Es ist ein Wort wie aus einem alten Science-Fiction-Roman. Ein Wort, mit dem H.G. Wells oder Isaac Asimov eine futuristische Gerätschaft hätten benennen können, vielleicht, um den Raum zu krümmen und Äonen zu überwinden: „Zeitkapsel“. Zuweilen werden mit dem Begriff auch jene ganz realen Behältnisse bezeichnet, die in Erde oder Mauern eingelassen werden. Die voller Fotos, Briefe, Münzen, Zeitungen und mehr sind und 25, 50, 100 Jahre später von nachfolgenden Generationen geöffnet werden sollen.
Jedenfalls ist eine Zeitkapsel etwas, dass das Hier und Heute zu konservieren und in die Zukunft zu tragen vermag. Und daher erschien der Name den Entscheidern im Rathaus der Verbandsgemeinde Weißenthurm wohl äußerst passend für ihr neues Vorhaben, das derzeit anläuft.
Mit Mobiltelefonen und Kameras
Beim Zeitkapsel-Projekt der VG werden allerdings keinerlei physische Dinge eingelagert, Briefe und Münzen fallen aus. Stattdessen werden die Mitarbeiterinnen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in den kommenden Monaten mit Mobiltelefonen und Kameras ausrücken, Interviews führen, die Filme am Ende schneiden und aufbereiten. Auf diese Weise soll ein ganz eigenes digitales Videoarchiv entstehen.
Indes: Das dient nicht, zumindest nicht vorrangig, der Konservierung der bloßen Verbandsgemeindehistorie. Stattdessen sollen, so drückt es VG-Bürgermeister Thomas Przybylla aus, „die kleinen Geschichten unserer Orte und Städte gesucht, gefunden, lebendig gehalten werden“. Lena Beck von der Stabsstelle Wirtschaftsförderung, Tourismus und Presse, die das Projekt federführend betreut, präzisiert: „Wir wollen Legenden, Erinnerungen, Brauchtum, auch Skurriles sammeln.“ Es gehe darum, auch die kleinen Anekdoten am Wegesrand zusammenzutragen, die die Menschen bewegen, die Videoporträts dürften und sollten eine persönliche Note haben.
Wer die Videos anschaut, soll am Ende einfach erfahren, wie die Menschen hier ticken, was sie bewegte und bewegt, wie sie sind.
Lena Beck von der Verbandsgemeinde
Explizit gebe es daher auch keine spezifischen Themenvorgaben. „Wer die Videos anschaut, soll am Ende einfach erfahren, wie die Menschen hier ticken, was sie bewegte und bewegt, wie sie sind.“ Es gehe eben auch um die Begebenheiten, die sonst nicht in einer klassischen Ortschronik landen würden, unterstreicht Pressesprecherin Katharina Demleitner, die ebenfalls an den Zeitkapseln mitarbeitet.
Lena Beck betont: Jeder könne mitmachen, zumindest jeder, der in den Kommunen der Verbandsgemeinde lebe oder einen Bezug habe zu Weißenthurm, Mülheim-Kärlich, Kaltenengers, Urmitz/Rhein, St. Sebastian, Kettig und Bassenheim. Natürlich würden auch Menschen befragt und eingebunden, die sich generell mit Ortsgeschichte auskennen. So sind Lena Beck, Katharina Demleitner und ihre Mitstreiterinnen bereits im Gespräch mit dem früheren Ersten Beigeordneten und Stadtführer Hermann Doetsch, mit dem Kettiger Chronisten Gerhard Elingshäuser, mit Gerhard Keßler vom Örmser Dorfmuseum, mit Verantwortlichen vom Geschichtsverein Weißenthurm, dem Heimatverein Bassenheim, dem Stadtmuseum Mülheim-Kärlich und so fort.
Aber: „Wir freuen uns besonders über Menschen, die einfach ihre Geschichten erzählen wollen, unabhängig von ihrem Hintergrund“, so Demleitner und Beck. Diese Diversität, das Gespräch mit Menschen vor Ort, die sonst vielleicht nicht prominent in Erscheinung treten und gerade deswegen Neues beizutragen haben – das ist ihnen für das Projekt wichtig. Derzeit sammeln die Verbandsgemeindemitarbeiterinnen diese Teilnehmer und Teilnehmerinnen, ab dem Januar 2023 wollen sie dann mit ihren Kameras ausrücken. Sie hoffen, im kommenden Jahr die ersten Videos veröffentlichen zu können.
Digitale Erfassung
Das soll übrigens voraussichtlich über die Internetseite „Kuladig“ geschehen. Mit dem Portal des Landes zur „digitalen Erfassung und Präsentation von Kulturlandschaften“ und in Zusammenarbeit mit der Uni Koblenz hat die VG Weißenthurm schon in der Vergangenheit ein Multimediaprojekt umgesetzt. Dabei ging es darum, Industriegeschichte in der Verbandsgemeinde erlebbar zu machen. Über mit Kuladig verknüpfte QR-Codes können künftig sogar an einigen Stationen in und um Weißenthurm Informationen direkt vor Ort abgerufen werden – so am Deutschen Bimsmuseum in Kaltenengers, an der Bimsklopfmaschine in Urmitz, an der Kiesgrube in Urmitz Bahnhof und an der Aussichtsplattform auf der Carl-Heinrich-Tongrube.
„Kuladig eignet sich gut für das Zeitkapsel-Projekt“, ist Lena Beck überzeugt. Sie selbst freut sich auf die Umsetzung gerade auch deshalb, weil das Projekt so angelegt ist, dass es Überraschungen mit sich bringen wird. „Wir wissen ja selbst noch nicht genau, was am Ende dabei herauskommt, was wir erfahren und aufzeichnen werden. Wir sind sehr gespannt.“
Wer Interesse daran hat, sich für das Zeitkapsel-Projekt interviewen zu lassen, kann sich bei Lena Beck melden unter Telefon 02637/913.541 oder per Mail an lena.beck@vgwthurm.de