Idee und Absicht waren gut, die Technik damals weltweit einzigartig und beachtet, aber dann lief fast nichts mehr wie geplant: Der Schaden rund um die stillgelegte Klärschlammvergasungsanlage in Koblenz-Wallersheim ist immens. Insgesamt hat die teils stillgelegte Anlage rund 17,5 Millionen Euro gekostet, 2 Millionen Euro davon sind EU-Gelder. Es ist mehr als fraglich, ob die Anlage jemals nochmal laufen wird.
In der jüngsten Sitzung des Koblenzer Stadtrats hat Baudezernent Andreas Lukas (Grüne) einen Zwischenbericht der Aufarbeitung vorgestellt. Zunächst ein paar Zahlen zur Einordnung: Die stillgelegte Klärschlammvergasungsanlage hat 7,8 Millionen Euro gekostet, die Klärschlammtrocknungsanlage 2,4 Millionen Euro (seit 2015 in Betrieb), die Infrastruktur 2,6 Millionen Euro (seit 2014 in Betrieb) und die PV-Anlage 176.000 Euro (seit 2014 in Betrieb). Die Personal- und Reisekosten betrugen 1,9 Millionen Euro, die Ingenieur- und Beraterleistungen 1,8 Millionen Euro und die Gemeinkosten 672.000 Euro.
Wasserdampf-Explosion im November 2020
Nach mehreren Jahren Vorlaufzeit startete das Projekt in Koblenz Anfang Oktober 2010. Im städtischen Werksausschuss Stadtentwässerung wurde es seit 2008 insgesamt 88-mal beraten (davon 70-mal nicht öffentlich wegen Vertragsangelegenheiten und Insolvenzen beteiligter Firmen). Zunächst hatte die Anlage Mitte 2015 ihren Betrieb aufnehmen sollen, dann 2017, am Ende wurde es Mitte 2018.
Im November 2020 dann gab es eine Wasserdampf-Explosion im Blockheizkraftwerk, die laut Lukas nicht in direktem Zusammenhang mit der Vergasungsanlage stand. Ursache sei eine Fehlbedienung gewesen. Danach wurde die Anlage von TÜV, Unfallkasse, untere Wasserbehörde und Gewerbeaufsicht geprüft, anschließend abgenommen und lief zumindest im Probebetrieb.
„Für persönliche Vorwerfbarkeiten ist bei diesem Ablauf kein Platz.“
Baudezernent Andreas Lukas (Grüne)
Eins der vielen Probleme, die danach auftraten, war, dass in Koblenz zu wenig Klärschlamm anfiel. Die Anlage ist ausgelegt auf 4000 Tonnen pro Jahr. 2010 waren es 3500 Tonnen, danach nahm die Menge weiter ab bis auf 2400 Tonnen im Jahr 2023. Mit dieser Menge kann die Anlage nur drei, vier Wochen im Jahr betrieben werden. Sonst würde sie, um es verkürzt zu sagen, kaputtgehen. Allerdings lohnt dieser kurze Zeitraum natürlich nicht.

Explosion und ängstliche Arbeiter in Koblenzer Kläranlage: Viele offene Fragen
Die Ereignisse rund um die Millionen Euro schwere und inzwischen stillgelegte Klärschlammvergasungsanlage in Koblenz-Wallersheim beschäftigen Kommunalpolitik und Verwaltung weiter. In der jüngsten Sitzung des Hauptausschusses ging es auch um eine mögliche Explosion in der Anlage im Jahr 2022 und um ...
Dazu kommt, dass es für die extrem komplexe, einzigartige Anlagentechnik schlicht kein Personal gibt und auch kein Betreiber in Sicht ist. Der Personalmangel wiederum spricht - neben Investitionskosten in Höhe von 5 Millionen Euro - dafür, dass die Anlage dauerhaft stillgelegt bleibt, auch nicht in Teilen betrieben wird, auch nicht zur Trockengutannahme genutzt wird (Kosten von 250.000 Euro, dazu ist kein Lieferant in Aussicht) und auch nicht zur Fremdschlammannahme (Investitionen bis 2 Millionen Euro). Zudem gibt es bis heute keine Informationen dazu, wie stabil und wirtschaftlich die Anlage laufen würde.

Das Baudezernat um Lukas will dem Stadtrat nächstes Jahr eine Empfehlung geben, wie weiter mit der Anlage verfahren werden soll. Dazu sollen Kooperationen mit Klärwerken im Umland geschlossen werden, um die Entsorgungssicherheit zu gewährleisten. Immerhin: Lukas geht davon aus, dass die Stadt das EU-Fördergeld nicht zurückzahlen muss, da die Anlage zwischenzeitlich kurz lief.
Ulrich Kleemann (Grüne) sagte: „Die Handlungsoptionen sind alle nicht besonders toll. Es kostet in jedem Fall viel Geld, es ist ein großer Schaden für Koblenz.“ Einen solchen Zwischenbericht hätte man sich „viel eher gewünscht. Die Fehler wurden in der Vergangenheit gemacht.“ Monika Sauer (CDU), die viele Jahre in besagtem Werksausschuss saß, sagte: „Wir waren damals begeistert von dem Projekt. Bei einer Messe in München gab es weltweites Interesse an der Anlage.“
„Es ist jetzt schon ein Millionengrab, ohne dass eine Nachnutzung erfolgen kann.“
Detlev Pilger, Ratsmitglied der SPD
Christoph Schöll (FDP) sagte: „Man kann es so zusammenfassen: Erst hatte man kein Glück, dann kam Pech dazu. Eventuell lässt sich das Blockkraftheizwerk ja noch nutzen.“ Dazu sagte Lukas: „Das versuchen wir auf jeden Fall.“ Die Kosten des Stillstands seien nicht zu beziffern: „Die Anlage steht ruhig und braucht keine Wartung.“ Ernst Knopp (CDU) sagte: „Ich kam 2014 in den Werksausschuss. Wir haben uns voll und ganz auf die Firma verlassen, dass die Anlage läuft.“ Aber: Nach der Abnahme und einem dreiwöchigen Betrieb sei die Firma insolvent gewesen. Er stellte klar: „Ich sehe keine Möglichkeit mehr, die Anlage zu betreiben. Das Ende ist absehbar.“ Immerhin funktioniere das Blockheizkraftwerk.
Detlev Pilger (SPD) sagte: „Man konnte die Parameter nicht absehen. In Gänze ist die Anlage unter den Rahmenbedingungen nicht weiterzubetreiben. Es ist jetzt schon ein Millionengrab, ohne dass eine Nachnutzung erfolgen kann.“
Kläranlage hat rund 17,5 Millionen Euro gekostet
Die Kläranlage in Koblenz-Wallersheim hat ab 2018 Stück für Stück den Betrieb aufgenommen. Sie hat insgesamt rund 17,5 Millionen Euro gekostet, 2 Millionen Euro davon stammen aus EU-Fördertöpfen, die im Rahmen der Klärwerksmodernisierung nach Koblenz kamen. Das moderne Verfahren der Anlage sollte zur Stromerzeugung beitragen: Aus Klärschlamm wird brennbares Gas, aus dem Gas kann in einem Kraftwerk Energie gewonnen werden. Das Klärwerk sollte energieautark, die Frage nach dem Verbleib des Schlamms elegant gelöst werden. Allerdings: Die Betreiberfirma der Anlage hat laut Stadt den Dienstleistungsvertrag aufgekündigt, mit städtischem Personal könne die Anlage nicht weiterbetrieben werden. Dazu ist die Menge der anfallenden „Trockenmasse“, also des Schlamms, der verarbeitet werden kann, stark zurückgegangen. Seit 2023 steht die Anlage komplett still. pme/jl