Warum die Erneuerung durchs Kesselinger Tal nicht so schnell kommt - Das wollen Anwohner und Ortsbürgermeister
Ärger über „erbärmlichen Zustand“ der L85: Warum die Erneuerung durchs Kesselinger Tal nicht so schnell kommt
Guido Schmitz, Ortsbürgermeister in Kesseling, an einem Straßenabschnitt der Landesstraße L 85, auf dem aufgrund der Straßenschäden Tempo 50 km/h gilt. Bei der anstehenden Sanierung der Regenwassereinläufe sollte nach seiner Meinung die desolate L 85 mit saniert werden. Foto: Frank Bugge
Frank Bugge

Schlaglöcher, Flickenstücke, Tempo 50: Eigentlich hätte die L85 bei Kessling eine Sanierung dringend nötig, doch der Landesbetrieb Mobilität sieht das anders.

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Das Ergebnis hatten sich Adelheid und Manfred Bäcker (Name von der Redaktion geändert) anders vorgestellt. Seit 33 Jahren pendeln sie in ihrer freien Zeit von ihrer Wohnung in Bonn aus mit dem Auto ins Wochenendhaus in Cassel. Die 50 Kilometer führen über die Autobahn und über Kalenborn ins Ahrtal. Ab Ahrbrück geht es neun Kilometer auf der Landesstraße L85 durchs Kesselinger Tal bis Niederheckenbach. Es folgen fünf Kilometer auf der Kreisstraße 56 zum Wochenenddomizil. Eine meist wenig erfreuliche Anreise.

Mit einer freundlichen Dreizeiler-E-Mail an die Verbandsgemeinde Altenahr und den für die Straße zuständigen Landesbetrieb Mobilität (LBM) machten die Bäckers „auf das seit Jahren größer werdende Problem“ aufmerksam. „Seit langer Zeit beklagen wir, ebenso wie viele andere Bürger, den sehr schlechten Straßenzustand der Landstraße Kesseling-Staffel-Heckenbach. Man ist auf dieser Strecke gezwungen, unaufhörlich und kilometerlang durch Schlaglöcher und über schadhafte Flickenstücke zu fahren. Dies schadet den Fahrzeugen und auch den Insassen – selbst bei langsamer Fahrt“, so ihre Beschreibung. „Wir bitten Sie, die Sanierung möglichst bald durchzuführen“, folgt eine höfliche Aufforderung.

Sanierung weiterhin fraglich?

Der LBM antwortete kurzfristig, erläuterte die Bewertungs-, Einstufungs- und Finanzierungsverfahren und kündigte die Sanierung von Abschnitten der schmalen L 85 an. Fazit von Manfred Bäcker: „Ich verstehe das so, dass die Sanierung weiterhin fraglich ist. Sie würde möglicherweise auf eine lange Zeitschiene gesetzt wird – vier oder mehr Jahre ? Bis dahin wäre weiterhin die Straßenmeisterei für die Reparatur von Schadstellen zuständig. Dies macht nicht zufrieden.“

Guido Schmitz, seit 2015 Ortsbürgermeister der knapp 600 Einwohner zählenden Gemeinde Kesseling mit den Ortsteilen Kesseling (Ortsdurchfahrt L85) und Staffel (Ortsdurchfahrt L85) sowie Weidenbach, nimmt das Thema „Zustand L85“ (Ahrbrück-Rammersbach: 17 Kilometer) gern auf. Es geht ihm wie Bürgermeistern anderer Orte auch, die mit dem Zustand von viel befahrenen und wichtigen Landes- und Bundesstraßen, mit Schlaglöchern, verworfenen Fahrbahnen, abbrechenden Straßenrändern, Flickschusterei oder mit den lärmenden Rasern hadern, und sich wie der Kesselinger Schmitz um die Sicherheit von Fußgängern und Schulkindern sowie um dem Schutz von Radfahrern sorgen.

Radweg hat oberste Priorität

„Sie ist in einem erbärmlichen Zustand“, sagt Schmitz im RZ-Gespräch zur L85 und holt einen zweiseitigen „Beschluss von Sofortmaßnahmen zur Entschärfung der Verkehrssituation“ hervor, einstimmig verabschiedet vom Gemeinderat bereits im November 2017. Vom Zehn-Punkte-Programm wurden die Tempolimits in den engen Ortslagen ohne Gehwege von Kesseling und Staffel umgesetzt, wo Pflanzbuchten zusätzlich an (Schul-)Bushaltestellen bremsen.

Ich versuche eine Lösung zu finden, die für die Straßennutzer akzeptabel ist.

VG-Bürgermeister Dominik Gieler

Noch offen ist ein elementares Thema für Kesseling: Radwege für Schulkinder und für den Alltagsverkehr zum Einkaufen nach Ahrbrück und den (Rad-)Tourismus durchs Kesselinger Tal. Bislang muss über die holperige, kurvige und schmale Landesstraße geradelt werden. Die teilen sich die Radler mit Auto-, Sportwagen und Motorradfahrern, die auf einer für sie landschaftlich interessanten Nebenstrecke durchs Kesselinger Tal hoch zum Nürburgring und zu seinen Veranstaltungen wollen. „Viel Verkehr, viel Lärm“, fasst Schmitz für die Kesselinger zusammen, die sich „Silent Rider“ angeschlossen haben, der Initiative gegen unnötigen Motorradlärm.

Tempo wurde immerhin reduziert

In Sachen Radwege hat es im April 2019 und im Juli 2024 zwei Fahrraddemos von Eltern mit Kindern durchs Tal gegeben, angeregt von der Initiative Fahrradfreundliches Ahrtal und dem Klimastammtisch Ahr. Auch deshalb ist der Bau einer Alltagsverbindung durch das Kesselinger Tal parallel zur L 85 auf Platz eins von zehn Maßnahmen im Radverkehrskonzept der Verbandsgemeinde Altenahr vom Juni 2023. Unklar sei, ob ein Weg direkt an der Straße gebaut werden könne oder ob parallel verlaufende Wirtschaftswege genutzt werden können.

Als persönlichen Teilerfolg für die Radfahrer-Sicherheit wertet es der Ortsbürgermeister, dass in einer S-Kurve zwischen Kesseling und Ahrbrück das Tempo auf 70 km/h reduziert wurde. „Nach einem Unfall“, so Schmitz, der samt Gemeinderat das Limit gern für die gesamten 5,6 Kilometer zwischen Ahrbrück und Staffel hätte. In der Ortsdurchfahrt von Staffel wurde an der L85 groß gebaut. Gemäß langfristiger Planung des Landes. Die Straßen-Stützwand zum Bach aus den 1950er-Jahren hatte „erhebliche Altersschäden“ und Sicherheitsprobleme, wie der LBM mitteilte. Auf 280 Metern und damit für die Hälfte der Ortsdurchfahrt gab es neue Gehwegkappen aus Beton und ein neues Füllstabgeländer. Auf zirka 300 Metern wurde die Ortsdurchfahrt erneuert. Das alles kostete das Land eine Million Euro.

Kein Geld für Flut-Kollateralschaden

Die Baustelle hatte nichts mit der Beseitigung von Schäden der Flutkatastrophe vom 14./15. Juli 2021 zu tun, wie Ortsbürgermeister Schmitz erläutert. Gut drei Kilometer vom Katastrophenfluss Ahr entfernt hat es im zweitgrößten Zulauftal der Ahr Schäden von 24,3 Millionen Euro gegeben: Betroffen waren unter anderem 16 Brücken, sieben Straßen und drei Plätze. Zudem sind rund 13 Millionen Euro für Uferbefestigungen an Bächen sowie für die Bachverrohrung und die Sanierung der Wirtschaftswege angemeldet. Derzeit laufen erste Arbeiten für 75 000 Euro an einem Durchlass des Heckenbachs durch die L 85 bei Staffel.

Ortsbürgermeister Schmitz hätte gern beim Wiederaufbau auch die gesamte L 85 erneuert. Zum zweiten Jahrestag der Flut im Juli 2022, hat er einen zweiseitigen Brief an Ministerpräsidentin Dreyer, Verkehrsministerin Schmitt und Wiederaufbau-Staatssekretärin Steingaß geschrieben. Die Landesstraße als eine der wenigen Straßen ins Flutgebiet Ahrtal, „ohnehin in schlechtem Zustand“, sei durch den Schwerverkehr der Helfer und die Hilfstransporte mit unzähligen 40-Tonner-Lkw sowie schwerem Militärgerät der Bundeswehr „nunmehr in einem desolaten Zustand“. Schmitz räumt ein, dass die Straße selbst „nur“ am Wollstockgraben überflutet war – dort allerdings bei Starkregen immer wieder überflutet wird. Er kritisiert: Im Flutgebiet Ahr würden andere Straßen „in einem wesentlich besseren Zustand“ erneuert.

Lösung soll noch gefunden werden

Der indirekte Flutschaden an der Straße als Kollateralschaden werde nicht bezahlt, da die L 85 nach der Flutkatastrophe nicht als „offizielle Umleitung“ ausgewiesen worden sei, so die Straßenbauverwaltung. „Daran hat doch keiner gedacht, als es darum ging, dem Ahrtal zu helfen.“ Auf die Bitte aus Kesseling, die Sanierungsmöglichkeit der L 85 nochmals zu prüfen, hat Schmitz bisher keine Antwort erhalten. Auch das Ehepaar Bäcker will am Thema dran bleiben, ebenso wie VG-Chef Dominik Gieler. „Ich versuche eine Lösung zu finden, die für die Straßennutzer akzeptabel ist“, meldete sich der VG-Bürgermeister zu Wort.

Nichts im Bauprogramm 2025/26

Konkrete Bauarbeiten an der L 85 sind im Bauprogramm Landesstraßen 2023/24 aufgeführt: Unter den elf Projekten im Kreis Ahrweiler sind Ausgaben von 600 000 Euro für die Stützwand der L 85 in Staffel vorgesehen. Im Programm 2025/26 ist unter den 13 Straßenbaupositionen für den Kreis Ahrweiler die L 85 nicht zu finden. Das 25-seitige Investitionsprogramm 2024-2028 des Landes, das 740 Ausbau- oder Sanierungsprojekte auflistet, weist ohne Zeitangabe 500 000 Euro für einen Abschnitt Heckenbach-Rammersbach sowie offenbar die eine Million Euro aus, die insgesamt bereits 2024 in Staffel verbaut wurde.

Eine Rennstrecke zur Rennstrecke

Ein besonderes Augenmerk hat Ortsbürgermeister Schmitz auf die Landesstraße L90. Die zweigt im engen Kesseling von der L85 ab und führt etwa 9,4 Kilometer lang durch das Weidenbachtal bis nach Kaltenborn. Von hier geht es zum Nürburgring. Viele Sportwagen und Motorradfahrer, die sich vor ihrer Tour informiert haben oder sich auskennen, nutzen diese Straße als flotte Zufahrt zum Ring. Auf der schmalen Fahrbahn, die wegen ihrer geringen Breite keinen Mittelstrich hat, gilt weitgehend das reguläre Tempolimit von 100 km/h auf Landstraßen. Das sei gefährlich, nicht nur im Begegnungsverkehr. Eine Rennstrecke zur Rennstrecke. Nach Meinung von Guido Schmitz müsste zwischen Kesseling und Thomichshof eine Beschränkung auf 70 km/h erfolgen – am liebsten und „sinnvollerweise“ in Abstimmung mit den Gemeinden auf der gesamten L90. An der Abzweigung mit Bushaltestelle nach Weidenbach gilt bereits 50 km/h. fbu

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