Die Frau mit Behinderung, die gern anonym bleiben möchte, stand in der Flutnacht in ihrer Wohnung an der Sebastianusstraße der Kreisstadt bis zur Brust im Wasser. Mit der Flut verlor Bettina S. (Name von der Redaktion geändert) nicht nur ihre Wohnung, sondern auch ihre Dienststelle in Ahrweiler. Seit ihrem Sonderschulabschluss 1979 hatte sie immer in der Küche eines nahen Seniorenstifts gearbeitet. Doch auch das Seniorenheim wurde von der Flut beschädigt. „Die Dienststelle wird voraussichtlich nach der Sanierung erst Mitte des Jahres 2024 wieder einen Platz für Bettina haben“, erzählt deren Nachbar Detlef Odenkirchen im Gespräch mit unserer Zeitung.
Bettina habe nach der Flutnacht eine Traumata-Behandlung abgeschlossen und sei anschließend wieder in den Arbeitsmarkt integriert worden und in einer Dienststelle im Kreis Mayen-Koblenz untergekommen, konkret im etwa 40 Kilometer entfernten Ochtendung. Bettina S. muss nun immer mit dem Taxi nach Ochtendung fahren, da sie wegen des Behinderungsgrades keinen Führerschein machen kann. Ihr Nachbar hatte sich darum gekümmert, dass sie eine finanzielle Unterstützung bei den Fahrtkosten erhält, um ihre Teilhabe am Arbeitsmarkt weiter zu ermöglichen. „Es wäre sicher nicht gut für sie gewesen, wenn sie im Fall einer Frühverrentung keinen geregelten Arbeitstag und keine Struktur mehr gehabt und nur zu Hause herum gesessen hätte. Das ist für einen Menschen mit Behinderung besonders problematisch“, betont Odenkirchen.
Versicherung übernimmt 90 Prozent
So waren einige Formulare auszufüllen, und es dauerte vier Monate, bis die Bewilligung seitens der Deutschen Rentenversicherung kam, dass sie von den rund 3000 Euro Taxikosten 90 Prozent übernimmt. Die Krux dabei ist nur: Die gesetzliche Regelung besagt, dass Bettina S. 10 Prozent der Kosten, also 300 Euro, selbst tragen muss. Und das bei ihren knapp bemessenen Bezügen von rund 1500 Euro im Monat. „Abzüglich der Miete von 620 Euro und der Nebenkosten bleiben ihr zum Leben noch 580 Euro“, betont Odenkirchen, der auch CDU-Kreistagsmitglied ist.
Er beklagt: „Diese Frau hat sich seit mehr als 40 Jahren selbst als Arbeitnehmerin versorgt und den Staat noch nie Geld gekostet, nun muss sie als von der Flut Betroffene für ihre Teilhabe am Arbeitsmarkt bezahlen und gerät so gleichzeitig in Armut.“ Odenkirchen betont, dass Bettina S. seit 1979 mit ihrer Arbeit mit dazu beiträgt, dass die Gesellschaft funktioniert und ihren Beitrag in die allgemeine deutsche Rentenkasse einzahlt. Da zweifelt Odenkirchen doch daran, dass alles richtig und rechtens läuft.
Das sagt die Deutsche Rentenversicherung
Die Deutsche Rentenversicherung in Speyer hat auf unsere Nachfrage folgende Stellungnahme abgegeben: „Auch Mobilitätshilfen zählen zu den umfangreichen Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie sind unter anderem gedacht für Menschen, die wegen Krankheit oder Behinderung ihren Arbeitsplatz nicht aus eigener Kraft erreichen können. Meist hilft die Rentenversicherung mit einem Zuschuss für die Anschaffung eines Autos, wobei die Betroffenen die Betriebskosten tragen.
Aus dem gleichen Grundgedanken übernimmt die Rentenversicherung die Kosten für einen Beförderungsdienst für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz. In Betracht kommt der Beförderungsdienst für Menschen, die wegen ihrer Behinderung nicht in der Lage sind, selbst Auto zu fahren. Wie hoch der Anteil der Rentenversicherung ist, hängt vom Einkommen der Betroffenen ab. Das können bis zu 100 Prozent der Kosten sein. Da der Grundgedanke beim Zuschuss für die Anschaffung eines Autos und der Kostenübernahme für den Beförderungsdienst gleich ist, gilt für den Beförderungsdienst: Die Betroffene darf nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden als beim Zuschuss. Deshalb muss die Betroffene auch beim Beförderungsdienst einen Eigenanteil leisten, der vergleichbar mit den selbst zu tragenden Betriebskosten beim Auto ist.
Das ist gesetzlich so festgelegt und wir haben da leider keinen Spielraum – mit einer Ausnahme: Nur wenn es dem behinderten Menschen unzumutbar ist, die ihm verbleibenden Kosten zu übernehmen, weil er sonst sozialhilfebedürftig würde, können weitere Leistungen erbracht werden. Wir können gut verstehen, dass der Eigenanteil von Betroffenen als finanzielle Belastung empfunden wird – vor allem dann, wenn vom Wohn- zum Arbeitsort eine größere Strecke zurückzulegen ist. Wir meinen aber, dass sich die Leistung insgesamt sehen lassen kann – wenn man bedenkt, dass es vielen behinderten Menschen so erst möglich wird, einen Arbeitsplatz auszuüben und sich eine eigene wirtschaftliche Existenz aufzubauen.
Uns ist bewusst, dass gerade Opfer der verheerenden Flut im Ahrtal vor der Frage stehen, wie sie die Folgen finanziell verkraften können. Die Rentenversicherung tut hier, was sie innerhalb ihres Leistungskataloges tun kann. Für die Übernahme von Aufwendungen, die darüber hinausgehen, empfehlen wir eine Anlaufstelle für Flutopfer zu kontaktieren, die vielleicht den Weg zu weiteren Hilfen aufzeigen kann.“ ith