Bad Neuenahr – Wie kann es sein, dass Fachleute seit den 1990er-Jahren vom deutschen Rotweinwunder sprechen und die Welt noch immer glaubt, dass es hierzulande nur weißen Wein zu trinken gibt?
Um diese Frage zu klären und den Ruf des deutschen Spätburgunders zu mehren, hat Alexander Kohnen, Sommelier und Leiter der Sommelierfachschule „International Wine Institute“ in Bad Neuenahr, dort vor zwei Jahren das erste Internationale Spätburgundersymposium ins Leben gerufen. Bei der zweiten Auflage am vergangenen Wochenende waren erneut 25 deutsche Winzer mit ihren Spätburgundern angetreten, um sich mit fast ebenso vielen Kollegen aus aller Welt zu messen.
Fachleute bescheinigen Weltklasse
Die ebenfalls angereisten rund 40 Fachjournalisten zeigten sich vom Ergebnis der Verkostung mit 180 Spätburgundern aus acht Ländern überwiegend verblüfft. Denn im Punkt Qualität müssen sich die deutschen Spätburgunder schon längst nicht mehr hinter den Pinot Noirs aus Frankreich, Italien oder gar der Neuen Welt verstecken. Da spielen die deutschen Spitzenwinzer nach dem einhelligen Urteil der Fachbesucher inzwischen in der Champions League mit.
Weniger eindeutig fallen dagegen die Vorschläge aus, wie man die erreichte Qualität denn nun unter Kennern weltweit vermarkten soll. Da bemängeln die einen die regionale Unterschiedlichkeit der Weine, in deren Folge es keinen eindeutig wiedererkennbaren „deutschen Rotweinstil“ zu vermarkten gibt. Organisator Kohnen schlägt vor, den Begriff Spätburgunder mit seinen international ungebräuchlichen Tüpfelchen auf dem Etikett endlich durch den international gängigen Begriff Pinot Noir zu ersetzen.
An der Ahr, dem kleinsten deutschen Anbaugebiet, in dem zu 84 Prozent Rotwein – überwiegend Spätburgunder – wächst, hat man dagegen mit einem ganz anderen Problem zu kämpfen: Warum sollte Ahrwein überhaupt in aller Munde sein, wenn es am Ende gar nicht genügend für alle zu trinken gibt?
Es ist ein Luxusproblem, mit dem sich die Ahrwinzer herumschlagen müssen: Ihre Ernte ist meist binnen einem Jahr ausverkauft. Die Kunden kommen ins Weingut und kaufen die Keller leer – ganz ohne dass die Winzer mit ihren Flaschen in ferne Länder ziehen müssen.
Der Erfolg der Direktvermarktung sollte ihnen dennoch zu denken geben, findet die Fachjournalistin und angehende „Master of Wine“ Anne Krebiehl, die im Rahmen des Symposiums am Samstag einen beeindruckenden Vortrag hielt. „Durch die Direktvermarktung ist der überwiegende Teil Ihres Weines getrunken, ohne dass irgendwer davon erfährt“, beschrieb sie die derzeitige Situation und forderte die anwesenden Winzer auf: „Teilen Sie ihn mit dem Rest der Welt!“
Im Falle der Ahr hieße das allerdings, Spätburgunder vom deutschen Markt abzuknapsen, weil die verfügbaren Flächen bepflanzt sind und sich die Produktion daher kaum noch steigern lässt. Eine Aussicht, die die hiesige Kundschaft wohl ebenso wenig freuen dürfte wie das Fazit von Nadia Fournier, Journalistin aus Kanada: „Ich bin so froh, den Ahrwein endlich entdeckt zu haben. Die Winzer hier haben den richtigen Geist, das Klima, den Boden, die Trauben. In fünf Jahren werden die Preise für ihre Weine sicher durch die Decke gehen.“
Zeit der Wuchtbrummen ist vorbei
Definitiv gestiegen dürfte nach diesem Symposium das Selbstbewusstsein der deutschen Winzer sein. „Wie man Pinot Noir macht, wissen wir inzwischen, jetzt geht's um Stil und Eigenständigkeit“, resümierte Hanspeter Ziereisen aus Baden. In Sachen Stil war und bleibt das Burgund tonangebend. Und so geht der Trend weg von den Wuchtbrummen mit vordergründiger Frucht, starker Holznote und hohem Alkoholgehalt hin zu leichteren, eleganteren Weinen, wie es sie in der französischen Vorbildregion zu kaufen gibt.