Bad Neuenahrer Hoteliers Christian Lindner und Günther Uhl halten kurzfristige Konzepte für den Tourismus unabdingbar - Geduld ist weiterhin gefragt
269 Tage nach der Flut: Ahrtal darf keine Tabuzone für Touristen werden
Das Ahrtal darf nicht zu einer touristischen Tabuzone werden. Dafür wird auch auf der Internetseite geworben. Fotos: Vollrath
Hans-Jürgen Vollrath

Ahrtal. 269 Tage sind an diesem Samstag seit der verheerenden Flutnacht im Ahrtal vergangen. Große Teile der Genuss- und Wanderregion sind über Nacht zerstört worden. Nun, da die Tage länger und die Sonnenstrahlen intensiver werden, beginnt für das Ahrtal eigentlich eine Jahreszeit, in der es in den vergangen Jahrzehnten mit all dessen zahlreichen Facetten brillieren konnte. Doch wie schaut es heute kurz vor dem anstehenden Saisonstart aus?

Bleibt das Tal an der Ahr eine beliebte Tourismusregion? Ein Besuch auf der Homepage des Ahrtals lässt nur einen Entschluss übrig: Ja! So wirbt der Ahrtal-Tourismus Bad Neuenahr-Ahrweiler damit, dass sich ein Besuch trotz der Verwüstungen und Zerstörungen lohne. Denn die Landschaft sei vielfach unberührt und wunderschön. Auch zahlreiche Wanderwege seien unbeschädigt. Dem ehrenamtlichen Vorsitzenden der Ahrtal-Touristik, Christian Lindner, macht dies Mut: „Die Region hat ihren Charme mit den Weinbergen, den Winzern und der ganzen Kulinarik ja nicht gänzlich verloren. Auch viele Betriebe sind nicht oder nur zum Teil betroffen.“

Und was ist mit den Teilen des Tals, die deutlich von der Flut gezeichnet sind? Sie sollen schon jetzt ebenfalls genutzt werden, um Touristen in die Region zu holen. Das findet zumindest Günther Uhl, Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Rheinland-Pfalz für den Kreis Ahrweiler: „Wir brauchen Touristiker, die den jetzigen Zustand nicht als Katastrophe, sondern als Fortschritt überbringen können.“

Geschichte rund um Flut erzählen

Dazu sei es wichtig, die Gäste nicht „frei durch die Region laufen zu lassen“, denn da „sieht es teilweise so aus wie nach der Apokalypse“. Stattdessen sollten nach dem Empfinden von Uhl „Geschichten rund um die Flut“ erzählt werden. In dieselbe Kerbe schlägt auch Lindner. Er spricht von Gästeführungen, in denen „der Wiederaufbau begleitet“ und anhand von beispielsweise Baustellenführungen „der Fortschritt miterlebt“ werden kann.

Dieser Fortschritt ist momentan an der Ahr in Bad Neuenahr-Ahrweiler, wo sowohl Uhl als auch Linder deren eigene Hotels führen, nicht zu erkennen. Für Uhl ein Unding. Seit Winter sieht der 63-Jährige keine wirklichen Fortschritte mehr. „Ohne die vielen freiwilligen Helfer kurz nach der Flut wären die Auswirkungen noch schlimmer gewesen – man kann allen nur danken. Doch seit Winter hilft keiner mehr. Wir sind größtenteils auf uns alleine gestellt. Hilfen von der ISB (Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz, Anm. d. Red.) – ,die es widersprüchlich anders kommuniziert – und anderen Stellen dauern zu lange.“

Christian Lindner, Vorsitzender des Ahrtal-Tourismus, hat ebenso wie seine Kollegen mit dem Wiederaufbau seines Hotels zu kämpfen.
Vollrath

Und der Betreiber des Hotels Krupp wird anhand seiner Bezugnahme auf eine Umfrage, die der Ahrtal-Tourismus im Winter mit den Dienstleistern aus der Region durchgeführt hat, deutlich. Die Umfrage sollte herausfinden, wie viele bereit sind, weiterzumachen und das Unternehmen wieder aufzubauen: „Damals haben 90 Prozent gesagt, sie machen weiter. Ich bin mir sicher: Heute würden dies höchstens noch 70 Prozent behaupten.“

Lindner und Uhl jedenfalls scheinen genügend Ideen zu haben, den Tourismus im Ahrtal wiederzubeleben. „Unser Geschäftsführer Christian Senk sagt es immer so treffend: Es ist derzeit eine Chaoszeit“, berichtet Lindner und wird genauer: „Wir sind viel am diskutieren und eruieren, haben mit Externen ein Positionspapier für unsere Tourismus-Strategie erarbeitet und aufgezeigt, welche finanziellen Mittel wir benötigen.“ Seitdem das Positionspapier im Januar an das Ministerium und andere Behörden abgegeben wurde, warte man in der Destinationsmarketingorganisation auf Antworten der zuständigen Behörden. „Immerhin“, so der 39-jährige Vorsitzende, „hat die Stadt für dieses und nächstes Jahr bereits Gelder bewilligt.“

Unfallsicher aufbereitete Fußgängerzonen

Immerhin ein Anfang, auf weitere finanzielle Unterstützer wird gewartet. Für das Empfinden von Uhl rennt die Zeit: „Alle Besucher, die ihren Grundbedürfnissen in den nächsten Wochen und Monaten nicht nachgehen können, kommen nie wieder.“ Der langjährige Hotelier denkt dabei an unfallsicher aufbereitete Fußgängerzonen, saubere Toilettenanlagen mit Waschbecken sowie Strom und Wasser an bestimmten Orten. Zum Beispiel dort, wo Treffpunkte entstehen können oder wo Gastronomen ihre Kneipen, Restaurants oder Winzerstände aufmachen wollen.

„Die müssen gewisse Rahmenbedingungen und eine Infrastruktur vorfinden, mit denen sie den Gästen auch etwas bieten können“, so Uhl. Dass bei Weitem noch nicht alle ihre Betriebe öffnen können, sei Uhl bewusst, doch diejenigen, die aufmachen wollen, sollen dies tun. „Wir brauchen einen Tourismus der unterschiedlichen Geschwindigkeit“, nennt es Uhl.

Bei allen Problemen, die die ehrenamtlichen Funktionäre ansprechen, sind beide auch zuversichtlich, dass das Ahrtal wieder eine Region sein wird, die Touristen lockt. Ein Aspekt ist Lindner dabei besonders wichtig. „Eins hat uns die Flut angespült“, geht Lindner aufgrund des Wortspiels ein zaghaftes, weil zurückhaltendes Lächeln über die Lippen, „eine große Bekanntheit. Es gibt viele Menschen, die eine emotionale Bindung zum Ahrtal aufgebaut haben. Diese müssen wir als Multiplikatoren nutzen. Es wird viele geben, die diese Region bei der Entwicklung begleiten wollen.“

Veranstaltungen bringen Optimismus

Weiteren Optimismus bringen die anstehenden Veranstaltungen wie die bevorstehende Dankwelle, welche im Oktober als „normale“ Klangwelle wiederholt wird, das „Wandern für den Wiederaufbau“ und viele Wiedereröffnungen, die bereits vonstatten gingen oder nach und nach gefeiert werden können.

„In diesen Sommer wird es wahrscheinlich nicht den großen Wurf geben. Wir werden noch einiges an Zeit und Geduld einkalkulieren müssen“, hält Lindner abschließend fest. Eines ist jedoch auch bewusst: Das Ahrtal ist nicht planlos und kann mit Unterstützung wieder eine Region schaffen, die Touristen anzieht – auch schon jetzt, exakt 269 Tage nach der Flut. Eine Übersicht über alles, das aktuell wieder im Ahrtal möglich ist finden Sie unter www.ahrtal.de/fuer-dich-da

Touristiker diskutieren über die Zukunft der Genuss- und Wanderregion
Das Gastgewerbe und der Tourismus sind für den Kreis Ahrweiler von zentraler Bedeutung. Die Corona-Pandemie und die Flutkatastrophe haben diese wichtigen Säulen der regionalen Wirtschaft jedoch schwer getroffen. Um gemeinsam Strategien zu entwickeln, die Region wieder für Touristen und Reisende attraktiv zu machen, laden die Kreisverwaltung Ahrweiler und das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau zur nächsten Veranstaltung der Reihe „Zukunft Tourismus und Gastgewerbe im Ahrtal“ ein. Partner der Veranstaltung sind der Ahrtal-Tourismus Bad Neuenahr-Ahrweiler, der Dehoga Rheinland-Pfalz sowie die Industrie- und Handelskammer Koblenz. Nach der digitalen Auftaktveranstaltung Anfang März 2022 mit mehr als 70 teilnehmenden Betrieben wird die zweite Veranstaltung am Mittwoch, 13. April, um 14.30 Uhr, im Bürgerzentrum Ahrweiler in Präsenz stattfinden. Dabei wird es vor allem um die strategische Ausrichtung des Tourismus an der Ahr gehen. Neben der Betrachtung von allgemeinen touristischen Trends und Entwicklungen werden geplante Konzepte mit Zielen sowie Maßnahmen vorgestellt. Zudem wird es die Möglichkeit für einen fachlichen Austausch und eine Fragerunde geben. Auch Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt und Landrätin Cornelia Weigand werden an der Veranstaltung teilnehmen. Interessierte gastgewerbliche Betriebe und Touristiker aus dem gesamten Kreis Ahrweiler können sich zu dieser Veranstaltung noch bis zum 11. April anmelden. Anmeldungen werden ausschließlich per E-Mail unter Anuriti.Kumar@kreis-ahrweiler.de von der Kreiswirtschaftsförderung entgegengenommen. Dabei können auch bereits Fragen, Themen und Anregungen eingereicht werden.

Von unserem Reporter Moritz Hannappel

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