„Ich hab als Jugendlicher hier auf dem Plan als Aushilfe gearbeitet“, erzählt er beim Treffen mit der RZ, „und da hab ich Joe immer gesehen.“ Den „Bürgermeister vom Plan“ hat der junge Mann ihn damals wohl genannt, erinnert sich Joe Wilbert lachend an ein späteres Gespräch. Dass Orth heute selbst Gastronom ist, hat er in dieser Zeit als Jugendlicher entschieden, weil es ihm so viel Spaß gemacht hat, eigentlich wollte er damals Abitur machen. Aber stattdessen geht er von der Schule ab, macht eine Ausbildung zum Systemgastronomen, später dann sein Abitur nach. Danach gab es mehrere Stationen, bevor er sich selbstständig machte. Heute bildet er längst selbst aus – und das mit großer Freude.
2022 hat der damals 30-Jährige die Osteria Novocento übernommen. An einem Abend ist das Ehepaar Wilbert zu Gast, man kennt sich ja, kommt ins Gespräch. Und da fällt auch der Satz: „Wir wollen demnächst aufhören, suchen einen Nachfolger.“ Schon einige Bewerber hat Wilbert gesehen, einer will einen Partykeller aus dem Alt Coblenz machen, ein anderer ein italienisches Restaurant, bei wieder anderen fürchtet Wilbert, dass es zu einem Leerstand kommt.
Monatelange Sanierung nach Brand im Jahr 2018
Orth indes will es so weiterführen, wie es ist. Man wird sich schnell einig. Denn das Lokal ist den Wilberts wichtig. Fast auf den Tag genau 30 Jahre haben sie es geführt. Zuvor hatte Wilbert 1979 mit Joes Winkel in der Altstadt seinen Start in der Gastronomie, den Winkel führte er noch parallel bis 1997, während das Alt Coblenz schon unter seiner Leitung war. Es gibt viele gute Jahre – und auch viele weniger gute. Den Tiefpunkt erreicht das Haus, als es im Mai 2018 zu einem großen Brand kommt. Erst sieht es so aus, als würde die Sanierung Monate dauern, doch es zieht und zieht sich. Dann kommt Corona – und so sind es exakt 1106 Tage, bis das Alt Coblenz wieder öffnet.
13 Nächte, so lange waren wir noch nie am Stück weg.
Joe Wilbert
Jetzt aber ist es gerade so richtig gut gewesen, sagt Marianne Wilbert. Ein toller Koch, ein tolles Team. Alle Mitarbeiter wurden übernommen, das war dem Ehepaar wichtig. Gerade kommen sie aus einem Urlaub zurück, „13 Nächte, so lange waren wir noch nie am Stück weg“, sagt Wilbert, der im vergangenen Sommer 70 geworden ist. Es wurde jetzt Zeit aufzuhören, sagt Marianne Wilbert, „ich habe ja die ganze Buchhaltung gemacht, und es ist wirklich Wahnsinn, was man da heute alles beachten und machen muss.“
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Das muss sie nun nicht mehr. Joe Wilbert will indes immer mal wieder im Alt Coblenz vorbeischauen, alte Gäste begrüßen, das wünscht sich auch der neue Besitzer. Denn ohne ihn kann man sich das Lokal noch gar nicht richtig vorstellen, auch wenn sich an der Karte und dem Team gar nichts geändert hat. Seine freie Zeit will Wilbert nun für sich nutzen. „Ich soll mich mehr bewegen“, sagt er und lacht. Bei den Freien Wählern ist er auch auf der Liste für die Kommunalwahl, und der Seniorenbeirat habe auch bei ihm angefragt. „Erst hab ich gedacht, was wollen die denn?“, sagt Wilbert und schmunzelt, „aber dann fiel mir ein, ich bin ja auch schon 70.”