Doch oft ist das Gros des potenziellen Baulandes in privater Hand und als zukünftiger Standort für Kinder oder Enkel vorbehalten und deshalb nicht nutzbar. So auch in Ahrbrück, wo es laut Ortsbürgermeister Walter Radermacher zurzeit kein verfügbares Bauland gibt. Doch die 1200 Einwohner starke Gemeinde hat Glück im Unglück.
Das Glück zeigt sich in Form des traditionellen Familienunternehmens Brohl Wellpappe. Auch wenn der Hauptsitz des Unternehmens inzwischen in Mayen liegt, verfügt die Firma in Ahrbrück über ein weitläufiges Firmengelände, das zurzeit als Fertigwarenlager für rund 3500 Paletten und als Standort für die firmeneigene Kfz-Werkstatt benutzt wird. Durch die Flutkatastrophe und die daraus entstehende Notlage der Betroffenen haben Geschäftsführer Max Boltersdorf und seine Geschwister der Gemeinde ein großzügiges Angebot gemacht. Für die symbolische Kaufsumme von einem Euro gehen die 60.000 Quadratmeter Fläche in Gemeindehand über.
Innerhalb von drei Jahren soll am Standort Mayen ein Hochregallager gebaut werden, doch bis dahin müssen das Fertigwarenlager und die Kfz-Werkstatt woanders untergebracht werden, was die Firma etwa 250.000 Euro pro Jahr kosten wird. Trotz negativer Erfahrungen, die das Familienunternehmen laut Boltersdorf in der Vergangenheit mit Orts- und Verbandsgemeinde sowie dem Kreis wegen des Standorts Ahrbrück gemacht habe, „fühlen wir uns als Familie Boltersdorf mit der Region und den Menschen sehr verbunden, auch viele der heutigen Mitarbeiter wohnen noch immer hier“, so der Geschäftsführer. Aus diesen Gründen sowie der „furchtbaren Zerstörung und des unfassbaren Leids“ habe man sich entschlossen, der Gemeinde und der Region zu helfen.
„Ein absoluter Glücksfall“, freut sich Radermacher über das großzügige Angebot der Familie Boltersdorf und hat auch schon zahlreiche Ideen, was mit der Fläche gemacht werden kann. So kann er sich auf der einen Seite des zweigeteilten Geländes ein kleines Gewerbegebiet vorstellen, während der übrige Teil für die Wohnbebauung vorgesehen ist. Rund 25 bis 40 Bauplätze seien möglich, je nach Bebauungsart, denn es sind auch Mehrfamilienhäuser vorgesehen. Man habe hier die Chance, ein Modellprojekt zu realisieren, so Radermacher, beispielsweise mit Geothermie. Die Vision beinhaltet auch soziale Belange wie betreutes Wohnen oder Begegnungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche. Da die Ortsgemeinde das Projekt allein nicht stemmen kann, habe man Hilfe beim Innenministeriums in Mainz angefragt, nachdem der Gemeinderat dem Projekt zugestimmt habe, so der Ortschef. Zurzeit soll in einer Machbarkeitsstudie geprüft werden, was möglich ist.
Doch Radermacher ist zuversichtlich, es muss ja weitergehen in der Gemeinde, die zu den von der Flut stark betroffenen Gemeinden zählt und neben massivem materiellen Schaden auch neun Todesopfer zu beklagen hat. Zehn Häuser seien von den Wassermassen mitgerissen worden, die Zukunft von 20 bis 30 Häusern sei noch ungewiss. Ebenso wie die zukünftige Flutlinie, die von allen Einwohnern mit Hochspannung erwartet wird. Unterdessen hat die Gemeinde bereits 1,2 der 1,4 Millionen Euro Spendengelder an die Betroffenen ausgezahlt und wird dies auch weiter tun, „bis wir am Boden der Kasse angekommen sind“, verspricht Radermacher.