetzt. Für andere blieb es dagegen die erste und nach vielen Dienstjahren letzte Stelle.
Sie waren dann fest in der Dorfgemeinschaft verankert und übernahmen wichtige ehrenamtliche Funktionen. Sie gründeten Vereine, dirigierten Chöre oder Blaskapellen, betätigten sich als Trainer oder als Kommunalpolitiker. Der Lehrer war neben dem Pastor die am höchsten angesehene Persönlichkeit im Dorf, denen man mit nötigem Respekt begegnete. Da zog auch schon mal der 80-jährige Großvater vor dem Junglehrer zum Gruß den Hut.
Früher war vieles anders
Früher war nicht alles besser, es war vieles eben anders. Manches erscheint dabei rückwärts betrachtet als sehr einengend. Bis heute gleich geblieben ist wohl die stiefmütterliche Art, mit der Bildung behandelt wird. Von einer soliden finanziellen Ausstattung konnte man früher nur träumen, an Bildung wird bis heute sträflichst gespart. Pisa-Studie und Missstand bei der Digitalisierung lassen grüßen.
Während es noch in den 1960er-Jahren erheblicher Überzeugungsarbeit und sehr gutem Zureden bedurfte, damit ein begabter Schüler aus dem Dorf das Gymnasium in der nahen Stadt besuchte, mangelt es inzwischen an denen, die auf ein Studium verzichten und stattdessen ein Handwerk erlernen. Nicht mehr angesagt scheinen Phasen des Übens und Wiederholens zu sein. Laut Janta böte zeitgemäße, offene Heimatkunde, die niemanden ausgrenzt, im Zeitalter der Globalisierung die Chance zum Ankommen im heimatlichen Lebensraum und könnte identitätsstiftend sein.