Alle Kollegen sind informiert über die neuen Projekte, nur man selbst nicht. Die anderen Mitarbeiter gehen alle zusammen frühstücken, nur einer wird ausgeschlossen. Und der Chef nimmt einem die Bereiche weg, die einem selbst am wichtigsten sind und die man mit Herzblut erledigt hat – dies sind nur drei Formen von Mobbing von Kollegen oder Vorgesetzten, denen Beschäftigte sich ausgesetzt fühlen können. Frühzeitig Hilfe suchen, nicht erst, wenn Mobbing krank macht, das Selbstwertgefühl im Keller ist, rät der Koblenzer Arbeitskreis gegen Mobbing. Und das seit 30 Jahren.
Meist geben sich Betroffene selbst die Schuld
Wer unter Mobbing leidet, gibt sich selbst meist die Schuld dafür, weiß Werner Henrich. Man denkt vielleicht, die Arbeit sei wirklich nicht gut. Oder man sei zumindest nicht stark genug, um sich gegen systematische Diffamierungen von Kollegen zu wehren. „Viele leiden wirklich sehr, sie kriegen das gar nicht mehr aus ihrem Kopf raus“, sagt der 75-Jährige, der im Jahr 1993 Gründungsmitglied des Koblenzer Arbeitskreises gegen Mobbing war. Er ist der Einzige, der noch aus dieser Zeit sozusagen übrig geblieben ist.
Der wichtigste Rat, den er Betroffenen geben kann: „Suchen Sie sich Hilfe.“ Und zwar so früh wie möglich, nicht erst, wenn man völlig am Boden ist. Und nicht nur bei Freunden oder dem Ehepartner. Die können dem Betroffenen zwar beistehen, eine professionelle Unterstützung aber können sie nicht ersetzen. Zumal manche Mobbingopfer auch therapeutische Hilfe benötigen, weil ihr Selbstbewusstsein durch die gezielten Angriffe untergraben oder gar zerstört ist. Auch hier hat der Arbeitskreis Ansprechpartner.
Kostenfreie Hilfe seit drei Jahrzehnten
Wer also Hilfe benötigt, kann das Mobbingtelefon anrufen: Unter der Nummer 0176/579.100 26 gibt es seit 30 Jahren ehrenamtlich und kostenlos Hilfe für Mobbingopfer. Sechs Mobbingberater sind im Verein aktiv, rund 60 Mitglieder hat er und freut sich auch über neue, aber „es geht bei uns nicht um Quantität, sondern um die Qualität“, erläutert der studierte Psychologe.
Rund fünf bis zehn Menschen melden sich im Schnitt im Monat, mal mehr, mal weniger, sagt Henrich. Einmal im Monat bietet der Verein einen offenen Gesprächstreff an, jeweils am vierten Dienstag im Monat ab 19 Uhr in den Räumen der Katholischen Familienbildungsstätte, Thielenstraße 13. Das ist keine feste Gruppe, sondern jeder, der über seine Erfahrungen berichten möchte und die von anderen hören will, ist willkommen. Der Schwerpunkt liegt übrigens bei Mobbing am Arbeitsplatz, andere Bereiche, wie beispielsweise in der Schule, überlässt die Gruppe anderen – und Jüngeren.
In der Gruppe gibt es neben der Möglichkeit, sich mal alles von der Seele zu reden, auch ganz praktische Tipps: Wer Mobbing ausgesetzt ist, sollte beispielsweise in einer Kladde festhalten, was wann passiert ist, damit man es später nachvollziehen kann – notfalls auch für ein Gerichtsverfahren.
In den 30 Jahren ihres Bestehens haben die Beraterinnen und Berater selbst sehr viel Expertenwissen angesammelt – und werden außerdem unterstützt von einem Anwalt, der ein kostenfreies Beratungsgespräch anbietet, nach dem die Betroffenen überlegen können, ob sie den rechtlichen Weg einschlagen wollen. „Viele sagen erst einmal: ,In den Job geh ich nie wieder hin‘“, berichtet Henrich. Aber auf den Arbeitsplatz zu verzichten, ist ja nicht immer einfach – und auch nicht immer nötig, denn: In den allermeisten Fällen gibt es doch Möglichkeiten, die Konflikte beizulegen.
Henrich bedauert, dass es so wenige Rückmeldungen gibt, wie es dann weitergegangen ist. Aber vielleicht ist es auch selbsterklärend, wenn sich Betroffene nicht mehr melden, vermutlich kommen sie wieder besser klar. Und einen weiteren Punkt bedauert er noch mehr: Dass so wenig Unternehmen die Möglichkeit nutzen, mit dem Arbeitskreis gegen Mobbing ins Gespräch zu kommen. Denn wenn in einem Betrieb eine gute Wertschätzung der Mitarbeiter und deren Arbeit herrscht, dann fehlt dem Mobbing der Nährboden, ist Henrich überzeugt. Und zufriedene Mitarbeiter können meist besser arbeiten.
Was ist Mobbing?
Laut Internet-Lexikon Wikipedia versteht man unter Mobbing die „psychische Gewalt, die durch das wiederholte und regelmäßige, vorwiegend seelische Schikanieren, Quälen und Verletzen eines einzelnen Menschen durch eine beliebige Gruppe von Personen oder durch eine einzelne Person in überlegener Position definiert ist“. Zu den typischen Mobbinghandlungen gehörten demnach unter anderem Demütigungen, Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen, Zuweisung sinnloser Aufgaben und anderweitiger Machtmissbrauch, Gewaltandrohung, soziale Exklusion oder eine fortgesetzte, unangemessene Kritik an einer natürlichen Person oder ihrem Tun, die einer Tyrannei beziehungsweise einem unmenschlich-rücksichtslosen Umgang gleichkomme. dos
Seit 30 Jahren ehrenamtliche Hilfe
1992 sind die Anfänge des Vereins, der auf eine Vortragsveranstaltung zurückgeht. Interessierte Betriebsratsmitglieder, hauptamtliche Gewerkschafter, Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, Pädagogen und Betroffene schließen sich zusammen. Der Verein Arbeitskreis gegen Mobbing wird im Sommer 1993 gegründet, als erster seiner Art in Rheinland-Pfalz und mit überregionalem Wirkungskreis. Die erste Vorsitzende ist Barbara Lieber-Degner. Bereits im Herbst 1994 wird das Mobbingtelefon eingerichtet. Im Januar 1996 wird Werner Henrich zum Vorsitzenden gewählt. Der Arbeitskreis nimmt an vielen Ehrenamtstagen teil und wird im September 2014 durch den damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck in Schloss Bellevue geehrt. Der Verein arbeitet bis heute kontinuierlich. dos
Den Arbeitskreis gegen Mobbing erreicht man unter anderemauf seiner Internetseite unter www.mobbing-koblenz.info