Nicht in jeder Kirche (unser Foto wurde in Gondorf aufgenommen) kann an Heiligabend eine Messfeier stattfinden.
27.000 Katholiken leben im Zuständigkeitsbereich des Dekanats, das die Pfarreiengemeinschaften (PG) Ochtendung-Kobern, Maifeld und Untermosel-Hunsrück umfasst. Die 32 Orte innerhalb des Dekanats sind meist ländlich geprägt. Dass in jedem dieser Orte an Heiligabend eine Messfeier stattfindet, ist schon aus personeller Sicht nicht möglich. Denn die Messen dürfen nur von Priestern gehalten werden. In der PG Untermosel-Hunsrück gibt es davon wegen einer Vakanz gerade mal einen, im Maifeld zwei und in der PG Ochtendung-Kobern drei. Die gute Besetzung in letzterem Fall ist möglich, weil Dechant Schuh, der dort aktiv ist, aber eben auch die Verantwortung für die anderen beiden Pfarreiengemeinschaften trägt, entlastet werden soll.
Trotz der drei Priester ist es aber auch dort nicht möglich, an Heiligabend alle Orte abzudecken. Daher stehen Jörg Schuh und seine Kollegen Jahr für Jahr vor der Frage: „Wie finden wir eine gerechte Lösung, sodass jeder Weihnachten mitfeiern kann.“ In der PG Ochtendung-Kobern ist man daher bemüht, dass von Heiligabend bis zum zweiten Weihnachtstag in jedem Ort ein Gottesdienst gefeiert wird. Mit der Folge, dass es auch in den größeren Dörfern an den drei Tagen nicht „das volle Programme“, also an jedem Tag einen Gottesdienst, gibt. Für ein gewisses Maß an Ärger darüber, dass im eigenen Ort an Heiligabend kein Gottesdienst stattfindet, hat Schuh durchaus Verständnis. „Wenn ich auf die Situation in den Dörfern schaue, kann ich gut verstehen, dass die Leute sagen: Ich muss für alles irgendwo hinfahren, ich will das jetzt nicht auch noch für die Kirche tun.“ Aber: „Die entscheidende Frage ist für mich doch, ob die Leute an Weihnachten überhaupt noch in die Kirche gehen wollen.“
Dechant Jörg Schuh.
Früher sei es für viele selbstverständlich gewesen, dass sie ihre Planung nach dem Gottesdienst ausgerichtet hätten. Heute müsste der Gottesdienst oft irgendwie in das prall gefüllte Familienprogramm passen. „Die Leute würden uns helfen, wenn die Bereitschaft, auch mal zwei Kilometer in den Nachbarort zu fahren, steigen würde“, sagt Schuh. Dass dies für ältere Menschen, die nicht gut zu Fuß sind, kein Auto fahren können und es vielleicht Jahrzehnte lang anders gewöhnt waren manchmal eine Umstellung ist, ist dem Dechanten bewusst. Vereinzelt vermisst er aber auch den Willen. „Wenn es für die Oma so wichtig ist, dann wird sich doch kein Enkel lumpen lassen und sie an Weihnachten in die Kirche fahren“, so Schuh. Aus seiner Sicht ist es falsch, über die aktuelle Situation zu lamentieren: „Wir als Kirche versuchen uns zu bewegen und überlegen uns, was die Leute bewegt. Aber die Leute müssen sich auch Gedanken machen.“
Alternative Formen des Gottesdienstes begrüßt Schuh grundsätzlich. Wenn zum Beispiel Leute in der Kirche zusammenkommen, gemeinsam singen und Texte hören, um sich auf den Heiligenabend einzustimmen. „Wenn das die Weise ist, bei der die Leute sagen: Hier fühle ich mich angesprochen. Dann finde ich das toll. Dann sollen die auch dahin gehen“, sagt Schuh. „Wenn die Leute aber nur dahin gehen, weil es das ist, was im eigen Dorf stattfindet, dann mache ich mal ein Fragezeichen dahinter.“ Die Messfeier ist für Schuh noch immer die höchste Form der Feierlichkeit, „die stärkste Weise, wie sich Gott uns schenkt“. Und wenn den Menschen die Messe wichtig wäre, dann würden sie dafür auch in den Nachbarort fahren. Bei allem Verständnis für Heimat und Lokalpatriotismus regt Schuh an, darüber nachzudenken: „Was bin ich zuerst? Bin ich zuerst Koberner oder bin ich zuerst Christ?“ Letztlich geht es für ihn um „die Grundwertschätzung des Menschen“.
Eine dramatische Verschlechterung der personellen Situation sieht Schuh zumindest in der Pfarreiengemeinschaft Ochtendung-Kobern nicht. Im Vergleich zu den 1980er-Jahren habe sich die Zahl der Pfarrer von vier auf drei reduziert. „An der Untermosel ist es knapp. Es wäre gut, wenn wir da einen mehr hätten“, räumt er ein. Engpässe versucht man hier wie dort durch Pfarrer im Ruhestand oder durch Pallottiner auszugleichen. Auch die Gemeindereferenten könnten zum Beispiel durch die Durchführung von Kinderkrippenfeiern für Entlastung sorgen. Die personelle Besetzung sei im Vergleich zu den 80er-Jahren aber grundsätzlich nicht die größte Sorge. „Unsere größte Sorge ist, dass sich die Zahl der Leute, die regelmäßigen den Gottesdienst besuchen, halbiert hat“, so Schuh.
Von unserem Redakteur Volker Schmidt