Die evangelische Kirche in Oberwinter ist ein ganz besonderes Gebäude
Aus Prinzip schlicht: Evangelische Kirche in Oberwinter ist 300 Jahre alt
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Von der B 9 in Oberwinter aus gesehen ist die evangelische Kirche schnell zu übersehen. Fotos: Christian Koniecki
Koniecki Christian. Christian Koniecki

Sie steht etwas unscheinbar im Schatten ihrer größeren katholischen Schwester: die kleine evangelische Kirche von Oberwinter. Das proppere weiße Kirchlein wurde vor 300 Jahren fertiggestellt - und ist tatsächlich etwas ganz Besonderes unter den Kirchenbauten der Region.

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Von der B 9 in Oberwinter aus gesehen ist die evangelische Kirche schnell zu übersehen. Fotos: Christian Koniecki
Koniecki Christian. Christian Koniecki

Wer auf der Bundesstraße 9 durch Oberwinter fährt, kann sie leicht übersehen, die weiß getünchte evangelische Kirche von Oberwinter. Von dort aus gesehen scheint sie in einem Garten zu stehen: ein niedliches Kirchlein aus dem Jahr 1723 mit einem kleinen Glockenturm, der als Wetterfahne einen großen goldenen Posaunenengel trägt. Das schlichte und bescheidene Äußere hat nicht nur damit zu tun, dass evangelische Kirchen im katholischen Rheinland zu einer religiösen Minderheit zählen.

Gotteshaus einer reformierten Gemeinde

Die schlichte Einfachheit des Gebäudes hat auch einen religiösen Hintergrund, denn die evangelische Kirchengemeinde von Oberwinter gehört seit jeher zum reformierten Zweig der evangelischen Religion. Und als solcher sieht man sich in der Tradition, wie sie einst die Reformatoren Ulrich Zwingli und Johannes Calvin vorgegeben haben. Eine der von ihnen vertretenen Maximen ist: Nichts soll von der Verkündung des Gotteswortes ablenken, keine Bilder, kein Schmuck, keine Dekoration.

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Ein calvinistisch schlichter Kirchensaal mit Kanzel und kleinem Altar: Nichts soll in reformierten Kirchen von Gottes Wort ablenken.
Koniecki Christian. Christian Koniecki

Tritt man durch den Eingang in die Kirche hinein, verstärkt sich der Ausdruck der Schlichtheit noch: Der Blick fällt in einen beinahe kahlen, rechteckigen Kirchenraum. Kaum etwas, an dem das Auge hängen bleiben könnte, wäre da nicht die Kanzel mit einem Baldachin an der Stirnwand zwischen zwei Fenstern. Sie hängt in halber Höhe an der Mauer, dort, wo sich in den meisten Kirchen noch ein Chorraum nach hinten öffnet oder ein großes Kreuz hängt. „Von dort aus predige ich aber nur noch zu besonderen Anlässen“, sagt Pfarrer Michael Schankweiler. Dieses „von oben herab“ passe nicht mehr zum heutigen Selbstverständnis, findet er. Und ganz so rigoros wie einst nehme man es mit der calvinistischen Strenge auch nicht mehr, trotz aller Ernsthaftigkeit.

Pfarrer Schankweiler mag sein Kirchlein

Ein wenig Schmuck hat sich mit der Zeit nämlich doch in die Kirche geschmuggelt: An der Seite neben dem Pult, auf dem die prächtige alte Bibel der Kirche ruht, stehen zwei große Engel, die als Kerzenleuchter fungieren. Und auch die für diesen Kirchenraum eher übermächtige und prächtig geschmückte Orgel durchbricht das Konzept der calvinistischen Strenge. Selbst ein Kreuz hat es im Laufe der vergangenen 300 Jahre in die Kirche geschafft, wenn auch in sehr dezenter Form: Es steht recht zierlich auf dem Altar. „Der Sockel ist aus Unkelsteiner Basalt, das Kreuz selbst aus alten Nägeln der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Kathedrale im englischen Coventry“, erläutert Pfarrer Schankweiler.

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Die Bibel als Wort Gottes hat für evangelisch reformierte Gemeinden eine ganz besondere Bedeutung, erläutert Oberwinters Pfarrer Michael Schankweiler.
Koniecki Christian. Christian Koniecki

Er hat sich bemüht, in seiner Zeit in der Oberwinterer Kirchengemeinde möglichst viel von dem reformatorischen Erbe zu erhalten, trotz aller Zugeständnisse. „Im Laufe der Zeit sind viele evangelische Christen aus anderen Regionen dazugekommen“, erläutert der Pfarrer. Etwa in der Zeit, als die Preußen das Rheinland übernahmen und viele lutheranisch geprägten Christen dazukamen, oder später in den Jahren der Bonner Republik. Und in lutherischen Gemeinden gehört nun einmal ein Kreuz in die Kirche.

Tage der Eigenständigkeit sind gezählt

Doch die Zeiten des Wachstums sind vorbei: Auch in der evangelischen Gemeinde Oberwinter nimmt die Zahl der Gemeindeglieder stetig ab. Die Gemeinde schrumpft, und es wird immer schwieriger, die selbst finanzierten Angebote wie den eigenen Kindergarten aufrechtzuerhalten. Als Ausweg bleibt nur, die Eigenständigkeit teilweise aufzugeben.

Im Jahr 2024 soll die Oberwinterer Gemeinde voraussichtlich mit den bereits fusionierten evangelischen Gemeinden in Remagen und Sinzig eine neue evangelische Kirchengemeinde bilden. „Und wenn ich im Jahr 2025 in den Ruhestand gehe, wird meine Stelle als Pfarrer in Oberwinter auch nicht mehr neu besetzt“, sagt Michael Schankweiler, der damit der Letzte in einer langen Reihe von Pfarrern in Oberwinter sein wird – einer Gemeinde, die nachweislich schon vor dem Jahr 1624 existiert haben muss.

Festliches Adventskonzert am Sonntag

Doch vorher wurde am ersten Advent erst einmal die Festwoche zum 300-jährigen Bestehen eingeläutet. Pfarrer Schankweiler ist stolz darauf, dass die kleine, etwas versteckt hinter der Hauptstraße in Oberwinter liegende Kirche frisch renoviert und wie aus dem Ei gepellt dasteht. Und das Gotteshaus soll auch weiterhin Ort für Gottesdienste, aber auch Konzerte sein wie zu einem festlichen Adventskonzert am kommenden Sonntag ab 19 Uhr.

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