Manfred Gniffke erinnert sich
Wie ein Fest die Koblenzer Altstadt geprägt hat
Manfred Gniffe erinnert sich auf seinem Balkon am Münzplatz an 50 Jahre Altstadtfeste. Mit dem Plakat aus dem Wettbewerb von 1985 wurde jahrelang geworben.
Doris Schneider

Wer am Freitag an der Liebfrauenkirche oder am Samstag auf dem Plan das Altstadtfest feiert, wird wenig Gedanken an die Ursprünge des Festes verwenden. Das war nämlich 1975 nicht (nur) dazu da, den Menschen Spaß zu machen. 

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Wo heute in der Koblenzer Altstadt schmucke Gassen und lauschige Hinterhöfe sind, waren noch vor wenigen Jahrzehnten Toiletten im Treppenhaus oder auf dem Hof, es gab keine Bäder, viel zu kleine Wohnungen für viel zu viele Menschen, es gab einen Straßenstrich und schlechte Wohnverhältnisse. „Es war keine gute Gegend“, sagt Manfred Gniffke, selbst überzeugter Altstädter. Und doch war es eine, in der die Menschen – rund 5000 Leute lebten hier damals, schätzt er – zusammenhielten.

Das erste Altstadfest, damals noch auf dem Florinsmarkt. Hier wurde auch Theater gespielt.
Archiv Manfred Gniffke

Und zusammen feierten. Dass vor 50 Jahren das erste Altstadtfest gefeiert wurde, hatte aber einen anderen Hintergrund als heute. Wenn am Wochenende (Freitag, 4., bis Sonntag, 6. Juli) vermutlich wieder Tausende Menschen auf die Plätze strömen, dann geht es heute viel mehr um Party als um Brauchtumspflege, kritisiert Gniffke, der seit vielen Jahrzehnten Stadtführungen macht und möglicherweise der bekannteste Koblenzer ist.

Auf seinem Balkon hoch über dem Münzplatz hängt ein Plakat, das 1985 entstanden ist, um für zehn Jahre Altstadtfest zu werben. Zwei Schwestern hatten 1985 den Wettbewerb gewonnen, erinnert sich Gniffke, beide bekamen je ein Fahrrad für ihre Zeichnungen der Altstadt, mit denen jahrzehntelang geworben wurde.

„Das war damals noch ein Fest von Altstädtern für Altstädter“, sagt Gniffke zu den Anfängen in den 1970er- und 80er-Jahren. Die Balduinbrücke war gerade verbreitert worden, und die Altstadt sollte Sanierungsgebiet werden – Altstadt oder Ehrenbreitstein standen zur Debatte, erinnert sich Gniffke, das „Dahl“ musste dann noch länger warten.

Vor der Altstadtsanierung wurden die Bewohner gefragt, was sie wollen

In der Bürgergruppe Altstadt versammelten sich Bewohner, um sich gemeinsam für Verbesserungen einzusetzen. „Alle Berufsgruppen waren da drin, Handwerker, der Revierschutzmann, Ladenbesitzer“, sagt Gniffke. Auch er war aktiv, „damals als einer der Jüngsten“. Heute sind schon viele von den Aktiven längst verstorben oder so alt, dass sie nicht mehr viel machen können.

Im Vorfeld der Altstadtsanierung sollte eine Befragung bei den Bewohnern gemacht werden, was sie sich für ihr Viertel wünschen. „Das sollten Studenten machen, aber wir haben gesagt: ,Die Leute machen denen doch nicht mal auf!’“ Also übernahmen Gniffke und eine Sozialarbeiterin aus dem Haus Metternich die Befragung.

Die schönen Gassen wie hier die Mehlgasse gäbe es heute nicht, wenn die Sanierung früher begonnen hätte, ist Manfred Gniffke überzeugt: Dann wären die Häuser vermutlich alle abgerissen worden.
Doris Schneider

„Im Grunde war unser Glück, dass es das Geld für die Altstadtsanierung nicht früher gab“, ist der 86-Jährige überzeugt. „Wenn man das in den 50er- oder 60er-Jahren angepackt hätte, wäre vermutlich alles abgerissen worden.“ So aber gab es schon die Einsicht, dass man vor allem in den nicht zerstörten Gassen wie der Mehl- oder Gemüsegasse mindestens die Fassaden halten wollte. Jahrzehnte zog sich die Sanierung am Ende hin, bis jetzt die Altstadt ein Kleinod ist. „Es ist wieder eine üble Gegend an manchen Abenden“, sagt Gniffke, aber das ist ein anderes Thema.

Aber zurück zum Altstadtfest: 1975, als die Balduinbrücke fertig war, wollte die Stadt dies mit einem Brückenfest feiern – und die Bürgergruppe Altstadt war mit Feuer und Flamme dabei. „Nicht nur wir, auch alle Vereine und der Pfarrgemeinderat Liebfrauen“, erinnert sich Gniffke. Drei Tage lang wurde auf dem Florinsmarkt gefeiert, mit Theater und Musik, „und das lief so gut, dass wir gesagt haben: ,Das machen wir jetzt jedes Jahr.’“

Die Vereine stecken den ganzen Erlös in die Altstadtverschönerung

Ende der 70er verlagerte sich das Fest auf mehrere Plätze, schildert Manfred Gniffke. Die Gastronomen bespielten den Plan, der Karnevalsverein Koblenzer Schängelcher den Münzplatz, die Bürgergruppe, später ab 1983 die aus ihr hervorgegangene Altstädter Brunnengemeinschaft, der Pfarrgemeinderat und die Kirmesgesellschaft Weißer Gasse zusammen den Platz an der Liebfrauenkirche. Den Erlös steckten die Gruppen wiederum in die Verschönerung der Altstadt, beispielsweise in die Figur der Muttergottes an der Liebfrauenkirche. „Wir haben mindestens 100.000 Euro in dieser Zeit gespendet.“

Doch die Zeit veränderte sich, „erst wurden die Weißergässer zu alt, dann wurde es auch den Mitgliedern der Brunnengemeinschaft zu viel. „Zwei Tage aufbauen, dann drei Tage lang die Stände selbst betreiben, wieder abbauen, außerdem haben viele von uns selbst beim Theater mitgespielt ...“ – die Gruppe konnte das nicht mehr leisten.

Am Platz an der Liebfrauenkirche treffen sich freitags abends noch die Aktiven aus der frühen Zeit des Altstadtfestes und die Vereine.
Doris Schneider

1995 übergab die Organisatoren das Fest an die Große Koblenzer Karnevalsgesellschaft. „Der Freitagabend an der Liebfrauenkirche war lange dennoch der Abend der Altstädter“, erzählt Gniffke. Dies und die Verleihung des Moddersprochpreises sind noch jetzt die Relikte, die an die Tradition des Festes erinnern. „Und wir machen am Freitag einen kleinen Umzug durch die Altstadt, um daran zu erinnern, dass jahrelang die Brunnen am Freitagabend von der Brunnengemeinschaft geputzt wurden.“

Von den Alten, die sich freitags abends getroffen haben, sind viele nicht mehr da. Gniffke aber will gehen. „Solange ich noch kann“, sagt er.

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