Geldautomaten gesprengt: Überfall in Bad Neuenahr wird am Landgericht in Koblenz verhandelt
Bankräuber vor Gericht: Jetzt spricht die Geisel
Im März 2019 explodierte um 5.15 Uhr der Geldautomat der Commerzbank in Bad Neuenahr. Die mutmaßlichen Täter stehen vor Gericht.
Vollrath (Archivbild)

Bad Neuenahr, 6. März 2019, gegen 5.15 Uhr weckt ein lauter Knall die Bewohner in der Bad Neuenahrer Innenstadt. Männer haben den Geldautomaten der Commerzbank in der Telegrafenstraße gesprengt und 100.000 Euro erbeutet. Auf der Flucht nehmen sie zwischenzeitlich eine Geisel. Wenig später werden sie gefasst, seit Ende Dezember wird der Überfall vor dem Landgericht in Koblenz verhandelt.

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Ein in den Niederlanden geborener 30-Jähriger muss sich vor der 12. Strafkammer wegen Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion verantworten. Ein mutmaßlicher Spießgeselle wurde bereits in einem abgetrennten Verfahren zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Jetzt sagte die Geisel aus. Bei dem Mann sitzt der Schock auch heute, fast drei Jahre nach der Tat, noch tief. Es ist der Platzwart des SC Bad Bodendorf, den die Räuber auf ihrer Flucht in eine Materiallagergarage des Klubs hineingezogen haben und eine Zeit lang dort festhielten. „Wenn du nicht ruhig bist, wird es dir schlecht ergehen“, habe man ihm gedroht, erzählt der ehrenamtliche Sportklubmitarbeiter im Zeugenstand.

Rückblick: Rund 100.000 Euro hatten die beiden Räuber bei ihrem Überfall erbeutet. Eindrucksvolle Fotoszenen, die eine Ermittlerin des Landeskriminalamtes jüngst als Zeugin beschrieb, machen den Tathergang und die Manipulationen am Geldautomaten deutlich. „Einer der Täter stellte die Flaschen mit dem Gasgemisch im Vorraum ab und hebelte anschließend mit einem Brecheisen das Bedienmodul des Geldautomaten auf“, so die LKA-Beamtin.

In einen Hohlraum des Geldautomaten wurde dann ein Acetylen-Sauerstoffgemisch eingefüllt und dieses im Anschluss mit einem Elektroschocker über eine Zündleitung vom Eingangsbereich der Bank aus zur Explosion gebracht.

Was nach dem Einsammeln der vielen Geldscheine folgte, war eine filmreife Flucht des Duos. Sie blieb aber nicht unbeobachtet. So sah ein Anwohner von seinem Fenster aus, wie zwei Maskierte in schwarzer Kleidung auf einem Motorroller die Flucht in Richtung Ahr ergriffen. Die Aussagen deckten sich mit den Angaben eines anderen Kreisstädters, der an jenem 6. März frühmorgens mit dem Fahrrad an der Ahr unterwegs war. „In Höhe des Apollinaris-Stadions kam mir auf dem Weg zur Arbeit ein dunkler Motorroller auf meiner Fahrspur schnell entgegen. Um eine Kollision zu vermeiden, musste ich auf den Grünstreifen ausweichen. Ob eine oder zwei dunkel gekleidete Personen auf dem Roller saßen, das kann ich nicht mehr sagen“, meinte der Zeuge.

Fluchtfahrzeug und Werkzeuge gefunden

Zu dieser Zeit war aber auch schon die Polizei unterwegs, die vor Gericht weitere Details zur Flucht mitteilen konnte. Danach stand den Ganoven auf dem Fahrradweg nahe Lohrsdorf ein Poller im Weg. Sie stürzten und verloren Tatwerkzeuge und einen Teil der Beute (22.250 Euro). Nur wenig später macht eine andere Streifenbesatzung der Polizei die nächste Entdeckung: Das Fluchtfahrzeug wurde unweit vom Ufer in der Ahr liegend gesichtet. „Wir haben den Roller untersucht und die auffälligen Spuren und Aufkleber untersucht und dokumentiert“, erinnerte sich die LKA-Beamtin. Natürlich sei auch eine Halterabfrage gemacht worden.

Derweil setzen die Bankräuber ihre Flucht zu Fuß ahrabwärts in Richtung Bad Bodendorf fort. Ihr Ziel: die Materiallagergarage des SC Bad Bodendorf. Dort hielten sie sich dann auch für kurze Zeit versteckt – bis der Platzwart unvermittelt auftauchte. Als der sich dem Garagentor näherte, zogen ihn die Bankräuber und ein zwischenzeitlich hinzugekommener dritter Täter in die Garage und hielten den Platzwart dort eine Zeit lang fest. Sie gaben ihm unmissverständlich zu verstehen: „Bleib ruhig, dann passiert dir nichts.“ Der Platzwart hörte, dass draußen bereits die Einsatzkräfte unterwegs waren: „Da war ganz viel Polizei auf den Straßen zu hören, und ein Hubschrauber war in der Luft.“

Begegnung im Materiallager

Eigentlich habe er sich nur zum Sportplatz aufgemacht, um dort nach dem Rechten zu sehen. Dabei habe er festgestellt, dass das Garagentor nicht geschlossen war. Im Materiallager habe er drei Personen, alle waren dunkel gekleidet, ausgemacht. „Gesichter habe ich aber nicht gesehen“, meinte er. Er musste sein Handy abgeben, mit dem Versprechen, es später wiederzubekommen. Bevor die Täter die Garage wieder verlassen, greift einer der Männer in einen blauen Müllsack und holt 200 Euro heraus. „Das Geld steckte er mir wortlos in meine Tasche. Dann verschwanden sie wieder“, berichtete der Platzwart der 12. Kammer unter Vorsitz von Richterin Anne Werner.

Als der Bodendorfer die Garage verlässt, findet er auf einer Bank sein Mobiltelefon. „Ich habe dann auch direkt den Notruf gewählt. Der Polizei habe ich selbstverständlich die 200 Euro übergeben“, stellte er klar. Rückblickend habe er nur gehofft, „dass alles sehr schnell vorbei ist“, sagte der Platzwart, lehnte sich im Stuhl ein bisschen zurück und blickte in Richtung des 30 Jahre alten Angeklagten. Ob er den Mann als einen der Täter identifizieren, kann, wird er gefragt: „Nein, ich erkenne ihn nicht wieder“, konstatierte der Platzwart. Die Verhandlung wird fortgesetzt.

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