Fünf Frauen aus Koblenz und der Region schildern, wie sie das ThemaGleichberechtigung erleben
Weltfrauentag in Koblenz: Frauen erzählen, wo es bei der Gleichberechtigung noch hakt
Das Bild des Mädchens hat der international renommierte Streetart- und Graffitikünstler Hendrik Beikirch an diesem Haus an der Balduinbrücke für den Frauennotruf geschaffen. Es soll Frauen dazu ermutigen, sich die Größe zu nehmen, sich zu zeigen wie sie sind. Fotos: Sascha Ditscher (Archiv)
Sascha Ditscher

Die RZ hat zum Weltfrauentag fünf Frauen aus unterschiedlichen Lebensbereichen und unterschiedlichen Alters gesprochen: Was ist heute besser als vor Jahrzehnten? Und wo gibt es noch Handlungsbedarf? Antworten geben Stadträtin Anne Schumann-Dreyer, Marketingmanagerin Miriam Schuff, Professorin Anette Kniephoff-Knebel, Verbandsbürgermeisterin Kathrin Laymann und Ingenieurin Esther Höfer.

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Ein feministischer Kampftag für die einen, eine Gelegenheit, um Werbung für Gesichtscreme oder Unterwäsche zu machen, für andere: Der Internationale Frauentag am 8. März hat seine Ursprünge im Kampf sozialistischer Organisationen für die Gleichberechtigung, das Wahlrecht für Frauen und die Emanzipation von Arbeiterinnen. Gefeiert wird der Tag seit dem Jahr 1921, 1977 erkannte die UN-Generalversammlung den 8. März als Internationalen Frauentag an. In Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ist heute sogar ein Feiertag.

In Koblenz wird der Weltfrauentag genutzt, um auf die Situation von Frauen (und Männern) hinzuweisen und darauf aufmerksam zu machen, dass es Gleichberechtigung in vielen Lebensbereichen noch nicht gibt. Doch was denken die Frauen selbst darüber?

Das sagt Stadträtin Anne Schumann-Dreyer

Anne Schumann-Dreyer ist 70 Jahre alt, seit 1987 für die CDU im Koblenzer Stadtrat, und sie sagt: „Es hat sich einiges verändert. Aber es gibt auch noch genug zu tun.“ Als sie in den Stadtrat kam, als Nachrückerin, sei sie von dem damaligen Oberbürgermeister Willi Hörter als Mutter von zwei Kindern recht misstrauisch beäugt worden. „Das ist heute schon anders“, zeitweise war sogar die Mehrheit der Fraktionen unter der Leitung von weiblichen Vorsitzenden, das hat sich aber wieder geändert.

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Anne Schumann-Dreyer Fotos: Torsten Gauls (2)/Laurence Chaperon
Torsten Gauls. CDU/Gauls

Frauen in der Politik würden heute schon ernster genommen als früher, sagt sie. „Aber man muss auch gut vorbereitet sein und sich durchsetzen können, sonst findet man nach wie vor kein Gehör.“ Gesellschaftlich habe sich einiges getan in den vergangenen Jahrzehnten, sagt die langjährige ehemalige Leiterin des Frauenhauses: Gesetze schützen Frauen heute stärker vor Gewalt, Männer gehen in Elternzeit und vieles andere mehr. Aber gerade beim Thema Gewalt gebe es auch viele Rückschritte, Frauenhäuser seien heute notwendig wie eh und je.

Keine Gleichberechtigung sieht Schumann-Dreyer auch nach wie vor in der Aufteilung der Arbeit: Frauen machen noch immer viel Ehrenamtliches, was ja an sich schön sei, „aber es fehlt ihnen bei der Rente“. Und wenn Kinder versorgt werden, dann sind es nach wie vor meist die Frauen, die in Teilzeit arbeiten. „Bis sich das wirklich geändert hat, das dauert – falls es überhaupt dazu kommt.“

Was sie sich wünscht? Dass Frauen engagierte Frauen in der Politik unterstützen, indem sie sie wählen. Denn nach wie vor sieht Schumann-Dreyer bei Frauen mehr emotionale Anteile als bei Männern – „und das ist ja auch eine Stärke“.

Das sagt Ex-Citymanagerin Miriam Schuff

Miriam Schuff ist vielen Koblenzern als ehemalige Citymanagerin und Geschäftsführerin der Koblenz-Stadtmarketing GmbH bekannt. Die Doppelrolle hatte sie bis Ende Januar 2024 inne. Die 30-Jährige hat schon in verschiedenen Branchen gearbeitet und sagt: „Wir haben in Koblenz noch einiges zu tun, was die Gleichberechtigung von Frauen in Berufen angeht.“ Als Citymanagerin hatte sie oft mit Kolleginnen anderer Städte zu tun, die schon weiter seien.

Miriam Schuff
Kai Müller

Der Wille zur Gleichberechtigung ist zwar in vielen Betrieben und Verwaltungen erkennbar, aber es hapere meist daran, dies umzusetzen und zu leben, hat die 30-Jährige in ihren sechs Jahren Berufserfahrung erlebt. Als Projektleiterin und Führungskraft hat sie von Männern gehört, dass Frauen in den Teams gar nicht führen wollten. „Das ist Bullshit!“, betont sie in der ihr eigenen offenen Art. Sie beweist das Gegenteil. Als leitende Frau unter Männern sei es nicht immer einfach: „Mir fehlt oft die Kommunikation auf Augenhöhe.“

Authentische Vorbilder sind super wichtig!

Miriam Schuff

Ein großes Problem sieht Miriam Schuff in der fehlenden Vernetzung von Frauen. „Aber da tut sich was.“ Sie nennt Plattformen wie Jobs for Moms oder Women after Work Koblenz. Wer sich austauscht, stärkt seine eigene Position, kann bei Fragen schnell jemanden anrufen, der Rat weiß oder weiß, wer weiterhelfen kann. So unterstützten Frauen sich gegenseitig – so wie Männer es seit jeher tun, sagt Schuff. Und weiß: „Authentische Vorbilder sind super wichtig!“ Sie nennt Bürgermeisterin Ulrike Mohrs. Diese steht in der Öffentlichkeit, sei authentisch, anpackend, bietet Angriffsflächen und einen klaren und souveränen Umgang mit Kritik oder Fehlern. „Das macht Mut und motiviert“, sagt Schuff.

Das sagt Professorin Anette Kniephoff-Knebel

Anette Kniephoff-Knebel (58) ist Professorin und Prodekanin im Fachbereich Sozialwissenschaften an der Hochschule Koblenz und lehrt unter anderem im Gebiet der Geschlechterforschung. Sie sagt: „Im Bereich der Wissenschaft hat sich die Situation von Frauen sicherlich verbessert. Von einer Gleichstellung sind wir aber nach wie vor weit entfernt.“

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Anette Kniephoff-Knebel
Nanna Helis

Als Beispiel nennt Kniephoff-Knebel den Weg zur Professorin, den sie selbst gegangen ist – neben Familie mit zwei Kindern. „Man braucht eine lange Ausbildung, einen langen Atem und muss viel investieren. Bei vielen Frauen kommt da die Familienplanung dazwischen.“ Der Spagat zwischen wissenschaftlicher Karriere und Betreuungsaufgaben sei oft nur schwer zu meistern. Das führe dazu, dass Frauen ihre beruflichen Pläne aufgeben.

Ein Problem sieht sie zudem in weiterhin wirkenden Stereotypen, beispielsweise in der Arbeitswelt, in der Mint-Berufe noch immer eher als klassische Männerberufe und soziale Tätigkeiten als Frauenberufe wahrgenommen werden. Entscheidend sei im Beruf ja nicht das Geschlecht, sondern die wirkliche Kompetenz. „Es gibt Frauenbilder, die einen sehr prägen. Sie wirken schon früh im Leben und führen dazu, dass sich junge Frauen nicht so viel zutrauen.“ Das erlebe sie auch aktuell immer wieder bei ihren Studierenden, erzählt Kniephoff-Knebel.

Doch die Professorin hat Zuversicht. „Ich denke, die neuen Generationen werden anders erzogen und gefördert. Und auch bei Männern hat ja ein Wandel stattgefunden. Inzwischen ist es in unseren Gremien Standard, dass von Vätern der Wunsch nach familienfreundlichen Zeiten eingefordert wird. Das ist kein reines Frauenthema mehr.“ Und: „Auch der Fachkräftemangel führt dazu, Frauen in der Wissenschaft zukünftig noch besser zu fördern.

Das sagt Bürgermeisterin Kathrin Laymann

Kathrin Laymann (40) ist seit Juli 2022 Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Rhein-Mosel. Sie sagt: „Für mich hat nie eine Rolle gespielt, ob ich etwas machen will oder nicht, weil ich eine Frau bin.“ Bestes Beispiel seien politische Ämter wie ihres: „Eigentlich kommt es da ja auf die Person an und nicht auf das Geschlecht“, sagt Laymann.

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Kathrin Laymann
Kathrin Laymann

„Wenn ich Politik machen möchte, muss ich mir anhören, wo die Probleme sind oder was die Gedanken der Menschen sind und mich da hineinversetzen. Das ist eine Eigenschaft, die schreibt man Frauen glaube ich eher zu. Ich will sie Männern aber gar nicht absprechen“, so Laymann und weiter: „Wir brauchen eigentlich jeden, der sich engagieren und einbringen möchte. Und deswegen brauchen wir auch jede Frau.“

Positiv nimmt sie mit Blick auf den Gender-Pay-Gap besonders eine Entwicklung wahr: Mittlerweile gibt es immer wieder Familien, in denen die Frau mehr verdient und deshalb arbeiten geht, während der Mann zu Hause bleibt. „Das hilft, aus einer Spirale herauszukommen, denn wenn Frauen immer zu Hause bleiben, dann verdient der Mann auch immer mehr. Und dann geht es immer so weiter.“

Das sagt Ingenieurin Esther Höfer

„Hinweis: wegen Elternzeit dienstags nicht erreichbar“ hat Esther Höfer in ihrem Mailabbinder stehen. „Ich habe überlegt, ob ich das so machen soll“, sagt die 31-Jährige, aber dann hat sie entschieden, mit diesen Worten deutlich zu zeigen, dass man auch als Teamleiterin im Sachgebiet Straßenplanung Familie haben kann, Mutter sein kann.

Esther Höfer
Esther Höfer

Während ältere Kolleginnen im technischen Bereich die Erfahrung noch kennen, dass sie von der männergeprägten Baustellenwelt nicht richtig ernst genommen wurden, hat sich dies enorm gewandelt. „Es gibt viele Ingenieurinnen, sowohl in unserem Team als auch bei den Büros, mit denen wir zusammenarbeiten“, da gebe es gar keine Probleme der Wertschätzung. Und auch auf Baustellen sei es für sie als junge Frau kein Problem, als kompetent wahrgenommen zu werden. „Manchmal muss man höchstens bei Investoren klarmachen, dass man die Zuständige ist“, die BWL-Welt ticke vielleicht noch ein bisschen anders, sagt die Koblenzerin und lacht.

Und auch gesellschaftlich müsse noch einiges passieren – im Übrigen nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer. Das Thema Care-Arbeit müsse viel stärker gesehen werden, sagt Höfer. Und dass Väter in Elternzeit gehen, dass sie sich um Kind, Familie und Partnerschaft kümmern, sei noch nicht bei allen Arbeitgebern gleich gut bewertet – von ihrem Arbeitgeber, der Stadtverwaltung sieht sie sich hingegen sehr gut unterstützt. Ein Riesenproblem gebe es nach wie vor durch die äußeren Umstände. Denn mit der Kita ist die Familie hochzufrieden, aber wenn Personal ausfällt, dann muss der kleine Sohn früher abgeholt werden. „Das macht einen schon mürbe, wenn man von seinem eigenen Anspruch, verlässlich zu sein, immer wieder abrücken muss.“

Veranstaltungen zum Weltfrauentag in Koblenz

Zum „Feministischen Kampftag“ laden verschiedene Initiativen zu einer Demonstration ab 18 Uhr ein. Der Startpunkt ist am Schüllerplatz in Lützel. Das Ende der Demonstration wird gegen 20 Uhr am Münzplatz sein. Während der Demo sind verschiedene Redebeiträge geplant. Ab 21 Uhr gibt es im Haus Metternich eine Party.

Zum Thema Feministische Stadtplanung laden die Stadt-Gleichstellungsstelle, der Fachbereich Soziologie der Uni Koblenz und der DGB für Freitag, 15 Uhr, in den Historischen Rathaussaal ein, Rathaus I, Willi-Hörter-Platz 1. Dabei geht es um etwas Theorie und konkrete Projekte für die Innenstadt Koblenz.

Die Koblenz-Touristik bietet am 8. März die Stadtführung „Koblenzer Frauengeschichten“ an. Auf einem Spaziergang vom Rheinufer bis zur Altstadt erfahren die Teilnehmer Interessantes und Historisches zu bekannten Koblenzer Frauen und wie sie die Stadt geprägt haben. Die Führung beginnt um 15 Uhr am Rheinufer, es gibt noch wenige Tickets zum Preis von 9 Euro (4 Euro für Kinder) unter www.visit-koblenz.de und in der Tourist-Info im Forum Confluentes.

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