Ortsbürgermeister fordert Unterstützung - Wiederaufbau der Brücken kostet 40,5 Mio.
Altenahr: Wo anfangen beim Wiederaufbau?
Ortsbürgermeister Rüdiger Fuhrmann erläutert, dass der ehemalige Bahnhof von Altenahr, in der die Touristinformation untergebracht war, wieder aufgebaut werden soll. Foto: Hagebölling
Hagebölling

Altenahr. „Mit seiner 1000-jährigen Geschichte und umgeben von einer fulminanten Felsenlandschaft ist Altenahr einer der vielfältigsten Ausflugsorte an der Ahr.“ Mit diesem Slogan wirbt die Touristeninformation des Ortes, die sich bis zur Flut des vergangenen Jahres im ehemaligen Bahnhofsgebäude im Haus des Gastes befand. Die mächtige Flutwelle hat das denkmalgeschützte Gebäude stark in Mitleidenschaft gezogen. Das Wasser stand bis zum ersten Obergeschoss.

Die verheerende Flut hat in den vier Ortsteilen Altenahr, Altenburg, Kreuzberg und Reimerzhoven eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. Ortsbürgermeister Rüdiger Fuhrmann erläutert, wie es mit dem Wiederaufbau in Altenahr voran geht.

„Im Moment sind wir dabei, Ideen zu entwickeln, wie der Aufbau gelingen kann, sowohl was den privaten als auch den öffentlichen Bereich betrifft. Das ist aufgrund der Masse im öffentlichen Bereich sehr schwierig, weil man tatsächlich manchmal den Überblick verliert. Die zentrale Frage ist derzeit: Womit fangen wir an, und welche Projekte haben Priorität. Dazu brauchen wir nach wie vor massiv professionelle Unterstützung in Form von Planungsbüros und Projektsteuerern, die sich mit dieser Dimension auskennen“, sagt der Altenahrer Ortsbürgermeister Rüdiger Fuhrmann.

Infrastruktur hat Priorität

Allein im Bereich der kommunalen Infrastruktur habe die Ortsgemeinde Altenahr 125 Maßnahmen in einer Gesamthöhe von 145 Millionen Euro beim Land Rheinland-Pfalz für den Wiederaufbaufonds eingereicht. Diese große Anzahl der Maßnahmen sei für einen ehrenamtlichen Ortsbürgermeister kaum zu bewältigen, meint Fuhrmann.

Die großen Brocken im Maßnahmenkatalog seien vor allem der Wiederaufbau der Brücken und Straßen. Bei den Brücken sind 19 Maßnahmen in Höhe von 40,5 Millionen Euro in den Maßnahmenkatalog aufgenommen worden. Allein die Wiederherstellung der Brücke in der Altenburger Straße belaufe sich auf rund 8,2 Millionen Euro. Bei den Straßen und Brücken müssten die Menschen noch lange mit Provisorien leben, da deren Bau auch von den Versorgungsleitungen abhängt.

Im Bereich Hochbau belaufen sich die geschätzten Kosten für den Wiederaufbau auf rund 19 Millionen Euro. Darin eingerechnet ist beispielsweise der Wiederaufbau der ehemaligen Schule in Altenahr (4,6 Millionen Euro), des ehemaligen Bahnhofs/Haus des Gastes (2,7 Millionen Euro), des Friedhofs (1,7 Millionen Euro) und der Friedhofshalle (1,5 Millionen Euro). Bezüglich der zerstörten Sportplätze gibt es laut Fuhrmann Ideen, sich mit anderen Gemeinden zusammen zu schließen. Mit Ahrbrück beispielsweise gebe es ohnehin eine Spielgemeinschaft.

480 Häuser sind stark zersört

Von den rund 1950 Einwohnern in Altenahr seien rund 1400 Einwohner durch die Flut betroffen, schätzt der Ortsbürgermeister. Von den insgesamt 660 Häusern in Altenahr sind rund 520 durch die Flut beschädigt und davon 480 stark zerstört. Hiervon müssen etwa ein Drittel, etwa 150 bis 160 Häuser, aufgrund der starken Zerstörung oder Kontamination mit Öl abgerissen werden oder wurden bereits abgerissen. Bei einigen Gebäuden laufe noch die Prüfung durch Versicherungen und Gutachten.

„Ich denke, dass mehr als die Hälfte aller Gebäude sanierbar ist. Doch bei einigen steht noch die Wirtschaftlichkeitsprüfung aus, ob die Sanierung überhaupt sinnvoll ist oder eher ein Neubau“, sagt Fuhrmann. Ältere Menschen würden auch eine Verkleinerung in Betracht ziehen, da es keinen Sinn mache, für viel Geld wieder groß aufzubauen.

Neun Häuser in der Seilbahnstraße dürften nicht wieder aufgebaut werden, da sie sich im gelb markierten Hochwasser-Gefahrenbereich befinden und dort ein Bauverbot herrsche. Die betagten Eigentümer, alle zwischen 70 und 90 Jahre alt, fielen unter sogenannte Härtefallregelung und würden finanziell ohne Wiederaufbau abgegolten, erläutert Fuhrmann.

Altenburg ist sehr betroffen

Im Ortsteil Altenburg sind sogar 95 Prozent aller Häuser so stark zerstört, dass dort derzeit kaum jemand wohnen könne. „Hier in Altenahr sind besonders die Altenburgerstraße, Seilbahnstraße und Tunnelstraße stark betroffen, und dort wohnt auch zurzeit so gut wie niemand. In Kreuzberg war der Bereich ,Im Dangeln' und ,Am Sahrbach' durch das Hochwasser des Sahrbachs stark in Mitleidenschaft gezogen worden sowie die Bahnhofstraße durch die Ahr. In diesen Bereichen können momentan nur sehr wenige Menschen leben, da dort das Wasser fast bis ins zweite Obergeschoss stand“, betont Fuhrmann.

Ältere bauen nicht wieder auf

Die Ortsgemeinde Altenahr war vor der Flut kaum vom demografischen Wandel betroffen, da die Ortsgemeinde auch für ältere Menschen gut aufgestellt war mit einem Seniorenheim, zwei Hausärzten, zwei Zahnärzten und zwei Apotheken. „Das einzige, was fehlte war eine Einkaufsmöglichkeit. Unmittelbar vor der Flut war der Bau eines Lebensmittelmarktes geplant und ein passender Investor bereits gefunden. Das anvisierte Grundstück scheidet nun aus, da es im Gefahrenbereich liegt“, betont Fuhrmann. Wenn es jetzt gelinge, diese Lücke zu schließen, könne Altenahr noch attraktiver werden, und es mache dadurch auch für ältere Menschen Sinn zurückzukehren. Durch die gute Infrastruktur waren vor der Flut die Wegzüge geringer als die Zuzüge.

Dies hat sich nach der Flut stark verändert, denn die über 70-jährigen würden ihre Häuser in den meisten Fällen nicht wieder aufbauen. „Dadurch erleben wir einen deutlicher Rückgang der Einwohnerzahlen von etwa 20 bis 30 Prozent, die wir dauerhaft verlieren werden. In den Konzeptionen des Wiederaufbaus möchten wir für die ältere Bevölkerung Möglichkeiten schaffen, wieder nach Altenahr zurückzukehren und beispielsweise in Alterswohngemeinschaften oder Einrichtungen des betreuten Wohnens ihren Lebensabend zu verbringen“, betont Fuhrmann. Und auch eine der betroffenen Hausarztpraxen und die Apotheke würden am alten Standort nun wieder aufgebaut.

Ersatzflächen sind begrenzt

Bereits im September des vergangenen Jahres hat die Gemeinde Bereiche festgelegt, auf denen neu gebaut werden darf und diese auch nahezu alle von der SGD Nord genehmigt bekommen. Doch aufgrund der topografischen Lage kommen nur etwa 15 bis 18 Grundstücke in Frage, die erschlossen werden können. „Wir müssen sehr genau im Blick haben, wie viele Ersatzbauflächen benötigt werden und wo eine Erschließung überhaupt Sinn macht“, sagt Fuhrmann. Eine Zersiedelung müsse dringend vermieden werden.

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