Amtsgericht Sinzig tappt weiterhin im Dunkeln, doch es gibt neue Theorie um verstorbenen Dreijährigen
Bad Breisiger Kita-Prozess: Haupteingang zum Tod?
Ein Kind steht im Mai 2017 in Bad Breisig vor Trauerbekundungen am Kindergarten Regenbogen. Foto: Thomas Frey/dpa
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Bad Breisig. Ein Dreijähriger verlässt im Mai 2017 unbemerkt seine Kindertagesstätte, fällt auf dem Nachbargrundstück in einen Gartenteich und kommt dadurch ums Leben. Das aufsehenerregende Unglück aus der Kita Regenbogen in Bad Breisig soll derzeit im Amtsgericht Sinzig aufgeklärt werden. Der vierte Verhandlungstag am Donnerstag sorgt für eine Wende, wenn auch Richter Guido Schmitz beim Verschwinden des Jungen weiterhin viele Fragen bleiben.

Staatsanwältin Vanessa Leibrock wirft der Leiterin der Kita vor, durch Fahrlässigkeit den Tod eines kleinen Bad Breisigers verschuldet zu haben. Zehn Zeugen sollen am Donnerstag dabei helfen, herauszufinden, durch welche Türe der Dreijährige entschwunden sein könnte. Auch weil abhängig vom Fluchtweg des Kindes verschiedene Verantwortlichkeiten zu Grunde liegen könnten.

Die von Nebenklage und Staatsanwaltschaft präferierte Theorie war bislang: Der Junge entschwand von der Turnhalle über den Personalflur und dann über eine nicht verschlossene Brandschutztür ins Freie. Von dort aus dann ging er weiter und ertrank im Teich eines Nachbargrundstücks. Nur jemanden, der das Verschwinden des Jungen bezeugen kann, den gibt es nicht.

Das Rätsel ist für Richter Schmitz hart zu knacken und für die anwesenden Eltern ist jede Zeugenaussage ein sich wiederholendes Elend. Wie schon an den vorigen Prozesstagen, fragt Richter Schmitz die vielen Erzieher aus der Kita im Zeugenstand, ob es nicht einmal den Gedanken gegeben habe, dass eine nicht verschlossene Brandschutztür ebenfalls eine Gefahr darstellen könne. Die Antworten stets gleich: Darüber sei nicht gesprochen worden. Die Theorie mit der Flucht durch die Brandschutztür wurde bis dato auch deshalb präferiert, weil Zeugen aussagten, der Haupteingang würde von Kita-Mitarbeitern zugemacht und sei als Fluchtweg unwahrscheinlich.

Eine neue Regel seit dem Tod des Dreijährigen macht Schmitz aber hellhörig: Denn seitdem müssen die Erzieher die Eltern zur Tür begleiten, wenn die Kinder in der Kita abgeholt werden – eben um zu schauen, ob die Tür danach ordentlich geschlossen ist. Am Tag des Unglücks hatte ein Vater seinen Sohn kurz zuvor abgeholt. Eine Erzieherin hat am Donnerstag nun ausgesagt, dass Eltern bis zum Vorfall eben nicht raus begleitet wurden. Hat also womöglich die Tür des Haupteingangs noch offen gestanden? Und der Dreijährige nutzte diesen Ausgang? Ob dieser Weg durch das juristische Labyrinth zur Lösung des Falls führt, bleibt noch ungewiss.

Besonders emotional ist am Donnerstag die Aussage einer Küchenhilfe. Richter Schmitz fragt: „Können Sie sagen, wie die Auffinde-Situation war?“ Die Zeugin sagt daraufhin: „Ich kann seit zwei Jahren nicht mehr schlafen, ja klar kann ich Ihnen das sagen.“ Sie schildert: Während die Suche nach dem Dreijährigen bereits in vollem Gange war, habe sie aus dem Küchenfenster gesehen, dass ein Tor der Nachbarn auf war. Daraufhin sei sie sofort zur Kita-Leiterin geeilt. Sie sagte damals: „Die haben doch einen Teich.“ Die von der Existenz des Teichs überraschte Kita-Leiterin und die Zeugin gingen zusammen in den Garten der Nachbarn. Als die Zeugin einen leblosen Körper im Wasser sah, sei sie ohne zu zögern hereingesprungen. Sie reichte den kleinen Körper an die Kita-Leiterin, die versuchte den Jungen mit einer Herzdruckmassage und einer Mund-zu-Mund-Beatmung wiederzubeleben. Erfolglos. Während die Mitarbeiterin erzählt, bricht sie in Tränen aus, und auch die Mutter des Verstorbenen weint mit.

Die Suche nach dem Weg des verunglückten Kindes aus der Kita Regenbogen, und nach der Schuld, geht am 12. Dezember am Amtsgericht Sinzig weiter.

Von unserem Redakteur
Nicolaj Meyer

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