Initiiert hat die Aktion der Lahnsteiner Bernd Krinninger, Chef der Dachdeckerfirma Heimbach. Er hat kurz nach der Katastrophe bereits Freunden geholfen, die in Mayschoß ein Weingut haben. „Als der Schlamm weg war, kamen viele Schäden an den Dächern zutage. Und so lange die nicht repariert sind, können auch die Häuser nicht trocken und wieder bewohnbar werden“, sagt er. Er hat einfach einen Anruf gestartet.
Von der Dynamik, mit der sich die Idee – nachdem sie einmal im Netz gepostet war – entwickelte, war er selbst überrascht. „Ich habe einen großen Kollegen- und Bekanntenkreis. Aber es meldeten sich Betriebe aus ganz Deutschland bei mir und sagten zu, an die Ahr zu kommen und zu helfen.“ Darunter auch Dachdecker Niklas Bothe aus Goslar und Dachdecker Christoph Redecker-Schramke, der sogar aus Berlin mit seinen Leuten anreist. Die beiden sind es auch, die gemeinsam mit Bernd Krinninger einen Großteil der Organisation und Koordination der einzelnen Arbeitseinsätze übernehmen.
Viele Hundert Meter lang reiht sich die Schlange der Dachdeckerfahrzeuge und Lastwagen am Mittwochmorgen pünktlich um 8 Uhr entlang der Straße im Höhenort Kalenborn. „Der Parkplatz, der als Treffpunkt gedacht war, ist leider völlig verschlammt. Deshalb muss es so gehen“, sagt Krinninger. Erst noch eine Begrüßung und noch ein paar Hinweise, wie etwa, auf die eigene Sicherheit zu achten, und dann geht es von dort aus über provisorisch hergerichtete Feldwege mit Material und Manpower in die einzelnen Orte, die im Tal liegen, wie zum Beispiel Dernau, Rech oder Mayschoß.
Bothe sorgt für die Verteilung des benötigten Materials und fährt Schieferziegel, Dachlatten, Dachpappe und Regenrohre an Ort und Stelle. Vieles darunter Spenden, denn der Landesinnungsverband, Kreishandwerkerschaften und vor allem die Industrie unterstützen die Aktion. „Mit Materialspenden für rund 300.000 Euro“, freut sich Krinninger. Ebenfalls im Orga-Team am Treffpunkt: Gregor Orth, Obermeister der Innung Mayen-Ahrweiler, der seinen Betrieb in Grafschaft hat, selbst von der Flut betroffen war, sich aber vor allem bestens auskennt im Ahrtal.
„Wir schicken die Firmen zu den am stärksten beschädigten Häusern“, sagt er und zeigt einen eigens angefertigten Lageplan vom Tal. Die Kollegen Dachdecker und Zimmerleute suchen sich ihre Baustellen aber auch einfach selbst und gehen auf Anfragen von Bewohnern ein, denn dass die Armada der Dachdecker kommt, hatte sich an der Ahr längst herumgesprochen – und natürlich werden sie herzlich begrüßt.
Und dann heißt es eigentlich nur noch: anpacken. Über dem kleinen Café mit Bäckerei, das Wido Ockenfels in Mayschoß betreibt, wird am Vordach gehämmert, einige fehlende Ziegel werden ersetzt, die Dachrinne geflickt. Das Café ist leer, die komplette Einrichtung ist Schrott, und der Inhaber weiß nicht so recht, wie er weitermachen soll. „Wir hatten vor der Flut zwei Bäcker und zwei Metzger im Ort. Einer hat schon gesagt, er will aufhören. Ich werde aber bleiben“, ist er überzeugt. Dass das Dach wieder dicht ist: ein echter Lichtblick, über den der Bäckermeister sich sehr freut und Christopher Momper und Team sehr dankbar ist. Es kann aufwärts gehen im kleinen Mayschoß, dessen idyllische Schönheit trotz verschlammter Straßen, leer geräumter Häuser und Bergen von Schutt noch erkennbar ist.
Auch Bernd Krinninger geht zu seiner Baustelle in Mayschoß, wo dicht über den Häusern und den umgebenden Weinbergen donnernd laut ein Hubschrauber kreist und die Reben besprüht. „Die Winzer haben jetzt Sorge, dass die Trauben zu schnell reifen“, erklärt er, „denn viele können sie jetzt in ihren zerstörten Kellereien gar nicht verarbeiten.“ Noch ein Problem für die Menschen an der Ahr.
Die Dachdecker tragen jedenfalls mit viel Herzblut ihren Teil dazu bei, dass es irgendwann wieder aufwärts gehen kann. Viele von ihnen wollen mehrere Tage bleiben, haben eine Unterkunft oder ein Gästebett bei Kollegen gefunden und wollen weiterarbeiten. Es werden viele Handwerker gebraucht in den nächsten Wochen und Monaten im Ahrtal. Und der Lahnsteiner Bernd Krinninger hat eine leise Hoffnung: „Vielleicht kann unsere Aktion auch ein Beispiel für andere Handwerksinnungen sein, gemeinschaftlich Hilfsaktionen zu starten.“