Damit kündigt sich auch (erneut) der Abriss des gesamten Areals an – samt dem ortsbildprägenden historischen Haus Walterscheid in der Mühlenbachstraße 40 inklusive der danebenliegenden Fassaden und dem ehemaligen Druckhaus. In der jüngsten Sitzung des Sinziger Bauausschusses hatte sich Hans-Dieter Laubmann (SPD) erschrocken dazu geäußert, dass Walterscheid nun wohl endgültig dicht macht. Bürgermeister Andreas Geron sagte dazu: „Seit der Vorstellung im nicht öffentlichen Bauausschuss in diesem Sommer gab es trotz Nachfrage bei den Investoren keine Antwort auf die Entwicklung des Vorhabens.“ Wie Büroleiter Christian Weidenbach im Nachgang der Sitzung auf RZ-Anfrage bestätigt: „Ein Bauantrag ist uns nicht bekannt. Damit die Stadt agieren kann, braucht sie eine Arbeitsgrundlage.“
Bauantrag in Arbeit
Projektführer für den Neubau der Liegenschaft für die Nova Investment ist Sven Udelhoven von der M-Immo AG Wiesbaden. Er berichtet auf RZ-Anfrage: „Das gesamte Areal mit dem Haus Walterscheid wird abgerissen.“ Derzeit sei man am Feinschliff des Bauantrags und zu 100 Prozent mit dem Bebauungsplan konform. Der Plan: Es sollen dort altersgerechte Wohnungen mit Service und Rezeption entstehen sowie kleinere Geschäfte und einen Veranstaltungsraum für Ausstellungen und Ähnliches. Das Gebäude soll kleinere Ausmaße als der aktuelle Bestand haben und energetisch autark sein.
„Wir haben das Konzept für das altersgerechte Wohnen, bei dem jeder Bewohner seinen Pflegedienst selbst bestimmen kann, mit Unterstützung von Dr. Jürgen Fleischmann vom Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) der Johanniter ausgearbeitet“, erläutert der Projektplaner. Ähnliche Projekte seien in der Kreisstadt und Remagen geplant. Der Neubau werde sich gut in das Stadtbild von Sinzig einfügen.
Industriebrache mit Kultstatus
Die Industriebrache des ehemaligen Druckhauses hatte in den vergangenen Jahren schon Kultstatus gewonnen: Als Location, die mit marodem Charme für Märkte, die Sinziger Musiknacht, Lesungen, Basare, Ausstellungen und zuletzt mit der AHRT.komm überregional Aufmerksamkeit erzeugte. Zu guter Letzt war nach einem Notladen für die Betroffenen der Flutkatastrophe im Ahrtal dort das Sinziger Corona-Impfzentrum untergebracht.
„Ich habe im März die Kündigung von der Eigentümerin, der Kölner Nova Investment Gesellschaft, erhalten. Sie konnte aber dankenswerterweise noch hinausgezögert werden, damit ich das Weihnachtsgeschäft noch mitnehmen kann“, berichtet Thomas Zimmermann auf RZ-Anfrage. Alteingesessene Kunden wissen von der Schließung schon eine Weile. Sie sind geschockt. „Sie sind der Ansicht, so eine Einrichtung dürfe man nicht zumachen“, sagt Zimmermann. Sein Vater Wolfgang Zimmermann hatte das Geschäft im Jahr 1962 von der Vorbesitzerin Else Walterscheid übernommen.
Zimmermann führte Betrieb 40 Jahre
Buchhändler Thomas Zimmermann hatte das Unternehmen seit 1983 über 40 Jahre mit Freude und Herzblut weitergeführt und mittlerweile einen Bürojob gefunden, bei dem er das tut, was er aus kaufmännischen Gesichtspunkten im Hintergrund der Buchhandlung ohnehin getan hat. Seine Ehefrau Hiltrud hat einen Job in Aussicht. „Es wurden mir Alternativen aufgezeigt, aber ich bin nun 63 Jahre alt. So einen Buchladen zu führen, ist ohnehin schwierig genug in der heutigen Zeit“, meint Thomas Zimmermann. „Ich hätte eine komplett neue Ladeneinrichtung gebraucht – das ließe sich auch rein wirtschaftlich nicht mehr darstellen“, fügt er hinzu.
Sein Bruder Christoph Zimmermann, der, wie er sagt, als Verwalter der Immobilie im engen Kontakt mit der Eigentümerin, der Seniorchefin von Nova Investment, Dr. Manijeh Pischnamazzadeh, steht, habe das Gelände auch für diverse Aktionen wie der überregional beachteten AHRT.komm instand gehalten. „Die Stadt hat schlicht versäumt, Gespräche zu führen, es gab meines Wissens keinen Versuch seitens der Wirtschaftsförderung, hier Ansatzpunkte zu finden“, sagt Christoph Zimmermann. Es habe bei der letzten AHRT.komm auch Gespräche mit Landrätin Cornelia Weigand und Sinzigs Bürgermeister Andreas Geron gegeben, doch es gebe eben wegen der Flutkatastrophe andere Problemfelder.
„Offiziell ist die Kündigung an alle Mieter und Nutzer des Geländes zum 30. September ausgesprochen worden. Aufgrund des guten Verhältnisses zur Geschäftsführerin, Frau Dr. Pischnamazzadeh, konnte dies für die Buchhandlung mit einer Geschäftsauflösung im Januar/Februar 2023 abgemildert werden“, so Christoph Zimmermann. Und weiter: „Aus Privatinitiative zusammen mit der AHRT.komm und dem Bürgerforum sind über die Jahre Nutzungsmöglichkeiten für die Liegenschaft entwickelt und auch allen Fraktionen in Sinzig vorgestellt worden. Das ging so weit, dass ein ortsansässiger Architekt gewonnen werden konnte und er eine Planung im Sinne der Initiative entwickelte. Diese Vorschläge finden sich zu großen Teilen im Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzept, dem Isek, wieder.“
Kritik an der Stadt Sinzig
Die Stadt habe in all den Jahren nicht versucht, durch eigene Initiative und Angebote zur Entwicklung des Geländes Einfluss auf den Investor auszuüben. Dies wäre eigentlich spätestens nach der beschlossenen Isek-Planung und den darin dokumentierten Zielen der Bürgerschaft dringend geboten gewesen, so Christoph Zimmermann. Die in der Alten Druckerei stattfindenden Kulturveranstaltungen seien von der Stadt als gut angesehen und auch mit Zuwendungen über das Bürgerforum unterstützt worden. „Aber auch hier wurde übersehen, welche Bedeutung diese überregional bekannten Veranstaltungen für die Stadt haben“, so Christoph Zimmermann.
Isek: Platz von besonderer Bedeutung
Die Liegenschaft wurde im April 2015 privat vom Eigentümer an die Kölner Firma Nova Investment verkauft, nachdem diese seit dem Jahr 2001 leer stand. Ursprüngliche Pläne aus dem Jahr 2016 zum Abriss des Gesamtkomplexes sowie zur Nutzung des Geländes für Wohnbebauung, Ladenlokale oder Arztpraxen wurden bis lang nicht umgesetzt. Damals hatten sich Denkmalschützer für zumindest den Erhalt des geschichtsträchtigen Bauwerks Mühlenbachstraße 40 eingesetzt. „Ein Totalabriss würde für das Stadtbild einen unwiederbringlichen Verlust bedeuten“, so der Standpunkt der Denkmalschützer um Karl-Friedrich Amendt und Volker Gringmuth damals. Karl Friedrich Amendt hatte insistiert: „Es handelt sich um eines der ältesten Gebäude in Sinzig. Der Bauweise nach zu urteilen, wurde es frühestens kurz nach dem Stadtbrand 1785 erbaut, spätestens jedoch 1820.“ Auch die Innenausstattung des Gebäudes zeuge von kunsthistorisch relevantem altem Handwerk. „Allein bei der Treppe handelt es sich um Holzschnitzkunst vom Feinsten“, so Amendt. Das besagte Gebäude wird in dem Standardwerk zu Denkmälern der Region „Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz“ von Provinzialkonservator Paul Clemen erwähnt. Auch ist das Haus in dem „Dehio“, einem weiteren Standardwerk für die Denkmalpflege von Kunsthistoriker Georg Dehio erwähnt. Es steht jedoch nicht unter Denkmalschutz. Architekt Wilfried Erasmy (Bündnis 90/Die Grünen), direkter Nachbar des Areals, hatte damals darauf hingewiesen, dass die Erweiterung des Druck- und Verlagshauses mit Mitteln der Stadtsanierung in Sinzig erfolgt war und der damals angestrebte Abriss desselben Bestandteil eines Antrags zur städtebaulichen Förderung war (damaliger Kostenansatz für den Abriss: 400 000 Euro). Unter anderem gab es in den städtischen Gremien Bedenken wegen der Dimensionen der geplanten Bebauung. Der Komplex wurde dann zwischenzeitlich im Rahmen des Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzepts von dem betreuenden Kölner Büro Cima als eine der Örtlichkeiten mit dem größten Entwicklungspotenzial und als Platz von besonderer Bedeutung benannt. Die Sozialdemokraten sahen es im Jahr 2019 mit einem entsprechenden Antrag so: „Eine städtische Nutzung des Geländes oder eines Teiles davon erweitert die Entwicklungsoptionen für die Kernstadt. Wir denken etwa daran, dass die Stadt in der öffentlich geförderten Region für barrierefreien Tourismus nun als Ankermieter selbst eine barrierefreie Tourist-Info einrichten könnte.“ Auch dem Bedarf an öffentlichen Räumen wie für ein Mehrgenerationenhaus, ein Bürgerzentrum könnte nach dem Dafürhalten der Sozialdemokraten nachgekommen werden. ith