„Da hinten liegt eine ganz lange alte Socke“, ruft Alina ihren Mitschülern mit einer Stimme zu, die den Ekel erahnen lässt. Die Jugendlichen haben sich einen vielleicht 50 Meter langen Uferabschnitt vor den Türmen der Brücke von Remagen vorgenommen. Dort sind sie in verschiedenen Teams unterwegs, um den Müll ganz wissenschaftlich unter die Lupe zu nehmen.
Eine Gruppe sitzt ganz entspannt unten an der Rampe in den Fluss. Dort haben die Schüler ein Netz in die Strömung gehängt. Eine Stunde lang bleibt dieses professionelle Spezialgerät im Rheinwasser und hält dabei auch kleine Schwebeteilchen zurück. Zur Verfügung gestellt wurde dieses Netz von der Kieler Forschungswerkstatt, einer Kooperation der Universität Kiel und des Leibnitz-Instituts. Fabian, Thomas und Matthias sitzen daneben und schauen über den Fluss. Doch die Teenager „chillen“ nicht bloß einfach: „Wir haben schon die Strömungsgeschwindigkeit an diesem Abschnitt gemessen und beobachten jetzt für 20 Minuten, was an größerem Treibgut vorbeikommt“, erläutert Fabian. Das Ergebnis ist anfangs noch übersichtlich: zwei Äste, eine Plastikflasche und einen Stofffetzen haben die drei erspäht. Bis das Netz geborgen wird, dauert es noch eine Weile.
Kuriose Fundstücke sind natürlich auch dabei
Eine andere Gruppe läuft mit Eimern und Greifzangen bewaffnet am Rheinufer und auf den Flächen vor dem Friedensmuseum herum und sammelt Müll. Obwohl es zu Beginn der Aktion dort „eigentlich ganz normal und nicht besonders schmutzig“ aussah, wie Angelina bestätigt, wächst der Müllberg an der Sammelstelle unter der alten Verladerampe dramatisch schnell an: Ein ganzes Bündel Altkleider, inklusive der langen Socke, liegt dort, die Überreste eines Klappstuhls und das dreibeinige Untergestell eines Grills, jede Menge Kronkorken, Zigarettenkippen, Glasflaschen und Scherben, Dosen und Bauschaumreste. Und auch ein ebenso kurioses wie unappetitliches Fundstück ist dabei: Eine Kamera in Pillenform, wie sie zur sogenannten Kapselendoskopie bei Darmspiegelungen zum Einsatz kommt. Wie ekelig auch immer: Der eingesammelte Abfall wird von den Schülern sortiert, erfasst und gewogen: 2415 Gramm Metall, 1902 Gramm Glas, 2434 Gramm Textilien und 3284 Gramm Plastikflaschen werden es am Ende sein, Letztere allerdings inklusive einem Liter Orangensaft, der noch in einer der Flaschen herumschwappt.
Daten werden wissenschaftlich ausgewertet
Eine dritte Gruppe untersucht Kreisflächen von zwei Metern Durchmesser entlang des Ufers und des Rheinuferweges ganz genau, klaubt dort noch den kleinsten Fitzel Abfall auf und dokumentiert für jede Fläche exakt die entdeckten Müllreste. Die Daten werden jeweils in Tabellen eingetragen. „Hier ist es eigentlich ganz sauber, vielleicht haben die Menschen doch schon ein wenig begriffen“, gibt sich Fiona nach der Untersuchung einer Fläche auf dem Rheinuferweg vorsichtig optimistisch.
Lehrerin und Kursleiterin Michaela Lohmer erklärt, was mit den gesammelten Daten passiert. „Das leiten wir alles an das Institut der Kieler Forschungswerkstatt weiter. Dort werden die Ergebnisse wissenschaftlich ausgewertet. Wir sind damit Teil eines europaweiten Projekts, das sich unter dem Schlagwort ‚Plastic Pirates‘ an Schüler in ganz Europa wendet.“ Jetzt piept ein Handy bei der Gruppe unten am Fluss. 60 Minuten sind vergangen. Zeit, das Spezialnetz aus dem Wasser zu holen. „Ganz schön viel“, so die spontane Reaktion auf das nasse graubraune Fangergebnis in der unteren Spitze des Netzes. „Da sind auch viele Blätter und Stöckchen mit dabei, aber auch größere Plastikfetzen“, sagt Fabian nach einem ersten Blick. „Das Mikroplastik sieht man aber erst so richtig, wenn wir unseren Fang getrocknet haben.“ Den Schülern ist längst klar: Die kleinen Mikroplastikteilchen sind längst ein großer Teil der Umwelt.