Googelt man nach der Musikschule Op den Camp in Winningen, wird man noch unter dem alten Namen fündig, wechselt man dann auf den Internetauftritt selbst, wird klar: Etwas hat sich verändert. Musikschule Wagner steht nun dort. Genauso wie auf dem neuen Schild, das auf der Fassade des Gebäudes prangt. Grund ist, dass die private Musikschule in Winningen, die 1996 von Max Op den Camp gegründet und seither geführt wurde (siehe Interview), nun unter neuer Leitung steht.
Gerd Wagner (53), seit 22 Jahren Inhaber und Geschäftsführer der gemeinnützigen Musikschule Wagner UG steht nun seit 1. September auch in Winningen vor. Die Musikschule sei in Winningen „ganz etabliert“, sagt er, könne Bundessieger bei Jugend musiziert vorweisen, genauso wie Sieger bei anderen Landes- und Bundeswettbewerben: „Das zeigt auch, welche Qualität da unterrichtet wird“, lobt Wagner.
Dass Wagner nun eine weitere Musikschule führt, ist allerdings kein Einzelfall. „Aktuell schließen sehr viele freie Musischulen oder fragen nach Nachfolgern“, weiß Wagner. Bei ihm selbst haben allein in den vergangenen zwölf Monaten schon vier Schulen angefragt, ob er sie weiterführen könne, zweien musste er absagen. Gründe seien zum einen der große Lehrermangel und die riesige Nachfrage nach Unterricht. Ein zweiter Grund sei das sogenannte Herrenberg-Urteil, das es Musikschulen unmöglich mache, mit selbstständigen Musiklehrern zusammenzuarbeiten.
Es sei branchenüblich gewesen, mit Selbstständigen, freien Musiklehrern auf Honorarbasis zusammenzuarbeiten. Das Urteil erkenne hierbei eine Scheinselbstständigkeit, erforderlich seien daraus Nachzahlungen der Sozialversicherungen. Das Urteil sei so streng, sagt Wagner, dass es sich auf alle Musikschulen auswirke. Auf Bundesebene habe man verschlafen, das zu regeln, sagt er, und gehe das Thema erst jetzt an.
In Summe bedeutet dies: Man könne freie Musiklehrer nicht mehr rechtssicher beschäftigen, ergo müssten Schulen schließen oder sich verkleinern, wenn eine Festanstellung nicht möglich sei. Denn durch eine solche entstünden teils Kosten, die man nicht ohne Weiteres auf Eltern oder Schülern umlegen könne oder wolle. Die Musikschule Wagner selbst schaut weiterhin gespannt nach Berlin, derweil habe man schon viele Lehrer überzeugen können, sich fest anstellen zu lassen, sagt Wagner.
Denn die Nachfrage nach Musikunterricht ist ungebrochen groß, es bestehen Wartelisten, daher versucht man alles möglich zu machen, damit das Angebot bestehen bleibt, versichert Wagner. So nun auch in Winningen. „Hier geht es darum, Bewährtes zu bewahren und diese sehr etablierte und gute Musikschule zu erhalten“, erklärt Wagner den Plan für die Musikschule der Gemeinde.
Das große Ziel sei es aber, generell an allen Standorten die Menschen mit Musikunterricht zu versorgen – auch in Zusammenarbeit mit den Kommunen und kommunalen Angeboten selbst. „Wir würden uns gern mit beiden an einen Tisch setzen und die Frage klären, wie wir die Unterrichtsversorgung sicherstellen wollen, aber da laufen wir derzeit noch gegen Wände.“
Die Musikschule Wagner mit ihren elf Standorten in der Stadt Koblenz und den Landkreisen Mayen-Koblenz, Ahrweiler, Cochem-Zell und Hunsrück ist gemeinnützig, 1900 Schüler gibt es und 75 Lehrer für „alle gebräuchlichen Instrumente“. Gemeinnützig bedeutet dabei nicht kostenlos, sondern nicht gewinnorientiert: „Wir müssen natürlich trotzdem die Kosten, die entstehen, auf die Beiträge umlegen“, erklärt Wagner.
“Es war klar, dass es nicht so weitergehen kann"
Winningen. Der ehemalige Musikschulleiter Max Op den Camp äußert sich über die Gründe für den Wechsel.
Warum haben Sie sich dazu entschieden, die Leitung der Musikschule „aufzugeben“ und sie an die Musikschule Wagner zu übergeben?
Bereits seit einiger Zeit hatte ich mich mit der Frage beschäftigt, wie es gelingen kann, unsere wunderbare Winninger Musikschule, die zuletzt circa 330 Schüler und 20 Lehrkräfte umfasste, über mein eigenes Wirken hinaus für die Zukunft zu sichern. Im Frühjahr kamen dann plötzlich äußere Umstände hinzu, die es notwendig machten, konkret über den Wechsel in eine große, gemeinnützige Einrichtung nachzudenken: So sind die Möglichkeiten, als inhabergeführte Musikschule arbeiten zu dürfen, durch Gesetze und Verordnungen in den jüngsten Jahren bereits immer weiter eingeschränkt worden. Das sogenannte Herrenberg-Urteil des Bundessozialgerichts macht es nun fast unmöglich, in Zukunft noch als Selbstständiger an einer Musikschule zu arbeiten. Ebenso sind alle privaten Musikschulen ab 2025 durch den geplanten Wegfall der Umsatzsteuerfreiheit, die bisher alle professionellen Musikschulen unabhängig ihrer Trägerschaft hatten, bedroht. Es war also klar, dass es so nicht weitergehen kann wie bisher und wir etwas verändern müssen.
Könnten Sie den Entscheidungsprozess schildern? Wann kam der erste Gedanke hieran auf? Was hat Sie letzten Endes zu der Entscheidung bewogen?
Nachdem wir die Situation wie eben geschildert analysiert hatten, habe ich meine Fühler zu einigen großen gemeinnützigen Schulträgern ausgestreckt. Gerd Wagner zeigte sich sofort daran interessiert, unsere Schule zu übernehmen. Da wir beide – wie wir bei dieser Gelegenheit feststellen konnten – in der Lage sind, schnell weitreichende Entscheidungen zu treffen, haben wir uns kurzfristig über die entscheidenden Punkte einigen können. Mir war es vorrangig wichtig, dass alle unsere Schüler ihre Lehrkräfte und all unsere Lehrkräfte ihre Schüler und damit Arbeitsplätze behalten konnten. Dass Gerd Wagner die Übernahme „meines“ Kollegiums und die Weiterführung aller Unterrichtsangebote zugesagt hat, war das entscheidende Kriterium. Es ging dann schnell: Zwischen erstem Kontakt und Vertragsunterschrift lagen nur vier Wochen.
Wie kam die Übergabe an Wagner zustande? Warum haben Sie eine Übernahme durch diese Musikschule angestrebt?
Gerd Wagner kenne ich bereits viele Jahre durch die ehrenamtliche Arbeit im Bundesverband der Freien Musikschulen. Ich war dort lange aktiv, als Landesvorsitzender sowie als Politischer Geschäftsführer und Mitglied im Bundesvorstand. Gerd Wagner ist mir dort als Landesvorsitzender nachgefolgt und zusätzlich nun auch Präsidiumsmitglied im Landesmusikrat. Von daher kenne ich ihn als einen seriösen und ehrbaren Mann, dem ich die Zukunft „meiner“ Schule als qualitätsorientiertes Haus zutraue. Darüber hinaus ist er ebenso wie ich in der Region verwurzelt.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft Ihrer Musikschule?
Die Antwort fällt mir leicht: Ich wünsche, dass die Musikschule in Winningen auch in Zukunft ein Ort bleibt, der Menschen jeden Alters zum gemeinsamen Musizieren inspiriert. Ein Ort der Kultur und der Freude, das soll eine Musikschule sein. Und zwar für alle, die das Haus besuchen gleichermaßen, Schüler, Lehrkräfte, Familien. Dafür wünsche ich Gerd Wagner und seinem Team eine gute Hand und alles Gelingen!
Die Fragen stellte Stefanie Braun.