Koblenzer Karneval historisch
Wie die Nazis die Fastnacht instrumentalisierten
Beim Koblenzer Rosenmontagszug am 12. Februar 1934 fuhr dieser Festwagen mit. Der Titel: "Deutscher Rhein und Deutscher Wein".
StAK FA 4,21 Nr. 7 Bild Nr. 254. xxx

Der Karneval in Koblenz hat eine lange Geschichte. Wir beleuchten sie in einer Serie. Teil drei nimmt die 1930er-Jahre in den Blick. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten setzten diese die Narren unter Druck.

Am 30. Januar 1933 ergreifen die Nationalsozialisten endgültig die Macht – mitten in der Session. Am 8. März 1933 wird Oberbürgermeister Hugo Rosendahl seines Amtes enthoben und durch das NSDAP-Mitglied Otto Wittgen ersetzt. Die Nazis versuchen in der Folgezeit, den Karneval den staatlich gelenkten Massenveranstaltungen unterzuordnen und gleichzuschalten. Dabei haben die Nationalsozialisten ein zwiespältiges Verhältnis zum Karneval: Einerseits erkennen sie dessen Propaganda-Potenzial. Völkisches Gedankengut wird gefördert und gegen Juden gehetzt. Andererseits stehen politische Reden oder gar Kritik an der Regierung im Fadenkreuz des totalitären Staates.

Die Narren in Koblenz bekommen die rechtsradikale Propaganda zwar weniger zu spüren als die in Köln oder Mainz. So wird am Aschermittwoch 1935 in Mainz das gesamte Festkomitee in einem Hotel festgesetzt. Aber auch am Rhein-Mosel-Eck muss beispielsweise der jüdische Arzt Eugen Stern 1933 „freiwillig“ aus dem Elferrat der „Großen“ ausscheiden. Außerdem unterdrückt die NSDAP in Koblenz den politischen Karneval liberaler Bürger sowie die katholischen Wurzeln des Festes: Am 11. November 1933 gibt es für alle Karnevalisten die Anordnung, ihre Beziehung zu Kirche und Christentum möglichst zu verneinen. Stattdessen soll es unter Berufung auf die „germanische Vorzeit“ eine „Deutsche Fastnacht“ geben, die kein „Abkömmling jüdisch-christlicher Kultur“ sei. „Die innere Beziehung zum kirchlich-christlichen Fastabend“ müsse „negiert und verwischt“ werden, heißt es in der Weisung.

Kurz und schlecht: Es wird versucht, den Karneval aus seiner religiösen Sinngebung zu lösen.Immerhin gibt es in diesen dunklen Zeiten auch einige Lichtblicke. Zwischen Köln und Mainz stellen sich Heroen in der Bütt mutig den Nazis entgegen. Bei jeder Rede schwebt ein Damoklesschwert über ihren Köpfen. Denn ein einziges unüberlegtes Wort kann die gesamte Existenz oder sogar das Leben gefährden. Zu nennen sind hier Karl Küpper in Köln oder Seppel Glückert in Mainz. Auch in Koblenz zeigen Karnevalisten Zivilcourage. So meint der Spaßmacher Carl Hartmann nach einem Scherz über das Militär zum lachenden Publikum: „Warom lacht ihr dann? Dürft ihr vielleicht wat son, wenn eich ebbes net passt?“

Ein weiterer positiver Effekt – zumindest für den Karneval: Verbote und Reglementierungen verstärken nur die Sympathien der Bevölkerung für den Karneval. Daraus entwickelt sich in den wenigen Jahren bis zum Zweiten Weltkrieg eine gewisse Blütezeit. Die „Große“ veranstaltet 1934 in der Stadthalle gleich drei Sitzungen. Nach mehr als 100 Jahren erscheint wieder ein „Jokusstädtischer Anzeiger“. 1934 ist Johannes Dahm der erste Prinz in einem prachtvollen Rosenmontagszug.

„Warom lacht ihr dann? Dürft ihr vielleicht wat son, wenn eich ebbes net passt?“
Carl Hartmann nach einem Scherz über das Militär

Dann aber schlagen wieder die Nationalsozialisten zu: Sie versuchen immer mehr, karnevalistische Veranstaltungen in ihrem Sinne zu lenken und propagandistisch zu instrumentalisieren. Dabei nutzen die Machthaber unter anderem die Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF) zur Steuerung. Deutschlandweit wird Werbung gemacht, und Menschen werden in Sonderzügen zum Karneval ins Rheinland gekarrt. Und ein Kreisobmann der „Deutschen Arbeitsfront“ (DAF) weist an, dass Firmen in Koblenz am Rosenmontag um 12 Uhr zu schließen haben, damit alle zum Zuch gehen können. Denn im Rosenmontagszug wird NSDAP-konforme Agitation betrieben.

Mit dem Erlass der Nürnberger Rassegesetze vom 15. September 1935 hat sich im Folgejahr auch im Karneval der offene Antisemitismus nochmals verschärft: Gleich auf mehreren Motivwagen des Kölner Rosenmontagszugs 1936 wird ganz offen gegen jüdische Bürger gehetzt. Auch in Umzügen vieler weiterer Städte sind antisemitische Wagen zu sehen: In Mainz bezeichnet man die erzwungene Emigration der Juden höhnisch als „Reise nach Jüdland“. In Villingen werden Juden als „internationale Brunnenvergifter und Giftmischer“ verunglimpft. Und in Koblenz greift man die Hetze gegen Juden auf, indem sie als „Devisenschieber“ dargestellt werden.

Auch unter den Nazis wurde Karneval gefeiert. Die Abbildung zeigt eine Eintrittskarte der Großen Koblenzer Karnevals-Gesellschaft aus dem Jahr 1934.
Quelle: Stadtarchiv Koblenz/Fotograf: Dirk Förger. xxx

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