Wenn am kommenden Wochenende geschätzte 90.000 Besucher ihre Zelte unweit des Festival-Geländes zum 40. Geburtstag von Rock am Ring (RaR) aufschlagen, dann dürfte der überwiegende Teil der „hochgradig Verrockten“ noch gar nicht auf der Welt gewesen sein, als Joe Cocker, U2 und Marius-Müller Westernhagen zum ersten Mal lauthals ihre Akkorde in die Eifel-Wälder hämmerten. 75.000 Besucher sollen es schon beim ersten Mal, nämlich 1985, gewesen sein. Einer der ganz wenigen aus der Region, der immer dabei war – und das in verantwortungsvoller Position – ist der Müllenbacher Karl Mönig. In diesem Jahr wird er 75. Ein Mann wie ein aufgeschlagenes Buch. Einer, der die Anekdoten und Episoden im gleichen Takt aus dem Ärmel schüttelt, in dem etwa Toten Hosen regelmäßig den Ring zum Leben erwecken.
„Es war alles noch ein wenig kleiner in den Anfängen“, erzählt Mönig, der als kaufmännischer Angestellter in der Automobilbranche in regionalen Autohäusern für die Logistik zuständig war. „Es war zunächst verboten, auf den Nürburgring-Parkplätzen zu parken und auch zu campen. Die Gäste durften nur bis zu einem privaten Campingplatz fahren. Die Zufahrten zu den Parkplätzen am Ring mussten wir sperren.“ Das war mit steigenden Besucherzahlen aber alles nicht mehr aufrecht zu erhalten. „Der Campingplatz-Besitzer war clever, ließ die Gäste, die auf seinen Platz fahren, bezahlen – und öffnete dann den Zaun zum Nürburgring-Parkplatz C2.“
„An jedem Einlasspunkt drängten mich meine Mitarbeiter, die die Taschen voller Geld hatten, alles mitzunehmen.“
Karl „Charly“ Mönig
Karl Mönig, in Müllenbach „Charly“ genannt, war schon als Jugendlicher in den 1960er-Jahren mit dem Ring aufgewachsen. An den Nebeneingängen zur Südschleife stand er früh als Kassierer und Karten-Kontrolleur. Dass man ihn dann als Mittdreißiger mit in die Organisation der neuen Großveranstaltung einband, lag auf der Hand. Mönig hatte jede Menge Mitarbeiter im Vorfeld des Festivals, wenn die vielen Rock-Fans anreisten.
Er erinnert sich: „Da wir Parkgebühr und Müllpfandgebühr erheben mussten, kam für damalige Verhältnisse viel Geld zusammen.“ Es gab ja noch kein System, mit dessen Hilfe man im Voraus hätte zahlen können. Alles ging an Ort und Stelle über die Bühne. Und alles in bar.
Mit Kartons voller Geld zur Sparkasse
An jedem Einlasspunkt, erzählt er, „drängten mich meine Mitarbeiter, die die Taschen voller Geld hatten, alles mitzunehmen.“ Was er dann auch tat. Als Logistiker oblag es ihm zudem, seine Mitarbeiter an den Einlasspunkten ständig mit neuen Camping- und Müllpfandkarten zu versorgen. „Oft war ich bis nachts um 2 Uhr unterwegs, habe das ganze Geld in meinem Elternhaus abgestellt, wo meine Eltern die Scheine dann am nächsten Tag serienmäßig ordneten. Ich musste ja morgens wieder zur Arbeit.“
Unvorstellbar heute im Online-Zeitalter, dass Mönig tags darauf mit den eingenommenen Abschlagszahlungen im Karton gegenüber zur Kreissparkasse ging und dort alles einzahlte. Ein ungeheurer Vertrauensvorschuss: „Es war mir zeitlich unmöglich, die Summe in bar vorher noch zu zählen.“ In einem Jahr, erinnert er sich, „waren es etwas über 100.000 Mark, die ich insgesamt eingenommen hatte.“
75.000 Mark im Wäschekorb
Irgendwann in den 1980er-Jahren, also in der Anfangszeit von Rock am Ring, hätten ihm bei der Abrechnung mit dem Nürburgring 75.000 Mark gefehlt. Trotz zweimaligen Nachrechnens vor Ort mit dem damaligen Finanzchef am Ring sei die Summe nicht wieder aufgetaucht. „Der Herr Rosenzweig, über den der ganze Zahlungsverkehr am Ring lief, sagte dann, wir lassen das jetzt mal zwei Tage ruhen – und dann entscheiden wir, wie wir vorgehen.“
Im Haus Mönig herrschte natürlich helle Aufregung: „Meine Frau meinte, ich müsste jetzt ein Leben lang ohne Lohn für den Nürburgring arbeiten.“ Schließlich klärte sich die ganze Geschichte doch noch auf. Die fehlende Summe fand sich in einem Wäschekorb wieder, wo Mönigs Frau sie deponiert hatte.

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Wenn Mitte der Woche die Rockfans wieder in die Eifel in friedlicher Mission einfallen, dann wird Karl Mönig wie immer in verantwortungsvoller Mission mit 80 Mitarbeitern dabei sein. „Ich habe den Leuten am Ring gesagt, dass das in diesem Jahr vielleicht das letzte Mal der Fall wäre. Immerhin würde ich ja 75. Aber sie wollen mich nicht gehen lassen und setzen auf meine Erfahrung.“
„Mittlerweile sind die Rock-am-Ring-Leute unsere besten Gäste, freundlich und höflich.“
Karl „Charly“ Mönig
Vieles habe sich in vier Jahrzehnten geändert. „Der Park- und Zeltbereich war zeitweise ein rechtsfreier Raum. An meinem Auto wurde die Antenne abgebrochen, wenn ich zur Kontrolle unterwegs war. Ein paar Bekloppte sind auch mal über mein Auto einfach drüber gelaufen, und es kaum auch schon mal vor, dass Dixi-Toiletten einfach umgekippt wurden. Es war ja keine Security vor Ort.“
Schließlich sei die Zeit gekommen, als Parken und Campen getrennt wurden. Und die Veranstaltung fand nicht mehr unbedingt am Pfingst-Wochenende statt. „Ich dachte damals, das sei das Ende von Rock am Ring. Dann würden viele nicht mehr kommen. Aber das Gegenteil war der Fall. Mit der Umstellung kam ein ganz anderes, ein besseres Publikum.“ Mittlerweile seien die RaR-Leute „unsere besten Gäste, freundlich und höflich“. Und „Charly“ Mönig aus Müllenbach wird sie auch in diesem Jahr wieder mit seinem Team von Mitarbeitern empfangen. Wie seit 40 Jahren.